Kapitel 35

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Angenehme dunkle Kühle löste die Hitze ab und ließ mich augenblicklich tiefer in den Schlaf sinken.
Meine Augen zuckten unruhig unter den Lidern, doch die Müdigkeit entließ mich nicht aus ihren Klauen.

Lautes Kreischen und aufgebrachte Schritte hallten über den riesigen Schlossplatz. Mehrere Fireflyer hatten sich vor den Toren eines gigantischen Schlosses versammelt und beobachteten neugierig das Geschehen.
Eine junge Frau saß zusammengesunken zwischen zwei bewaffneten Wächtern und schluchzte hemmungslos. Der Grund war offensichtlich ein Mann, der ebenfalls von Wachen festgehalten wurde. Als er sich losreißen wollte, um auf sie zuzustürmen, rissen sie ihn brutal zurück, sodass er auf die Knie fiel. Wütend brüllte er auf und rang eine Weile mit den Wächtern. Doch er hatte keine Chance, sie überwältigten ihn mühelos.
Die Frau hob den Kopf und ihre Blicke trafen sich. Verzweiflung stand in ihren Augen. Das Gesicht des Mannes verzog sich schmerzvoll und er startete erneut einen Versuch, sich zu befreien.
Diesmal waren die Wachen nicht zimperlich und schlugen auf ihn ein bis er keuchend und blutend liegen blieb. Die ganze Zeit über schrie die Frau und wand sich unter dem Griff ihrer Wachen. Tränen strömten über ihr bleiches Gesicht und ließen ihre Augen unendlich groß erscheinen. Doch sie gab keinen Ton mehr von sich. Mit zusammengepressten Lippen starrte sie aufgebracht zu den Fenstern des Schlosses empor. Kalte Mordlust stand ihr in den Augen und sie würdigte dem am Boden liegendem Fireflyer keines Blickes mehr.

Mit einem Ruck setzte ich mich auf, noch bevor ich die Augen geöffnet hatte. Was war das für ein komischer Traum gewesen? Stöhnend rieb ich mir über meine heißen Wangen und sah mich langsam um.

Ich befand mich in einem höhlenartigen Raum. Zumindest bestanden die Wände aus kühlem Felsgestein und die Luft roch leicht modrig. Obwohl es keineswegs warm hier drin war, lief mir Schweiß über die Schläfen und tropfte zu Boden. Auf meiner Oberlippe befanden sich ebenfalls kleine Schweißperlen, die ich erschöpft beiseite wischte.

Meine Augen hatten sich endlich an das trübe Licht gewöhnt, das von einem Glas auszugehen schien und alles bläulich strahlen ließ. Das weiche Etwas auf dem ich geschlafen hatte, kam wohl einem Bett am nächsten, jedoch ohne Gestell oder Matratze. Stattdessen war einfach ein Tuch, was früher vermutlich mal weiß gewesen war über das weiche Etwas geworfen, von dem ich lieber nicht wissen wollte, was es war.

Ein schmaler Felsvorsprung diente als Ablage für eine Kerze und für ein Bild. Neugierig erhob ich mich, wobei der Raum leicht zu schwanken begann. Hastig stützte ich mich an dem kühlen Felsen ab und näherte mich dem Foto.

Darauf befanden sich zwei Menschen, oder Fireflyer. Der Mann sah verdächtig nach dem Mann der mich gerettet hatte aus. Er hatte silbriges Haar, das sich leicht lockte und ein ebenmäßiges Gesicht, was einer schlichten, anmutigen Schönheit entsprach. Offensichtlich war er ein Fireflyer, auch wenn ich keine äußerlichen Beweise dafür bemerkte, lediglich ein Gefühl wies mich daraufhin.

Die Frau neben ihm hielt seine Hand und strahlte glücklich dem Betrachter entgegen. Sie schmiegte sich zufrieden in die Arme des Mannes und war sich ihrer selbst deutlich bewusst. Ein Schauer rann mir über den Rücken.

Ich kannte diesen Ausdruck nur zu gut. Meine Mutter trug ihn oft, wenn sie ein Geheimnis von meinem kleinen Bruder Smith oder mir gelüftet hatte.

Mein Herz pochte unruhig in meiner Brust und ich schüttelte den Kopf, wandte mich von der Aufnahme ab, nur um wenige Sekunden später wieder hinzustarren.

Keuchend fluchte ich unterdrückt auf und rieb mir den Schweiß von der Stirn. Es war unerträglich heiß in dieser verfluchten Höhle und mein Kopf schien zu platzen.

Wo war überhaupt mein Retter hin verschwunden?

Nach Atem ringend taumelte ich durch das seltsame Zimmer und wäre beinah durch den Vorhang aus Muscheln gestolpert, als ich nach der Türklinke suchte.

Die Hitze der Sonne traf mich mit einem Schlag und ließ mir ein Wimmern entweichen. Verzweifelt stütze ich die Hände auf meine Oberschenkel und war immer noch geblendet von der Helligkeit.

Erst nach ein paar Augenblicke lichtete sich meine Sicht wieder und ich konnte unter dem gleißenden Licht einen steinigen Strand ausmachen. Ich stand am Eingang der Höhle und vor mir erstreckte sich eine scheinbar endlose Steinwüste.

Als ich den Kopf dem Wind entgegendrehte, roch ich salzige Luft und öffnete suchend meine verquollenen Augen. Aus weiter Ferne schienen Wellen auf die Steine aufzutreffen und ich meinte das leise Rauschen des Meeres zu hören.

Wie war ich hierher gekommen?

Als ich mich zu erinnern versuchte, tauchte nur das Gesicht des fremden Mannes im Wasser über mir auf. Ich befand mich auf dem Grund eines Sees, doch wie ich dorthin gekommen war, war unergründlich.

Meine Kehle brannte und lenkte mich von der quälenden Frage ab.
Ich brauchte Wasser! Jetzt.

Zurück in der Höhle stellte ich alles auf den Kopf, fand jedoch nichts essbares, geschweige denn etwas zu Trinken.

Kraftlos schleppte ich mich erneut nach draußen und drehte mich sehnsüchtig in Richtung Meer. Das Rauschen der Wellen hatte einen hypnotischen Klang auf mich und versprach meinen schrecklichen Durst zu löschen.

Also gehorchte ich ihm und begab mich auf den unendlich langen Weg zum Wasser.

Ich spürte kaum, wie mich die sengenden Straheln der Sonne verbrannten und meine Haut in einem leuchtenden Rot erstrahlen ließ. Mit seitlich ausgestreckten Armen balancierte ich auf den bösen, wackligen Steinen, die es darauf abgesehen hatten mich zu Fall zu bringen.

Mein Mund klappte auf und ich röchelte lautstark nach Luft, die plötzlich zu knapp kam. Meine Zunge fühlte sich geschwollen an und erschwerte es mir zusätzlich zu atmen. Stöhnend erhöhte ich mein Höllenlauf und behielt mein Ziel vor Augen.

Nicht mehr weit, ermutigte ich mich in Gedanken und wurde noch schneller.

Gleich.

Da.

Die Welt fiel auf einmal nach unten und ich schlug hart auf den felsigen Grund auf. Ich hatte keine Kraft mehr mich aufzustemmen, keine Kraft mehr zu atmen.

Ein Welle überrollte mich. Eiskaltes Wasser drang in meine Nase, Mund und Ohren. Blinzelnd öffnete ich die Augen.

Ich hatte es geschafft!

Gierig robbte ich mich auf allen Vieren auf das erlösende Meer zu. Hastig öffnete ich den Mund bei der nächsten Welle, die an Land rollte und ließ das salzige, kühle Wasser in meine Kehle strömen.

Schon bald brannten meine Augen, aber viel schlimmer war das Brennen in meinem Hals. Statt das das Wasser meinen Durst löscht, verschlimmerte das Salz alles nur noch mehr. Weinend öffnete ich den Mund erneut verzweifelt und schluckte eine weitere Ladung salzigen Wassers.

Ein Brechreiz zwang mich beinah das Wasser wieder auszuspucken, doch ich biss eisern die Zähne zusammen und kämpfte dagegen an.

Und wartete auf die nächste Welle.

Daughter of ร๓๏гเℵ  ๏รฬ๏ภє Where stories live. Discover now