Kapitel 44

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Unsere Vorräte neigten sich dem Ende zu. Dagegen schien die trockene Wüste sich immer weiter auszudehnen und von Moon war nicht die geringste Spur auszumachen. Wie auch, er flog schließlich, dachte ich mit jedem Schritt frustrierter.

Meine Stimmbänder waren vom ganzen Rufen nicht mehr zu gebrauchen und ich verständigte mich mit Yabyr lediglich mit Kopfnicken oder Zeichensprache. Das heißt, wenn wir uns überhaupt ansahen oder auch nur die Präsenz des anderen bemerkten, da jeder in seinen eigenen Gefanken versunken war. Meine hielten mich in sämtlichen Horrorszenarien eines völlig blutüberströmten Moons, der am Boden um sein Leben kämpfte, in Atem.

Entschlossen holte ich erneut Luft damit ich auf uns aufmerksam machen konnte. Eine Berührung am Arm hielt mich davon ab. Meine Neugier hielt sich in Grenzen, als ich hinüber zu Yabyr sah, der gespannt seinen Kopf schief gelegt hatte und auf etwas zu lauschen schien.

Eine kühle Brise durchfuhr meine Haare und da die Wärme des Mittags Schatten am Himmel wichen, fröstelte ich in meinem schulterfreien, völlig zerissenen Abendkleid. Meine Schuhe hatte ich schon längst verloren, was mir immer wieder zwischendurch auffiel, wenn ich auf einen besonders spitzen Stein trat, was die Blasen unter meinen Füßen zum Platzen brachte und Dreck und Staub hineinrieb.

Wenn ich genauer darüber nachdachte, war ich mir sicher, dass ich sie seit meinem Sturz von dem Wasserfall verloren hatte. Spätestens als ich bewusstlos in dem See lag, wären sie untergegangen. Doch was im Moment noch schlimmer als meine Füße war, waren meine Schultern und mein Kopf. Ich hatte mir einen ordentlichen Sonnenbrand zugezogen, obwohl wir nicht mal den ganzen Tag gelaufen waren. Wahrscheinlich würde ich am Abend die volle Wirkung des Sonnenstichs zu spüren bekommen. Meine Haut pellte sich schon und es sah so aus, als würde sie sich jedoch langsam wieder regenerieren und erneuern.

Ein faszinierender Gedanken und doch ein wenig beunruhigend, da es auf der Erde bei mir immer mindestens eine Woche dauerte, bis von einem Sonnenbrand nichts mehr zu sehen und zu spüren war.

Unzufrieden zupfte ich an den letzten Resten meines einst schönen Kleides und wartete ungeduldig auf weitere Anweisungen von dem Experten des Verstoßenseins.

Ohne mich anzusehen winkte er mich immer noch konzentriert lauschend weiter und ich gehorchte ihm, während ich den Dreck mit meinen Fingernägeln von den Armen kratzte. Ich könnte dringend ein Bad gebrauchen, auch was den Geruch betraf, bemerkte ich naserümpfen, als sich der Wind drehte. Jedoch würde ich mir diesen Luxus erst gönnen, nachdem ich sicher zu Moon gelangt war. Wo immer er auch war.

Auf unserem Höllenmarsch kamen wir immer wieder an vereinzelten Baumgerippen vorbei. Als wir auf einen größeren, ebenfalls vertrockneten Baum zuliefen, stellte ich mit Unbehagen fest, dass ein Aasgeier auf den trockenen Ästen saß und uns aus seinen raubtierhaften Augen musterte, als würde er bereits Maß für sein nächstes Mahl nehmen.

Erschaudernd erhöhte ich das Tempo und spürte wie Yabyr neben mir die Muskeln anspannte und näher an mich rückte. Der Vogel krächzte spöttisch und prompt zuckte ich zusammen. Yabyr stieß ebenfalls einen lauten Kampfschrei aus und griff nach einem größeren Stein, den er nach dem Geier warf.

Wütend flog dieser auf und kreiste noch eine Weile über uns. Von dort an blickte ich mich wachsamer um, denn wo es Geier gab, würden sicher auch noch andere Gefahren lauern.

Wer wusste schon, was dieser Planet alles an Raubtieren hatte, die ich mir nicht mal in meinen kühnsten Albträumen ausmalen mochte.

„Findet sie! Und dann bringt sie zu mir."

Yabyr und ich blickten uns wie auf Kommando entsetzt an, als wir den gebellten Befehl einer mir nur zu gut bekannten Frauenstimme vernahmen. Dann sahen wir uns hastig nach geeigneten Verstecken um. Die mehr als begrenzt waren; wir hatten um genau zu sein die Auswahl zwischen einem brauen Kaktus und einem viel zu dünnen, trockenen Bäumchen.

„Wer ist das?", zischte ich hastig, während meine Augen ununterbrochen die Umgebung absuchten. Trotz meines Verdachts, wollte ich sicher gehen.

„Hailee", knurrte Yabyr unheilverkündend und in dem Moment wusste ich, dass ich einen Verbündeten gegen diese Schlange und ihre Tochter hatte. Wenn ich ihn erst mal von meiner Unschuld überzeugen konnte, natürlich. Zumindest darüber, dass ich nicht absichtlich abgehauen war.

Er fügte gedämpft hinzu: „Sie hat die Gewalt über die Wachen, seit Elias alt genug war, um sie dazu zu bemächtigen. Hätte der Herrscher nicht diesen Wahn..."

Ohne seinen Satz auszuführen wandte er sich abrupt ab und ging rasch weiter, in die entgegengesetzte Richtung aus der wir die Stimme gehört hatten. Eilig spurtete ich ihm nach und fragte mich, aus welchem Grund er Hailee wohl verabscheute.

„Da! Sie sind da vorne!", brüllte erneut eine Stimme. Diesmal war es ein männlicher Fireflyer in silberner Rüstung und mit Schwert und Messern bewaffnet. Fluchend rannte ich Yabyr unaufgefordert nach, der bereits wie ein gespannter Bogen beim ersten Ton losgeflitzt war. Es war mir ein Rätsel, wie diese Wachen uns so schnell auf die Pelle hatten rücken können, wir waren schließlich noch ein ganzes Stück von ihnen entfernt gewesen.

Leider holten sie trotz der schwer aussehenden Rüstung ebenso schnell auf, während ich keuchend, trotz all meiner Bemühungen, immer langsamer wurde. Ohne Schuhe und ausreichende Kondition, war ich geliefert. Yabyr sah ich nur noch als einen verschwommen Schemen unendlich weit vor mir, der immer kleiner wurde.

Und dann sollte mir ein kleiner, spitzer Stein zum Verhängnis werden. Kaum setzte ich meine Fußsohle auf ihm ab, um neuen Schwung für den nächsten Schritt zu holen, bohrte er sich in meine Haut und ließ reflexartig mein Bein unter mir wegknicken, um dem Schmerz zu entgehen. Nun hatte ich zu viel Schwung und konnte nichts mehr abfangen, sondern schlug volle Kraft voraus auf den Boden. Beim Aufprall presste sich die ganze Luft aus meinen Lungen, sodass ich im ersten Moment wie ein gestrandeter Fisch am Ufer liegen bleiben musste.

Sekunden später schaffte ich es mich aufzustemmen, nur um in das Gesicht eines Wächters zu blicken.

„Na, wen haben wir denn da?", fragte dieser spöttisch und war sogar so dreist mir eine Hand zum Aufstehen anzubieten.

Ein lautes Drachenkreischen ließ mich aufhorchen und ich traute meinen Augen kaum. Sie hatten Moon gefangen. Seile aus stahlähnlichem Material wanden sich um seinen schönen, starken Körper und gruben sich tief in sein Fleisch. Gequält brüllte er erneut auf und wollte auf mich zu stürmen, wurde jedoch von den Seilen und mehreren Fireflyern daran gehindert, sodass er mit einem entsetzlichem Geräusch auf den Boden aufschlug, - und reglos liegen blieb.

Daughter of ร๓๏гเℵ  ๏รฬ๏ภє Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt