Kapitel 34

59 8 0
                                    

Meine Augen hatten ein Eigenleben entwickelt, denn anders konnte ich mir nicht erklären, warum ich sah, wie Moon blitzartig seine gewaltigen Schwingen entfaltete und sein gigantischer Körper das Wasser lediglich streifte.

Das dunkle Wasser kräuselte sich über mir, während ich in einem schwebendem Zustand nach oben starrte.

Nach unten. Den schwarzen Nachthimmel. Unendlich viele Sterne durchsetzten das Dunkel.

Ein bleiches Gesicht unter der Wasseroberfläche. Ihre Augen waren weit aufgerissen und schimmerten durchsichtig. Die Lippen liefen bereits blau an und kleine Luftbläschen drängten sich zwischen ihnen hervor.
Schwarze Haare umgaben sie wie ein dunkler Heiligenschein und im nächsten Moment kam sie mir bekannt vor. So vertraut.

Woher kenne ich sie nur?, fragte ich mich ratlos. Ein drängendes, nagendes Gefühl meldete sich, bedeutete mir das die Information wichtig war und ich mich besser schnell wieder erinnern sollte.

Gespannt beobachtete ich den Drachen, der seine Runden über dem Wasser zog und bei jeder weiteren ungeduldiger erschien. Seine Schuppen schimmerten ebenfalls schwarz und lenkten meinen Blick erneut auf das Mädchen.

Ihr Gesicht schien langsam gräulich anzulaufen und ich fragte mich, ob sie vorhatte sich umzubringen.

Der Drache riss seinen Kopf dem Himmel entgegen und stieß ein heiseres Fauchen aus. Rauch stieg aus seinen Nüstern und er schien den großen, runden Vollmond anzustarren.

Seine Flügel hörten auf zu schlagen und sein gewaltiger Körper berüherte fast das Wasser, während er immer weiter sank.

Ich war mir beinahe sicher, dass ich auch ihn kannte. Und seinen Namen...
Wusste ich ihn nicht noch zuvor?

Wut durchzuckte mich und war dabei den schweren Nebel um mich herum zu lichten. Doch es war nicht genug. Der Nebel wollte sich nicht so leicht geschlagen geben und kam wieder, ebenso leise und schleichend wie zuvor.

Ein raues Fauchen lenkte meine Aufmerksamkeit zurück auf den Drachen. Ein Mann war lautlos am steinigen Ufer erschienen und offensichtlich der Grund des Misstrauens.

Ohne sich zu bewegen starrten sich die beiden eine Weile wortlos in die Augen. Moment, wortlos?

Der Mann senkte langsam den Blick und neigte den Kopf nach vorne, wie um sich zu verbeugen. Das schien dem Drachen genug, denn er hatte sein Interesse verloren.

Erneut wandte er sich dem Mädchen in dem Wasser zu. Seine riesigen Schwingen verursachten durch das sachte Schlagen zarte Wellen, die gemächlich ans Ufer rollten.

Wasser schwappte über die Schuhe des fremden Mannes. Ohne sich darum zu kümmern konzentrierte sich dieser vollkommen auf den Drachen. Worte strömten aus seinem Mund, doch ich konnte nichts verstehen, denn es klang so, als würde er versuchen unter Wasser zu sprechen.

Ein Gedanke blitzte vor mir auf hell und gleißend. Doch als ich nach ihm greifen wollte, zerann er vor meinen Augen und hinterließ statt der gewünschten Erinnerung lediglich kalte Leere. Frustriert durchfuhr mich eine tiefe Verzweiflung gemischt mit etwas anderem, älterem. Furcht.

Der Drache erhob sich kraftvoll in die Luft und das Wasser wich aufgewühlt. Statt noch höher zu fliegen blieb der Drache nah genug in Wasserreichweite. Verwirrt fragte ich mich warum er nicht einfach davon flog und beobachtete, wie er scheinbar völlig aufgebracht Kreise zog.

Währenddessen hatte ich den Mann aus den Augen verloren und wurde erst wieder auf ihn aufmerksam, als ein lautes Platschen ertönte.

Er hatte seine Schuhe und das T-Shirt achtlos auf die Steine geworfen und kraulte geübt durch das Wasser. In wenigen Zügen würde er bei dem Mädchen angekommen sein. Seltsame Anspannung machte sich in mir breit.

Die Welt geriet in Bewegung und ich schaukelte unruhig hin und her. Das Plätschern wurde lauter, obwohl ich noch immer an der gleichen Position alles im Blick hatte.

Auf einmal konnte ich den Atem des Mannes hören und spürte Kälte. Um mich herum wurde es dunkel.

Mein Körper war mit Wasser gefüllt und so schwer wie ein Stein. Langsam sank ich dem Grund entgegen. Doch das schrecklichste - noch schrecklicher als keine Luft mehr zu bekommen, - war, dass ich meine Augen nicht schließen konnte.

Ich hatte keine Kontrolle mehr über mich.
Hilflos musste ich mitansehen, wie die Sicht an meinem Blickfeld verschwamm und dunkler wurde. Druck übte sich auf meinen Kopf aus und ich glaubte mein Körper würde jeden Moment zerbersten.

Plötzlich durchstießen zwei starke Hände das Wasser und kamen in unheimlicher Geschwindigkeit auf mich zugeschossen. Sie packten mich unter den Armen und rissen mich kraftvoll nach oben.
Über die Wasseroberfläche, an die Luft. Direkt nach dem Auftauchen zogen sich meine Lungen reflexartig zusammen und ich atmete gierig ein.

Statt rettender Luft verschluckte ich mich an dem Wasser in meinen Lungen und glaubte erneut ertrinken zu müssen. Panisch trat und zappelte ich herum, lediglich die beiden Hände hielten mich davon ab, erneut unterzugehen.

Zügig setzten wir uns in Bewegung, sodass das Ufer mir nicht mehr ganz so weit entfernt vorkam. Der Mann schwamm ebenso kraftvoll mit mir als Last, wie zuvor und wir erreichten das Land.

Er zog mich wie einen schwimmunfähigen Fisch an den steinigen Strand, wo ich japsend immer noch nach Luft rang.

Müdigkeit übermannte mich erneut und mein Oberkörper wurde förmlich von dem Boden angezogen. Grobe Hände drehten mich auf den Rücken und pressten mir das Wasser aus den Lungen. Hustend und keuchend spuckte ich den gefühlt halben See aus.

Nach einer kleinen Ewigkeit schaffte ich es einen winzigen Atemzug zu tätigen. Erleichterung strömte mir warm durch die Adern und ließ mich die Unbarmherzigkeit des Lebens für einen Moment vergessen, sodass ich die Augen öffnete.

Und blickte in zwei Spiegel.

Die Augen in dem Gesicht dieses Mannes, waren meine. Oder ich hatte seine. Verblüfft blinzelte ich ein paar Mal, doch nichts änderte sich.

Der Mann wandte den Blick von mir ab und suchte mit den Augen den Himmel ab. Als er den Drachen gefunden hatte, stieß er einen schrillen Pfiff aus und winkte ihn mit der Hand zu sich.

Empört wollte ich den Mund öffnen, um ihm meinen Meinung zu geigen, doch kein Ton kam über meine Lippen.

Automatisch wanderte meine Hand an meinen Hals -, meine Haut glühte seltsam.

Angespannt beobachtete ich wie das riesige Tier ein bisschen weiter Abseits bei uns landete. Es wandte mir seinen riesigen Kopf zu und blickte mich aus großen, wissenden Augen an.

Schlaf Xav, murmelte eine sanfte Stimme in meinem Kopf. Das letzte woran ich mich erinnerte war, dass ich das irgendwoher kannte. Diese fremden und doch so vertrauten Stimmen in meinem Kopf.

Daughter of ร๓๏гเℵ  ๏รฬ๏ภє Where stories live. Discover now