Kapitel 15

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Elias lehnte seinen Kopf zurück an die Lehne und beobachtete mich angespannt. „Ich dachte, du hättest den Vorfall schon wieder verdrängt", murmelte er unglücklich und kniff kurz die Augen zusammen. Sorge zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, aber er ließ ihr nicht die Überhand.

Ich runzelte die Stirn und biss mir auf die Lippe. „Warum sollte ich so etwas, so schnell wieder vergessen? Ich meine, Elias, der Mann ist ertrunken!"

Er seufzte und rang offensichtlich mit sich selbst.

„Oder etwa nicht? Elias, bitte! Wenn er nicht tot ist, dann sag's mir", flehte ich ihn inzwischen an und hoffte inständig, er würde sich mir endlich anvertrauen.
Und tatsächlich, meine Gebete wurden erhört!

„Na schön", er beugte sich zu mir vor und stützte die Ellbogen auf seine Knie. „Den Mann, den du heute morgen gesehen hast, war ein Massenmörder. Normalerweise hätten wir ihn sofort hinrichten lassen, aber bei ihm müssen wir leider eine Ausnahme machen." Abscheu verdunkelte seine Gesichtszüge und ließ seine Augen merkwürdig reflektieren.

Angespannt hob ich die Schultern. „Das heißt?"

„Nun, ich denke, du kennst die Kerker und Gefängnisse aus deiner Welt. Solche haben wir auch, sie befinden sich unter dem See. Und der einzige Weg hinein ist der, den du gesehen hast."

„Aber warum waren keine Wachen dabei?"

Elias sah mich aus undurchdringlichen Augen an und ich hob geschlagen die Hände. „Schon gut. Ich weiß, das ist nicht nötig für dich, blabla. Aber wie wollt ihr ihn dann wieder aus dem See bekommen, für die Hinrichtung. Und gibt es da eigentlich Einzelzellen oder ist das wie eine große Gemeinschaftszelle?"

Inzwischen war eine morbide Neugier in mir geweckt und ich musterte Elias gespannt.

Er lachte leise und diesmal kam er mir wieder wie gewohnt verführerisch und sexy vor. „Lass es mich so ausdrücken, die Magie der Wasserdrachen und des Planeten sorgt dafür. Genauer darf ich es dir aus Sicherheitsgründen nicht erklären, weil deine Gedanken noch zu offen sind", meinte er entschuldigend und zuckte mit den Achseln.

Das kam mir schlüssig vor. Bis auf den letzten Teil...
„Wie bitte?", quietschte ich zwei Oktaven höher.

Elias zog amüsiert eine Augenbraue hoch. „Ja?"

„Ich wusste doch, dass du meine Gedanken lesen kannst", kreischte ich beinahe und fluchte, wobei meine Hände wie wild in der Luft herumfuchtelten.

Die Kimo setzte mit einem Ruck auf festem Untergrund auf, aber das kümmerte mich momentan herzlich wenig.

Anklagend blickte ich Elias aus funkelnden Augen an und verschränkte die Arme vor der Brust, dabei ignorierte ich meinen Sonnenbrand geflissentlich.

Er räusperte sich und bemühte sich offenbar erfolglos, ein Grinsen aus seinem Gesicht zu vertreiben. Schließlich gab er es auf und hob wie geschlagen die Hände. „Also, ich vermute, dir hat noch niemand gesagt, dass du eine umwerfende Ausstrahlung hast?"

Mir fiel die Kinnlade runter. Hatte er eigentlich noch alle Tassen im Schrank, mich jetzt gleichzeitig beleidigen und ein Kompliment machen zu wollen? Bevor ich jedoch etwas Unschönes sagen konnte, redete er hastig weiter.

„Damit meine ich deine Emotionen, okay? Es ist so, dass wir eher Gefühle spüren können und sie je nach Situation dann deuten. Deswegen kommt es Menschen so vor, als könnten wir ihre Gedanken lesen, was nicht der Fall ist. Und bei dir sind die Emotionen so stark ausgeprägt, dass ich sie schon über Meilen hinweg spüren kann." Aufgewühlt sah er mich an und schien zu wissen, dass ich darüber erstmal nachdenken musste.

Schwankend erhob ich mich von der Sitzbank, da meine Beine mir nach dem rasanten Flug noch nicht ganz gehorchen wollten. Dankend nahm ich Elias' Hand, als er sie mir anbot und er half mir beim Aussteigen.

Der Ort an dem wir gelandet waren, war genauso umwerfend und wunderschön wie auch die anderen Plätze, die ich bisher zu Gesicht bekommen hatte. Die Kutsche mit dem Phoenix war wenige Meter entfernt von einem Wald gelandet, der jedoch eher mit einem Dschungel zu vergleichen war. Auch der trockene, sandige Boden war einem frischen Grün mit vereinzelten Blüten gewichen. Natürlich kam mir keine der leuchtenden blauen und rosafarbenen Blumen bekannt vor, aber das wäre auch der Fall gewesen, wenn wir hier auf der Erde wären. Die Luft roch süß und war drückender als zuvor. Ich fragte mich, warum Elias diesen Ort so wichtig fand, dass er ihn mir zeigte. Andererseits muss es dafür ja keinen Grund geben, er wollte mir schließlich mehr von dem Planeten zeigen und von seinem Reich. Das hieß aber auch, dass wir uns von den Bergen und den höher gelegenen Orten fernhalten mussten, da sein Vater dort regierte, wenn ich mich richtig erinnerte. Leider kamen die Drachen und weitere mächtige Geschöpfe aus den Bergen und sind somit in Vadims Dunstkreis der Macht.

Ich zog meine Schuhe aus und atmete leicht auf, als meine Füße das weiche Gras berührten. Der Wind strich kitzelnd über meine Haut und ließ meine inzwischen trockenen Haare und das Kleid über meinen Sonnenbrand fahren. Obwohl Elias keinen Mucks von sich gab, spürte ich deutlich seine Anwesenheit in meinem Rücken.

Die Sonnen stand wirklich schon kurz vor ihrem Untergang. Der Flug konnte jedoch nicht allzu lange gedauert haben.
Unschlüssig, was ich nun tun sollte, wandte ich mich zu Elias um. Der schien zu verstehen und deutete auf ein großes Haus, das ich vorher gar nicht bemerkt hatte. Es war aus Holz gebaut und schien dennoch stabil und modern gebaut zu sein, genauso wie diese Trendhäuser auf der Erde. Solche die man nur in der Karibik sah. Nachdem Elias in ihm verschwunden war, drehte ich mich wieder zu dem Dschungel.

Meine Angst vor dem Phoenix war verflogen, ich wusste nicht wodurch, aber auf einmal war mir klar, dass mich kein Geschöpf absichtlich verletzen wollte. Hier nicht. Aber das, worüber ich wirklich nachdenken sollte, oder musste, wollte einfach nicht klar in meinem Kopf werden. Die einfache Tatsache, das die Leute hier Gefühle von Fremden spürten wollte nicht bei mir ankommen.

Hätte ich darüber einen Film auf der Erde gesehen, hätte ich dem Mädchen gesagt, dass es sich gefälligst nicht so anstellen soll, schließlich wäre die Offenbarung der Gefühle sehr viel weniger schlimm, als die der Gedanken.

Also warum dachte ich jetzt so anders darüber?

Daughter of ร๓๏гเℵ  ๏รฬ๏ภє Where stories live. Discover now