Kapitel 39

57 8 0
                                    

Der Stadtname sollte in Vergessenheit geraten, weil er sonst immer an unsere Vergangenheit erinnern würde.

Meiner Meinung wäre es positiv, den Namen unserer einzigen Stadt zu wissen, egal wie schlecht und grausam die Vergangenheit war, man lernte immer aus Fehlern und es wäre zugleich einer Ermahnung.

Aber ich wurde nur bis zu einem bestimmten Punkt in der Geschichte meines Planeten unterrichtet. Jedoch prügelten sie die wissenschaftlichen Aspekte förmlich in mich hinein, genauso wie meine Selbstverteidigung. Aber dort wusste ich wenigstens, wozu ich diese benötigte. Bitterkeit drohte in mir aufzusteigen, aber ich biss die Zähne zusammen und beschäftigte mich weiter damit die Stadt zu mustern.

Sie hatte eine kalte, zeitlose Schönheit an sich und schien für die Ewigkeit erbaut worden zu sein. Genauso wie die Farben sich nicht groß voneinander unterschieden; von weiß bis zu den unterschiedlichsten Grautönen war alles vertreten.

Mich interessierte allerdings nicht die Architektur, sondern brennend warum ich bewusst von einem bestimmten Bereich des Wissens ferngehalten wurde. Es grenzte allein schon an ein Wunder, dass ich auf den Namen der Stadt gestoßen war. Sphere al Smorix.

Ich war eines Tages in der Bibliothek des Schlosses über ein Buch über die Stadt gestoßen und erfuhr, dass der Glasboden tatsächlich schon existierte, als die ersten Fireflyer hierher kamen und dies keine absurde Lüge war. Als ich meine damaligen Hauslehrer nach dem Hintergrund der Stadt in der Geschichte fragte, wich dieser mir bewusst aus und am nächsten Tag waren alle Bücher, die die Stadt auch nur im Entferntesten anreißen könnten, verschwunden. Seitdem war ich vorsichtig geworden, mitdem was ich fragte und kurz darauf hörte mein eher einseitiger Unterricht in Geschichte auf.

Ein dunkelhäutiger, breitschultriger Mann kam auf mich zu. Breit lächelnd streckte er mir die Hand entgegen und ich erwiderte den Händedruck. Es war der Volksvertreter.

Ich zwang mich zu einem schmallippigen Lächeln und fragte mich wo Xavina blieb.

Kaum war mir der Gedanke durch den Kopf geschossen, bemerkte ich einen schwarzen Schatten zwischen all den Lichtern am Nachthimmel. Er bewegte sich rasch vorwärts und trug eine schmale Silhouette auf seinem Rücken.

Sie verloren rasch an Höhe und die Menge wurde ebenfalls auf sie aufmerksam. Neugierig beobachtete ich, wie mein Volk auf den Menschen reagierte und war seltsamerweise erfreut, als die Reaktionen positiv ausfielen.

Mit einem lauten Krachen, worauf ein kaum hörbares Knirschen folgte landete der Drachen auf dem Glas und mein Blick richtete sich auf die Person auf dem Drachen.

Bestürzung zeichnete sich auf ihrem blassen, schmalem Gesicht ab, während sie das Glas rings um sich besorgt musterte.

Meine Mundwinkel hoben sich sachte wie von selbst und meine Füße bewegten sich ohne mein Zutun auf sie zu.

Ich blieb stehen, als Xavinas Augen sich schlagartig auf mich richteten und wäre beinah unter ihrem durchdringenden Blick zusammengezuckt. Sie bewegte sich mit einer unbestimmten Eleganz, die nicht zu lernen war, als sie von dem schwarzen Drachen rutschte. Selbst nach diesem rasanten Flug sah sie immer noch atemberaubend in dem Kleid aus.

Meine Hand zuckte und ein bedrohliches Knacken vor meinen Füßen ließ mich innehalten. Ein Riss hatte sich von dem Drachen und Xavina auf mich zugewandt.

Ein leises Einatmen ließ mich ruckartig aufsehen. Keine Sekunde zu früh, denn was nun geschah lief wie in Zeitlupe vor meinen Augen ab. Xavina versuchte der Zunge ihres Drachen zu entgehen, da dieser versuchte ihr einen feuchten Kuss aufzudrücken. Dabei verlor sie das Gleichgewicht, da sie am Abgrund zu dem Wasserfall standen.

Entsetzt hechtete ich auf sie zu und prallte gegen etwas hartes. Der verfluchte Drache hatte offenbar das gleiche im Sinn gehabt und nun hatten wir uns gegenseitig außer Gefecht gesetzt. Nach Luft ringend blieb ich wenige Sekunden am Boden liegen - und hörte das Glas bedrohlich Knacken.

Das Gewicht des Drachen verschwand und mit einem Ruck, sackte der Boden in sich zusammen.

In Panik stürmte die Menge auseinader und jeder versuchte sich zu retten. Dabei wurde geschubst und getreten, um ja als erstes in Sicherheit zu kommen.

Das letzte was ich sah, bevor ich mitsamt dem Glas im See unter der Stadt versank, waren die Beine meines verzweifelten Volks und ein paar helfende Hände die am Rande meines Blickfeldes nach mir zugreifen versuchten.

Doch es war zu spät, meine Kleider sogen sich augenblicklich mit dem kalten Wasser und zogen mich in die Tiefe. Meine ledernen Schwingen nutzten mir nicht viel, sie waren eher im Weg in meinem Kampf an die Wasseroberfläche zu gelangen.

Statt den Fehler zu machen dem Drängen meiner Lunge nach Luft nachzugeben, strampelte ich umso heftiger.

Hände griffen nach meinen Schultern und zogen mich schließlich unter den Armen in die Höhe.

Es war Druce. Einer der Anwärter für einen möglichen neuen Adelsposten. Wir hatten uns schon immer gut verstanden, obwohl er wenige Jahre älter als ich war, hatten wir zusammen trainiert.

Er zog mich ächzend zu sich auf seinen Drachen, wo ich sofort instinktiv hustend nach Luft schnappte und gleichzeitig meine Flügel von dem Wasser befreite.

Entsetzt musterte ich die Stadt unter mir, oder das, was davon übrig geblieben war.

Der Glasboden waren bis zu den Treppen des Brunnens in der Mitte der Stadt weggebrochen. Doch wir konnten von Glück reden, dass die Häuser nicht mit eingestürzt waren, sondern nach wie vor standen. Selbst das Podest schien neben dem Wasserfall noch immer in der Luft zu schweben.

Ein kleiner Fluss hatte sich quer durch die Stadt gerissen und dort wo das Glas nicht weggebrochen war, standen die Fireflyer und starrten ehrfurchtsvoll nach oben. Zu mir.

Ich stieß ein raues Lachen aus, obwohl mir eher zum Heulen zu mute war. Xavina war nicht unter ihnen, genauso wie von dem Drachen jegliche Spur fehlte.

„Unzerstörbare Stadt, wie?", keuchte ich höhnisch und lachte wie verrückt auf. „Da erzählen sie uns immer, dieser dämliche Glasboden hätte schon Generationen überstanden und dann setzt sich einmal ein Drache darauf ab und schon kracht er ein!"

„Hoch lebe Elias Oswone!", antwortete mir das Volk lediglich.

Druces Schultern bebten leicht und er neigte den Kopf. „Was nun, Hoheit?"

„Sucht Xavina. Ich muss mich um diese unzerstörbare Stadt und dessen Bewohner kümmern. So geht das nicht weiter...", murmelte ich zerstreut, „wenn ihr etwas gefunden habt kommt sofort, egal zu welcher Zeit. Selbst wenn ihr nichts findet."

Daughter of ร๓๏гเℵ  ๏รฬ๏ภє Where stories live. Discover now