Kapitel 11

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Ich sprang von meinem grünen Sessel auf und rannte kopflos einfach in die verwirrenden Gänge.

Es war nicht so, dass ich Angst vor ihm hatte, ich musste nur erstmal weiter nachdenken. Zumindest glaubte ich, dass es das war. Es musste so sein! Doch ich konnte die rohe Gewalt, die ich wenige Minuten zuvor in meinen Gedanken hatte aufleben lassen, nicht einfach so verdrängen.

Und ich hatte nur einen Ausschnitt seiner wahren Kräfter, seiner wahren Natur gesehen!

Mir war vage bewusst, dass ich immer noch mein Nachthemd mit dem Bademantel darüber trug, also wäre es das Beste, wenn ich in mein Zimmer ginge.

Eine kleine Gestalt stellte sich mir in den Weg und ich konnte gerade noch abbremsen, um eine Kollision zu vermeiden. Es war Maas. Das kleine Wesen musterte mich ernst und bedeutete mir, ihr zu folgen.

Ich blickte mich rasch um und entschied, dass ich ohnehin keine andere Wahl hatte. Sie brachte mich zurück in meine Gemächer und ging wieder ohne etwas zu sagen. Ich machte mir nicht mehr die Mühe, mich noch weiter über das Verhalten der Bewohner dieses Planeten zu wundern.

Es war alles genauso, wie ich es zurückgelassen hatte. Bis auf mein Bett, welches ordentlich gemacht worden war. Auf dem Nachttisch fand ich einen Schlüssel und lief direkt zur Tür, um abzuschließen.
Im Ankleidezimmer stand ich erstmal geschlagene zehn Minuten, die Hände in die Hüften gestemmt und überlegte ratlos, wo es zwischen den ganzen Ball- und Abendkleidern einigermaßen normale Klamotten gab. Etwas so banales, wie sich zu entscheiden, was man heute tragen wollte, erschien mir immer noch unwirklich, aber besser, als mich erneut mit den Grausamkeiten dieses Planeten zu befassen. Denn ich bekam langsam den Eindruck, dass viel mehr vor mir verborgen wurde, als ich ursprünglich dachte.

Seufzend machte ich mich an die Arbeit und fing an meinen neuen Kleiderschrank zu durchwühlen.
Auch hier bemerkte ich wieder ein System, nachdem die Sachen einsortiert waren.

Triumphierend hüpfte ich mit einem schlichten, knielangen Kleid hoch und besah schnell die Kleidergröße, die (wen überrascht es?), natürlich meine war. Ich verschwand erneut kopfüber in meinem Monstrum von Schrank und fand tatsächlich ganz hinten ein paar flache Schuhe. Es waren leider auch die Einzigen, doch das störte mich im Moment nicht weiter.

Als ich wenig später mit dem roten Kleid und zurückgebundenen Haaren aus dem Ankleidezimmer trat, schien wieder die Sonne. Lichtstrahlen brachen sich in den verglasten Wänden und ließen überall im Raum Regenbogenpunkte funkeln. Sprachlos legte ich mein Nachthemd auf das Bett und lief zu dem Fenster.

Der Sonnenplanet war so hell, dass ich nicht in den Himmel schauen konnte und ließ den Park mit seinen Blumen leuchten. In diesem Augenblick vermisste ich mein Smartphone zum ersten Mal, seit ich auf Smorix war. Es wäre eine wunderschöne Erinnerung, wenn ich wieder auf der Erde wäre. Zumindest in diesem Augenblick war es hier schön und friedlich.

Wenn, wisperte die böse, kleine Stimme. Vielleicht schmeißt er dich auch weg, wenn du nicht das tust, was er will.
Das hätte er längst tun können, schließlich hatte ich mich schon mehrmals daneben benommen. Jetzt war nur noch die Frage, was ich mit dem restlichen Tag anfangen sollte.

Wie auf Kommando ertönten Schritte im Flur und es klopfte an meiner Tür.
„Herein", rief ich gespannt, bis ich mich erinnerte, dass ich abgeschlossen hatte. Leise fluchte ich und hastete zum Nachttisch mit dem Schlüssel. „Moment", fügte ich hinzu und schloss auf.

Vor mir stand der Kronprinz mit einem ausdruckslosen Gesichtsausdruck. Bevor ich es mir verkneifen konnte, war mein Mundwerk auch schon wieder schneller als mein Gehirn. „Bist du wegen der Bestrafung hier?"

Atemlos wartete ich auf seine Antwort, doch er schüttelte sacht den Kopf. „Darf ich reinkommen?"

„Oh, ja klar", murmelte ich verlegen und trat zurück, damit er an mir vorbeigehen konnte.

Er sah sich kurz um, bevor sein Blick wieder zu mir wanderte. Forschend musterte er mich und ich wurde unruhig. Ich fühlte mich schon wieder wie ein Kind, das etwas angestellt hat. Warum hat er nur diese nervtötende Ausstrahlung?

Bevor mir noch etwas in der Art herausrutschen konnte, biss ich mir auf die Zunge.

„Wie gefällt dir das Zimmer?"

Diese Frage hatte ich nicht erwartet. Dementsprechend perplex starrte ich ihn an. „Ähm... ganz gut. Also ich meine, es ist großartig! Ich meine, du hast doch mein Zimmer gesehen, also...", ich biss mir auf die Lippe, um meinen Redeschwall zu stoppen.

Ein leises Schmunzeln umspielte seine vollen Lippen, die, wie mir jetzt auffiel, ziemlich weich aussahen. Rasch verscheuchte ich diesen Gedanken und zog eine Augenbraue hoch. „Wieso fragst du?"

Elias lachte leise und wechselte geschickt das Thema. „Die Bevölkerung denkt, du würdest im Kerker sitzen und wir würden dich eine Weile hungern lassen."

Ich nickte zögernd und ließ meine Augen wachsam über ihn gleiten, er hatte keine Waffen bei sich. Andererseits brauchte er die bei mir auch nicht...
Als ob er meine Gedanken gelesen hätte, hob er beschwichtigend die Hände. „Keine Sorge, dir wird nichts davon in Wirklichkeit passieren. Wir lassen es das Volk nur glauben, damit sie den Respekt nicht verlieren."

Einen Moment wartete ich ab, um zu sehen, ob er es Ernst meinte oder ob er log.
Dann atmete ich erleichtert aus und die Anspannung in meinen Schultern ließ schlagartig nach.

Mit einem Grinsen wackelte ich mit den Augenbrauen. „Warum bist du dann hier?"
Ich hoffte, dass es nicht daran lag, weil ich ihn und diesen anderen Mann gesehen hatte.

Und ich hatte Glück. Elias ging auf meine Unbeschwertheit ein. „Oh, ich bin zu dir gekommen, weil ich es einfach nicht länger ohne dich ausgehalten habe." Seine Körperhaltung war entspannt und seine breiten Schultern ließen den Saal komischerweiser kleiner erscheinen.

Neckisch setzte ich sofort zum Gegenschlag:„ Och, das höre ich oft."

Ein volles, dröhnendes Lachen drang vibrrierend aus Elias' Brust und mit den dunkeln Haaren, die von der Sonne angestrahlt wurden, sah es so aus, als habe er einen schwarzen Heiligenschein. Insgesamt sah er in diesem Moment aus wie ein Gott, mit seinen Flügeln, samt Augen könnte er aus der Hölle stammen, doch das Gesicht war engelsgleich.

Ich errötete, da mir bewusst wurde, dass ich ihn angestarrt hatte, als sei er ein Alien. Nun ja, genau genommen war er das ja auch.

Er grinste immer noch, aber diesmal schloss ich das darauf, weil ich komplett rot im Gesicht war. Ich streckte ihm die Zunge heraus, grinste jedoch.

„Also eigentlich bin ich hier, wegen der Besichtigungstour", meinte Elias wieder einigermaßen ernsthaft.

„Ach ja? Und wo sind deine Wandershots?", erwidere ich frech. Ich konnte es einfach nicht lassen, ihn zum Lachen zu bringen. Nicht jetzt, wo ich dieses wunderbare Geräusch einmal gehört hatte. Irgendwie war ich sofort süchtig danach geworden.

Kopfschüttelnd schritt er auf mich zu, wobei, eigentlich eher auf die Tür. Ich stellte verwundet fest, dass mich diese Tatsache enttäuschte.

„Ich mag meine jetzige Kleidung, danke", spöttelte Elias zurück.

Blinzelnd versuchte ich wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

„Vergiss deinen Strohhut nicht", rief Elias mir über die Schulter zu und verschwand im Flur.

Verwundert stellte ich fest, wie unbeschwert wir miteinander umgehen konnten, wenn wir uns Mühe gaben und dass ich sofort all die Gefahr, die er für mein menschliches Dasein bedeutete, verdrängte.

Daughter of ร๓๏гเℵ  ๏รฬ๏ภє Where stories live. Discover now