Kapitel 40

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POV.: Xavina

Genießerisch streckte ich meine Muskeln und dehnte mich.

Früher im Sporttunterricht hatte ich das Aufwärmen immer als unnötige Zeitverschwendung angesehen und es dementsprechend weggelassen. Als ich es dann doch einmal machte, holte ich mir prompt einen Krampf.

Seitdem hörte ich auf meinen Körper und ging trotzdem regelmäßig joggen.

Jedoch bemerkte ich mein Training kaum, seit ich auf diesem Planeten war. Und mit jemandem rannte. Ihm.

Wer? An wen erinnerte ich mich?
Schwarze, seidige Haare. Onyxfarbene Augen. Weiße Haut. Scharfe Gesichtszüge. Der Körper eines Kriegers. Elias.

Ja! So hieß er. Wir waren zusammen auf Smorix Oswone gelangt, seinen Planeten. Er war der Sohn des jetzigen Herrschers. Ich hatte über ihn gelesen, als ich in dem Schloss der gläsernen Stadt war, sein Name war Vadmin.

Die Gründe für die Sprünge seines Volkes auf die Erde schossen mir wie Kanonenkugeln entgegen und ließen erneut Entsetzen in mir aufsteigen.
Sie wollten die Erde angreifen, nachdem sie eine offensichtliche Schwäche gefunden hätten.

Und leider fiel mir auch wieder die Begegnung mit Juna ein. Diese falsche Schlange, die früher zusammen mit Elias trainiert hatte, löste Unbehagen in mir aus. Unerklärliche Eifersucht machte sich in mir breit, aber ich versuchte sie genervt zu unterdrücken.

Wo war eigentlich der Drache -Moon!- mit diesem Mann, der mich gerettet hatte, hin verschwunden?

Der Wasserdrache war ebenfalls weg und ich stand mutterseelenallein an diesem seltsamen Ufer, von dem ich dachte es wäre der Strand zum Meer. Aber in Wahrheit war ich mir nun nicht mehr so sicher.

Vielleicht war es auch der See, in den ich von dem Wasserfall aus gefallen war. Jedoch war die Sicht beschränkt, denn nur wenige Meter auf dem Wasser waren dichte Nebelschwaden aufgezogen und versperrten sämtliche Aussicht auf irgendwas.

Anstatt Wasserrauschen lag lediglich eine bleierne Stille in der Luft und ließ die Härchen auf meinen Armen sich aufrichten. Unbehaglich rieb ich mir darüber und versuchte ein Schaudern zu vermeiden.

Schlagartig hatte sich etwas in der Umgebung verändert, obwohl sich die Steine und Kiesel samt dem Wasser (außer den regelmäßigen Wellen natürlich), wohl kaum bewegt haben konnten, drehte ich mich zu allen Seiten und suchte nach dem Grund für mein plötzliches Unwohlsein. Es gab nichts, was hätte unheimlich sein können. Noch nicht einmal Sträucher, Büsche oder Bäume, dessen Blätter sich im aufkommenden Wind bewegt haben könnten, waren zu sehen.

Und warum lastete die Stille so laut auf meinen Ohren? Welches Geräusch war zuvor dagewesen, ohne das ich es bemerkt hatte?

Unsichtbare Augen verfolgten jede meiner Bewegungen. Meine Nerven waren inzwischen zum Zerreißen gespannt und bei dem kleinsten Geräusch, wäre ich losgesprintet. Doch so weit kam es nicht, denn ein riesiger Schatten verdunkelte das Licht auf dem steinigen Grund.

Graue Wolken verdeckten den Himmel, samt der Sonne, doch das Licht schien eine andere Quelle zu haben, die nun von etwas unterbrochen wurde.

Angespannt kniff ich die Augen zusammen und legte den Kopf in den Nacken.

Der Schatten wurde dunkler, wenn das überhaupt möglich war und kam weiter auf mich zu.

Die Anspannung wich Panik, in meinem Bauch rumorte es und ich blickte mich angsterfüllt nach einem Versteck um.
Obwohl ich mir meine Angst nicht erklären konnte, folgte ich meinen Instinkten blind und rannte auf einen mageren, verdorrten Strauch zu.

Ohne auf die spitzen Steine und die Dornen zu achten, die aus den trockenen Ästen des blattlosen Busches ragten ließ ich mich achtlos auf die Knie fallen und kroch mit den Ellbogen vorwärts. Mitten in das dornige Gestrüpp rein.

Bodenlose, schwarze Augen verfolgten mich. Ohne jegliches Gefühl, nicht die leiseste Regung eines Gedankens auf seinem Gesicht, während er seine Antwort sorgfältig abwog. Anscheinend nicht zufrieden gab er sich schließlich mit einem knappen Nicken zufrieden und wandte sich eilig ab.
Kalter, nasser Sand bohrte sich zwischen meine Zehen und Wasser umspülte meine Knöchel.

Ich zuckte heftig zusammen, sodass sich Dornen in meine Wangen und Arme gruben. Blutige Kratzer zogen sich wie offengelegte Adern über meine Haut. Helle Flüssigkeit tropfte warm auf den staubigen Boden.

Meine Muskeln verkrampften sich und ich sah mich wachsam um. Niemand da, der mich bemerkt haben könnte. Leise fluchend strich ich mir eine Haarsträhne aus den Augen und schrie zu Tode erschrocken auf als sich eine Hand auf meine Schulter legte.

Ohne nachzudenken trat ich mit den Füßen um mich und robbte so schnell ich konnte durch den dornigen Strauch auf die andere Seite. Von dort sprang ich auf und fuhr zu allem bereit, herum.

Mit herabhängenden Armen stand mein Retter neben Moon und musterte mich besorgt. Blut tropfte an seiner Hand herab und er wirkte durch die zerzausten weißblonden Haare und das zerknitterte Gesicht alt und müde.

Meine Stimme klang rau wie Reibeisen als ich zur Begrüßung fauchte: „Wo wart ihr verdammt? Ich habe euch gesucht und nichts als dieses Stück verlassene Natur gefunden! Du hast mich unglaublich erschreckt, du Irrer, dessen Name ich noch nicht einmal kenne!"

Ich hatte mich so in Rage geredet, dass ich wild mit den Händen in der Luft herum fuchtelte und sie schließlich zu Fäusten geballt in meine Hüften stemmte. Herausfordernd starrte ich den Fremden an und verlangte mit drängenden Augen nach einer Erklärung. Nach einem Moment des Schweigens kam mir in den Sinn, dass es vermutlich keine gute Idee gewesen war, einen Menschen anzuschreinen, den ich erst seit ein paar Stunden kennengelernt hatte.

Obwohl, waren die auf diesem Planeten nicht etwas Besseres als Menschen, fiel mir mit schalem Geschmack auf der Zunge ein und meine Mundwinkel verzogen sich leicht verächtlich. Woher diese Verbitterung kam, war mir ein Rätsel. Schließlich war ich früher nicht so vorurteillastig. Auf der Erde, korrigierte ich mich, so lange war es auch nicht her.

Der Fremde machte immer noch keine Anstalten mir irgendetwas zu erzählen und hatte sich inzwischen seelenruhig Moon zugewandt.

Wut durchzuckte mich wie ein Blitz, doch ich beherrschte mich und umrundete vorsichtig das trockene Gebüsch, um zu den beiden Gestalten zugelangen.

Moon schnaubte zufrieden und ließ sich bereitwillig von ihm streicheln, was meinen Ärger nur weiter anstachelte. Verräter.

Moon zuckte wie geschlagen zurück und wandte mir seinen Kopf mit den riesigen, gefühlvollen Augen zu.

Schmerz traf mich mitten in der Brust und durchbohrte mein Herz wie ein Dolch. Ich spürte seine Gefühle, - und meine eigenen. Mein Zorn verrauchte augenblicklich, doch auf mich selbst wuchs er nur. Wie konnte ich so unsensibel sein und nicht auf die Verbindung zwischen Moon und mir achten, dass ich dermaßen eifersüchtig wurde und es ihn spüren ließ. Doch ich hatte nicht nur meinen Unmut darüber, dass er den Fremden zu mögen schien, durchsickern lassen, sondern auch puren Hass.

Mit ausdrucksloser Miene wandte sich mein Retter zu mir und türmte praktisch über mir auf, während ich von Schuldgefühlen geplagt, immer mehr in mich zusammenfiel.

Moon würdigte mich keines Blickes mehr, auch als ich ihm eine Entschuldigung sandte, blieb er in einigem Abstand zu uns und auf einmal unerreichbar für mich.

Plötzlich wurden mir die Werte der Wesen hier auf Smorix Oswone bewusst, die auf gegenseitigem Respekt und Anerkennung beruhten, - zumindest unter den meisten- und ich hatte sie mit den Füßen getreten. Wort wörtlich.

Daughter of ร๓๏гเℵ  ๏รฬ๏ภє Where stories live. Discover now