Kapitel 25

81 11 3
                                    

Elias zog mich langsam hinter sich her durch die Holzvilla, auf die Eingangshalle zu. Irgendwie würde ich diesen Ort vermissen, obwohl ich nicht lange hier gewesen war.
Meine Finger lagen entspannt in seiner großen Hand und ich genoss die Wärme seiner Haut. Wir waren schon einmal Händchenhaltend durch die Gegend gelaufen, jedoch war diesesmal anderes. Statt mich aus seinem besitzergreifend Griff befreien zu wollen, erwiderte ich den Durck seiner Hand sogar und warf ihm immer wieder kurze Seitenblicke zu.

Offensichtlich war ihm das bewusst, denn er fing an zu grinsen und blickte neckisch auf mich hinunter. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich musste gegen den Instinkt ihn abschütteln zu wollen, ankämpfen.

Meine Lippen kräuselten sich unwillkürlich, als Elias mit seinem Daumen kleine Kreise auf meinen Handrücken zeichnete. Nun wurde die Gänsehaut deutlich sichtbar auf meinen Armen und ich schmunzelte.

Draußen hatte sich die Temperatur deutlich abgekühlt und der Nachthimmel war Wolken verhangen. Elias meinte, dass es in den nächsten Tagen sicher noch ein Gewitter geben würde und ich fragte mich, ob ihm das wohl der Wind zugeflüstert hatte.

Im Inneren der Kimo war es warm und beim Einsteigen, hatte mir der Phoenix freundlich zugezwinkert. Ich setzte mich auf die Bank, direkt neben das Fenster und betrachtete ein letztes Mal staunend die Umgebung.

Es waren wirklich fast alle Naturgewalten hier draußen vertreten und sie zeigten sich in ihrer natürlichen, anmutigen Schönheit. Beinahe meinte ich noch, das leise Meeresrauschen hören zu können, als sich unser Gefährt langsam in Bewegung setzte.

Ich beobachtete, wie der Boden unter uns immer mehr verschwamm und wir schließlich in die Nacht aufstiegen. Es erinnerte mich wieder unangenehm deutlich daran, was Elias zu mir gesagt hatte. Nämlich, dass ich genauso wie er auf diesen Planeten gehören würde. Mein Körper verkrampfte sich unmerklich und ich krallte meine Hände ineinander.

Ein klapperndes Geräusch, riss mich aus meinen Gedanken und ich fuhr ruckartig zu Elias. Er saß mir wieder gegenüber, doch auf seiner bleichen Stirn zeichneten sich Schweißperlen ab. Sein Gehstock war von dem kleinen Tischen heruntergerollt und er hatte aus irgendeinem Grund plötzlich keine Kraft mehr, um sich danach zu bücken, geschweige denn, überhaupt zu bewegen.

Zu tiefst erschrocken sprang ich auf und setzte mich neben ihm. Besorgt legte ich ihm eine Hand an die Stirn, sie war eiskalt. Er hustete und dabei fielen mir erneut die Lederhandschuhe auf, als er sie sich vor den Mund hielt und wie sie sich perfekt um seine schönen Hände schmiegten.

Schnell hob ich seinen Gehstock vom Boden auf, da er anfing umher zu rollen.
Ich strich mir die Haare aus den Augen und blickte ihn aufmerksam an. „Was ist los mit dir? Du sahst vorhin in meinem Zimmer auch nicht wirklich... gesund aus."

Er stöhnte und hatte offensichtlich Mühe damit, mein Gesicht zu fokussieren. „Du erinnerst dich doch noch an mein Gespräch, das du belauscht hast", keuchte er unter Schmerzen. „Ich habe mit diesem Mann gesprochen, der die Kräfte der Wasserdrachen bündeln konnte. Und alles erfordert seinen Tribut. Heute musste ich lediglich einen Teil meiner Stärke für das Wissen eintauschen."

Entsetzt sah ich ihn an und wusste nicht, was ich tun konnte, um ihm irgendwie zu helfen. „Und...", ich schluckte mühsam, „gibt es etwas, das deine Schmerzen lindern würde?"

Er schüttelte leicht den Kopf und murmelte: „Es wird mir besser gehen, wenn wir erstmal im Schloss sind. Keine Sorge, ma cœur, ich habe schon schlimmeres überstanden."

Ich nahm seine Hand zwischen meine Finger und fuhr über das Leder. Da ich seit mehreren Jahren Französisch in der Schule hatte, war mir sehr wohl bewusst, wie er mich genannt hatte. Dafür brauchte ich nicht extra einen Google-Übersetzer, der hier auf einem Planeten ohne Internet oder Smartphone sowieso versagt hätte. Doch mein Gesicht blieb eine Maske aus Selbstschutz und seine Worte, egal was sie bedeuten mochten, konnten meinen Panzer nicht durchbrechen.

Hoffentlich verging der Flug schnell, denn trotz seiner Versicherung, er würde schon durchhalten, konnte ich kaum mitansehen, wie er still litt. Denn in der kurzen Zeit hatte ich mich dennoch ein wenig für ihn geöffnet und er war mir keineswegs gleichgültig.

Elias' Augen zuckten unter seinen geschlossenen Lidern und er murmelte wie im Fieberwahn: „Erzähl mir etwas, das sonst niemand über dich weiß."

Ich warf einen Blick auf sein glänzendes Gesicht und beobachtete, wie ein Schweißtropfen überhalb seiner Oberlippe glitzerte, bevor er sich löste und träge weiter rollte.

Da ich vermutete, dass er sich später sowieso nicht mehr an unser Gespräch erinnern konnte, gab ich mir einen mentalen Ruck und fing gedämpft an zu erzählen: „Also gut, mir fällt gerade nichts ein, was niemand außer mir kennt. Aber ich kann dir von einem der peinlichsten Momente in meinem Leben erzählen, solange du schwörst es für dich zu behalten."

Mein Blick ruhte erwartungsvoll auf seinem verkrampften Gesicht und mir war ein wenig unwohl, da meine Worte viel zu schnell und somit unüberlegt herausgepurzelt waren. Doch ich war entschlossen ihn in ein Stück in meine Vergangenheit mit einzuweihen, den Grund für meinen Sinnenwandel kannte ich nicht.

Seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln und er nickte, während er eine Hand auf sein Herz legte.

Da ich dies als Zustimmung deutete, holte ich tief Luft und fing an: „Ich war in der fünften Klasse und wir hatten gerade Mathe. Weil ich dieses Fach hasste, langweilte ich mich entsprechend und an diesem Tag saß ich neben einer Landkarte. Diese war, damit sie sich nicht aufrollte, mit einem Stock beschwert, der sich unten in so einer Schlaufe befand. Und weil ich sowieso immer an allem herumspielte, stupste ich den Stock die ganze Zeit an. Mein Lehrer hatte mich wohl zu diesem Zeitpunkt dran genommen und als ich nach mehrfachem Aufrufen nicht reagierte, dafür war der Stock einfach zu spannend, kam er auf mich zu. Er erschreckte mich so sehr, dass ich den Stock mit einem kräftigen Stoß, versehentlich gegen seinen Kopf katapultierte."

Ich wartete einen Moment und plötzlich bebte seine Brust unkontrolliert. Ich grinste erleichtert, als ich bemerkte, dass er bloß lachte.

„Das hat er wohl verdient", erwiderte er heiser. „Erzähl mir später, eines deiner Geheimnisse", bat er mich und öffnete kurz seine Augen, mit einem verschwörerischem Zwinkern.

„Was wäre ich denn ohne meine Geheimnisse?"
Ich grinste ihm erheitert zu und wünschte mir, wir wären bereits an unserem Ziel angelangt. Tatsächlich dauerte es nicht mehr allzu lange, bis wir am Schloss ankamen und sie Kimo rollte holprig auf dem Schotterweg aus.

Noch bevor die Räder endgültig aufgehört hatten sich zu drehen, sprang ich eilig aus der Kutsche und brüllte aus Leibeskräften nach Maas. Sie wusste bestimmt, was zu tun war.

Jedoch kam nicht sie aus dem Schloss auf mich zugestürmt, sondern ein Mädchen. Ihre langen weißblonden Haare wehten wie eine Fahne hinter ihr her und sie trug eine hautenge Kampfmontur. An ihrem Gürtel, der um ihre Wespentaille geschnallt war, steckten unzählige Messer, Schwerter und Waffen, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte.

Ohne mich eines Blickes zu würdigen rauschte sie wie ein bildschöner Racheengel an mir vorbei und stieg in die Kimo.

„Hey", rief ich ihr hinterher, als ich meine Stimme wieder gefunden hatte. „Wer bist du?"

Sie ignorierte mich, zumindest gab sie mir keine Antwort und ich stemmte genervt die Hände in die Hüften. „Ey! Ich rede mit dir!"

Das Mädchen kam aus dem Gefährt hervor. Sie hatte sich Elias' Arm über die Schultern gelegt und starrte mich mit einem abfälligem Blick an.

„Du bist also der Erding. Besonders schön siehst du ja nicht aus", sagte sie mit langsamer Stimme, so als ob sie sich nicht sicher war, ob ich sie verstand.

Ich rollte die Augen und hätte ihr am liebsten an ihren langen Haaren gezogen. Stattdessen krallte ich die Finger in den Stoff meines T-Shirts und atmete laut aus.

Sie grinste überheblich und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Sie sah aus, wie eine jüngere Version von Hailee. Jedoch noch viel bösartiger und natürlicher, was ihr Gesamtbild betraf.

Außerdem ragten geschwungene Hörner in schillerndem braun, zwischen ihren Haaren hervor. Sie erinnerte mich buchstäblich an den Teufel in Person.

Daughter of ร๓๏гเℵ  ๏รฬ๏ภє Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt