Kapitel 38

72 7 0
                                    

Die kalte Nachtluft peischte mir gnadenlos ins Gesicht, während ich den schwebenden Laternen ausweichen musste.

Wie hatte ich so blind sein können und die Anzeichen dermaßen falsch lesen können? Schließlich waren die Fylons mehr als begeistert sich auf Xavina stürzen zu können. Dabei waren die kleinen, blauen Lichtenergien sonst eher schreckhaft und zeigten sich schon gar nicht mehr als einer Person, oder gar einer bürgerlichen die nicht mal auf diesem Planeten geboren war.

Xavina konnte ihre Gefühle von jetzt auf gleich verstecken.
Und gerade hatte sie deutlich ein Gefühl gesendet. Ich war nur erleichtert, dass ich es rechtzeitig hatte abfangen können, damit die restlichen Fireflyer nicht von ihren Fähigkeiten erfuhren. Denn das hätte alles andere als angenehme Folgen.

Allein diese beiden Tatsachen würde meinem Volk reichen, sie den Medicien auszusetzten. Diese waren im entferntesten Sinn unsere Ärzte und Forscher, allerdings verwendeten sie keineswegs die üblichen Heilpraktiken, weswegen man sie erst im äußersten Notfall aufsuchte.

Meine Flügel reagierten auf meine Wut wie Benzin auf Feuer und katapultierten mich mit einem Schlag in die Höhe. Nun da ich keinen Laternen mehr ausweichen musste, nahm ich ordentlich an Geschwindigkeit zu. Der kalte Gegenwind ließ mir das Blut in die Wangen schießen und durchfuhr meine ohnehin schon unbändigen Haare.

Meine Zähne knirschten unbewusst als meine Gedanken um die neuen Erkenntnisse von Petr schweiften. Das waren mehr als beunruhigende Neuigkeiten, die alles auf den Kopf stellten.

Silva Nightare sollte schon einmal auf Smorix Oswone gewesen sein, als sie etwas älter als Xavina jetzt war. Sie wurde von einem gewöhnlichen Fireflyer aus dem Volk hergebracht und gehörte offiziell nach den Gesetzten nun ihm.

Diese Tatsache hatte ich Xavina bewusst verschwiegen, mit ein paar weiteren von denen sie nichts zu wissen brauchte.

Jedoch schien Xavina ebenso wie ihre Mutter Silva alles zu hinterfragen und gab sich nicht so leicht zufrieden.
Diese hatte vor Jahren kein Problem damit gehabt die Gesetze zu umgehen und wenn nötig auch zu brechen, indem sie überhaupt erst die Bekanntschaft mit einem der mächtigsten Lords gemacht hatte.

Ich fragte mich mit widerwilligem Respekt, wie sie das geschafft hatte, schließlich war es nicht einfach so, dass man beliebig zu dem Adel spazieren konnte.

Mit Yabyr hatte ich nur einmal vor seiner Verbannung gesprochen.

Es kam mir vor als wäre es gestern gewesen, als ich mich an unser Gespräch erinnerte. Ich musste damals bestimmt schon vierzehn Erdjahre alt gewesen sein, denn ich hatte mich von meinem nächtlichen Kampftraining weggeschlichen, was das erste und letzte Mal war. Weit kam ich nicht, denn schon nach wenigen Schritten stieß ich mit dem Drachenreiter zusammen.
„Verzeihung",keuchte ich atemlos, aber auch das konnte meinen Unmut nicht verbergen.
„Sagt ein angehender Kaiser", erwiderte eine amüsierte Stimme knapp über mir.
Mein Stirnrunzeln vertieft sich. Niemand machte sich über mich lustig, wer war der Mann, dass er sich so ein Verhalten erlaubte?
„Sir?", entgegne ich in kühler Höflichkeit. Wenn mein Verschwinden unbemerkt bleiben soll, musste ich mich unauffällig benehmen.
„Oh, komm schon Elias. Lass dich von niemandem aufhalten. Und schon gar nicht von mir oder den Regeln."
Meine Augen suchen in dem unbekannten Gesicht nach Antworten, doch es strahlt mir nur ebenmäßig mit blauen Augen entgegen.

Die Zeit verging merkwürdig im Vergleich zur Erde. Auf der Erde hatte ich Xavina gegenüber behauptet, dass die Zeit auf Smorix schneller vergehen würde.

Doch in Wahrheit wussten wir es nicht wirklich. Manchmal verging ein Tag in wenigen Stunden, manchmal dauerte er eine gefühlte Ewigkeit. Mein Urgroßvater bestand zu seiner Zeit auf die Zeitmessung durch die «Venusumdrehungen». Und diese hatte sich bis heute durchgesetzt, obwohl inzwischen bewiesen war, dass auch dieser Planet seine Unregelmäßigkeiten hatte.

Smorix wurde von drei kleineren Himmelskörpern umkreist, der größte brauchte zudem auch am längsten für seine Rückkehr und die weiblichen Fireflyer gebaren mehr Nachwuchs in der Zeit, wo er sichtbar am Nachthimmel stand. So gewann er nicht nur seinen Status als Zeitmesser, sondern auch seinen Namen: «Venus».

Meine Augen fokussierten sich langsam wieder auf mein eigentliches Ziel, jedoch war ich wie erwartet viel zu weit geflogen und befand mich bereits über dem Abgrund zu den Wäldern. Die gläserene Stadt und den Wasserfall der Drachen hatte ich weit hinter mir zurückgelassen. Schwungvoll drehte ich abrupt und flog zurück.

Juans gehässigen Worte wirbelten erneut in meinem Kopf auf und setzten sich wie die restlichen Puzzelteile alle an seinen Platz. Müde betrachtete ich das Gesamtbild und war keineswegs überrascht.

Yabyr hatte die Strafe für Silva klaglos übernommen, natürlich aus Liebe, aber noch aus einem anderen Grund, einem möglicherweise viel wichtigeren Grund.

Sie war schwanger.
Diese simple Tatsache bedeutete, dass sie zurück auf die Erde durfte, wenn es der Fireflyer der sie hergebracht hatte, erlaubte. Oder in diesem Fall: der Vater.

So gelangte sie sicher in ihrer Welt. Doch es war mir ein Rätsel, warum niemand sich darum gekümmert hatte, sie zurück auf Smorix zu holen.

Obwohl das stimmte nicht ganz; Samuel war bei ihr. Der Vermittler zwischen den Welten, hatte anscheinend die Aufgabe, Silva erneut auf Smorix zu locken.

Jedoch war es seltsam, dass Xavina keine prägenden äußerlichen Merkmale eines Fireflyers hatte. Zwar war sie halb menschlich, doch ihr Vater war nicht irgendjemand sondern einer der sieben Lords von Smorix Oswone und zudem der erste Drachenreiter. Da dürfte doch eigentlich ein beeindruckender Nachwuchs zu erwarten sein.

Meine Lippen verzogen sich spöttisch, als ich daran denken musste, was für eine Enttäuschung ich erst für meinen Vater sein musste.

Rufe rissen mich in die Gegenwart, worum ich ehrlich gesagt froh war, denn ich hatte es satt, weiter zu grübeln.

Gegen den ursprünglichen Instinkt zog ich meine Schwingen eng an den Rücken an und ließ mich gerade wie ein Pfeil nach unten fallen.
Am Rand der Stadt hatte sich bereits eine Menge gebildet die mit jeder vergehenden Sekunde größer zu werden schien.

Gemächlich ließ ich den Blick über die Gebäude schweifen und blieb an dem Schloss hängen. Der Gedanke an Xavina kam so leise erneut in meinen Kopf geschlichen, dass ich ihn erst bemerkte, als ich ihn nicht mehr im Keim ersticken konnte.

Sie würde für die Zeremonie des Neuanfangs alleine mit ihrem Drachen hierherfliegen müssen. Augenblicklich tat es mir leid sie so klammheimlich verlassen zu haben. Aber daran konnte ich nun nichts mehr ändern, es war zu spät, um jetzt erst noch zum Schloss zu fliegen.

Und ich konnte ihr keine Nachrichte übermitteln, da wir keine mentale Verbindung mehr hatten. Außerdem war ich mir sicher, dass sie sich dagegen sträuben würde, wenn ich es vorschlagen würde. Auch wenn ich das nicht nachvollziehen konnte, ihre Meinung war mir wichtig und ich würde sie respektieren.

Überrascht davon, dass sich Xavina so schnell einen festen Platz in meinem Leben und irgendwie auch in meinem Herzen erobern konnte, ließ mich fast vergessen meine Flügel auszubreiten.

Bewundernde Rufe und Jubel schallte zu mir hoch, während ich lediglich den Rest des Aufpralls auf das Glas dämpfen konnte.

Das Podest war die einzige unnatürliche Erneuerung zu der gläsernen Stadt, die im Laufe der Jahre getätigt wurde. Das Schloss und die Häuser der Bevölkerung waren bereits mehrere Jahrtausende alt und hatten seit ihrer Erbauung kaum eine großartige Erneuerung benötigt.

Früher wurde die Stadt Sphere al Smorix genannt. Dieser Name war jedoch nur noch den Ältesten im Volk bekannt und die Inschrift am Stadttor wäre schon längst verblasst, wenn es eines gegeben hätte. So aber geriet der Name langsam in Vergessenheit, was auch die Absicht der Gelehrten gewesen war.

Ich ballte kurz die Fäuste, bevor ich meinem Volk zuwinkte und unruhig auf Xavina wartete.

Daughter of ร๓๏гเℵ  ๏รฬ๏ภє Where stories live. Discover now