Kapitel 23

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Mein Licht, so hatte sie mich das letzte Mal im Kindergarten genannt. Ich fuhr mir durch die Haare und richtete mich auf. Durch mein schwungvolles Aufstehen, kam mein Kreislauf nicht hinterher und der ganze Raum schwankte gefährlich.
Als sich meine Sicht wieder geordnet hatte, hätte ich beinahe einen Schrei ausgestoßen.

Elias stand mit verschränkten Armen an der Wand gelehnt, direkt gegenüber von meinem Bett. Er zog spöttisch eine Augenbraue hoch und sein Blick fuhr unwillkürlich an meinem Körper hinunter. Ich trug noch das Kleid von gestern, oder von dem Tag davor?
Draußen war es bereits wieder hell und vereinzelt flogen seltsam aussehende Vögel kreischend über das Meer. Ich war froh, dass ich das Kleid nicht ausgezogen hatte, sonst wäre die Situation noch unangenehmer.

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und fragte ungehalten: „Was willst du?"

Seine Augen verdunkelten sich und er stieß sich kraftvoll von der Wand ab. Seine Flügel hatte er flach an seinen Rücken gepresst. Obwohl er doch nicht ganz so stark wie sonst erschien, denn er stüzte sich mit einer behandschuhten Hand auf einen vergoldeten Gehstock. „Das hätte ich dich gestern auch fragen können", knurrte er, und seine Laune schien sich noch weiter zu verschlechtern, soweit das überhaupt möglich war.

Mir schoss das Blut in die Wangen und ich stotterte mehrmals unverständliches Zeug, bevor ein zusammenhängender Satz aus mir hervorbrach. „Aber ich wollte dich doch gar nicht küssen!"

Er starrte mich einen Augenblick mit gerunzelter Stirn an, bevor er seine freie Hand nahm und sich oberhalb in die Nase kniff. Bevor er mir antwortete seufzte er einmal auf, so als würde das gesamte Gewicht der Welt auf ihm lasten. Oder besser gesagt, von Smorix Oswone. Und da ich mir sicher war, dass dieser Planet um vielfaches größer war, als unsere winzige Erde, wollte ich ganz bestimmt nicht mit ihm tauschen.

„Darauf wollte ich eigentlich nicht hinaus", sagte er mit schwerer Stimme, „aber wenn du schon mal damit anfängst, lass uns diese ganze Sache doch einfach vergessen."

Ich neigte den Kopf, zum Zeichen meines Einverständnisses. Dabei schien sich mein Herz gar nicht mehr so sicher zu sein, was es von Elias halten sollte und klopfte ein paar Mal unkontrolliert.

Seine Fingerspitzen berührten leicht seine Schläfen, als hätte er Kopfschmerzen, doch er gab keinen Mucks von sich. Natürlich.

„Warum ich zu dir gekommen bin, ist Folgendes: erstens ist es verdammt unhöflich Gespräche zu belauschen und dann auch noch die falschen Schlüsse zu ziehen."

Er hob die Hand, wie um mich davon abzuhalten ihn zu unterbrechen. Inzwischen kannte er mich leider gut genug.

„Und zweitens", fuhr er energisch fort, „wäre schließlich die Antwort auf deine Frage, warum die männlichen Fireflyer der bürgerlichen Bevölkerung auf die Erde müssen. Bist du dir sicher, dass du es sofort wissen willst?"

Ich beobachtete seinen gequälten Gesichtsausdruck genau und überlegte, mir mit der Antwort etwas Zeit zu lassen. „Welche falschen Schlüsse soll ich denn bitte gezogen haben?"

Elias hielt meinen Blick gefangen und lächelte mit schmalen Lippen. Es war kein schönes Lächeln und es erreichte seine kalten Onyxaugen nicht.
Mit leicht schräg geneigtem Kopf erwiderte er emotionslos: „Na, du hast doch bestimmt gedacht, dass ich dich weiter im Dunkeln tappen lasse, obwohl ich nun die Antworten herausgefunden habe. Dabei habe ich dir bereits mehrfach versichtert, immer ehrlich und offen zu dir zu sein. Aber offensichtlich vertraust du mir kein bisschen. Stattdessen siehst du ein unmenschliches Monster mit Flügeln vor dir und denkst nicht einen Moment daran, deine Vorurteile gegen mich zu vergessen."

Ich blinzelte überrascht und wandte mich innerlich. Elias hatte den Nagel genau auf den Kopf getroffen und starrte mich nun herausfordernd an. Beschämt wich ich seinem bohrenden Augen aus und blickte zu Boden.
Die anfängliche verlegene Spannung war zu einer unterschwelligen Streit Atmosphäre geworden und diesesmal würde ich ganz sicher untergehen.

Doch statt mich anzugreifen fügte er in etwas milderem Ton hinzu: „Solltest du später noch eine Antwort auf deine Frage haben wollen, findest du mich draußen auf der Terrasse."

Erst als seine Schritte verklungen waren, traute ich mich wieder hochzuschauen. Ich hatte mich schon lange nicht mehr so erbärmlich gefühlt und hätte mich am liebsten in die Arme meiner Mutter vergraben.

Da kamen mir wieder die Erinnerungen an meinen seltsamen Traum in den Sinn. Es hatte sich wirklich merkwürdig real angefühlt, aber da ich selbst im Moment nicht wirklich wusste, ob ich nun träumte oder nicht, konnte ich mir mein Urteilsvermögen wohl abschminken.

Nachdem ich im Badezimmer kurze Shorts und ein frisches T-Shirt gefunden hatte, lief ich mit knurrendem Magen durch den Flur in das Wohnzimmer. Dort hatten Elias und ich uns ebenfalls angeschrien. Schnell sah ich weg, und prompt blieb mein Blick an der Terrassentür hängen. Die Sonne stand hoch am Himmel, weswegen Elias wohl den großen Sonnenschirm aufgespannt hatte und am Whirlpool saß, in der prallen Sonne.

Auf meinen Armen breitete sich eine Gänsehaut, wie Buschfeuer aus, und scheuchte dabei einen ganzen Schwarm Armeisen in meinem Bauch aus. Genervt wandte ich mich ab und fasste meine Haare zusammen, bevor ich nach mehreren Hin und Her überlegen, schließlich Eier und Bacon anbriet.

Währenddessen versuchte ich mich daran zu erinnern, wann ich das letzte Mal etwas gegessen hatte. Als es mir wieder einfiel, war ich ernsthaft geschockt. Maas hatte mir am ersten Morgen im Stadtschloss eine warme Mahlzeit zubereitet, und dann hatte ich mit Elias zusammen im Kimo eine Kleinigkeit gegessen.
Dabei aß ich sonst immer regelmäßig, da mein Magen mich natürlich auch daran erinnerte. Dieser Planet hier brachte aber auch wirklich meinen gesamten Rhythmus durcheinander!

Mit meinem Teller und einer Wasserflasche in den Händen, marschierte ich auf die Terrasse und setzte mich an den Tisch unter dem Sonnenschirm.
Gierig verschlang ich meine große Portion im Nu und verschluckte mich fast an dem kalten Wasser, als Elias sich zu mir setzte.

„Hi", murmelte ich leise zur Begrüßung und gab mich beschäftigt, indem ich an dem Verschluss der Flasche herumspielte.

„Hey", erwiderte er ebenso leise und irgendwas in seiner Stimme ließ mich aufblicken.

Ich sah in aus leicht zusammengekniffenen Augen an, da er genau in der Sonne saß.
Eine Weile schwiegen wir, oder eher ich, er wartete darauf, dass ich den nächsten Schritt tat.

„Also", murmelte ich unsicher, „ich habe nachgedacht."

Unter meine Wimpern beobachtete ich ihn unauffällig und war erleichtert, als eine Spur von Humor in seinen Augen aufblitzte. „Nun, das ist immer gut. Und was ist dabei herausgekommen?"

Er legte seine Unterarme locker auf den Tisch und faltete seine Hände. Seine ledernen Handschuhe hatte er neben seinen Gehstock auf die Bank gelegt. Da er mir gegenüber saß, berührten seine Knie leicht meine.

„Meine Lieblingsfarbe ist Violett. Mein Lieblingssong ist im Moment »Paper Gangsta« von Lady Gaga und ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn jemand spöttisch, respektlos oder mir gegenüber arrogant ist", erzählte ich, mein Blick war dabei auf das dunkel Holz des Tisches gerichtet. Kurz sah ich hoch in seine Augen und verknotete meine Hände nervös. Es war mir schon immer unangenehm gewesen über mich selbst zu sprechen und da war es keinen Deut besser, einem so unberechenbaren Wesen Dinge über mich zu verraten.

Doch ich zwang meine innere Stimme die Klappe zu halten und wedelte auffordernd mit meinen Händen in Elias' Richtung. Er schien zu verstehen, was ich von ihm wollte und ließ ein kurzes strahlendes Grinsen über seine Züge huschen.

„Nun, was solltest du über mich wissen?", fragte er gespielt nachdenklich und tippte sich mit dem Finger ans Kinn. „Also ich habe keine Lieblingsfarbe, aber hätte ich eine, wäre es blau. Genau dieses blau, welches deine Augen haben. Wir hören hier auf Smorix nur klassische Musik, weil das die Einzige ist die auf Bällen gespielt wird. Und ich mag keine heimtückischen und verräterischen Leute."

Nun, das war doch schon mal ein Anfang, nicht wahr? Schließlich baute sich Vertrauen erst mit Wissen und gegenseitigem Verständnis auf.

Daughter of ร๓๏гเℵ  ๏รฬ๏ภє Where stories live. Discover now