Kapitel 41

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„Ich hoffe du bist jetzt zufrieden und hörst auf dich gegen etwas das nicht da ist, wehren zu wollen."

Schuld zeichnete sich deutlich auf meinem Gesicht ab und meine Schultern sackten herab, während ich den Blick senkte.

Ohne mir Mut zuzusprechen, lief er los, ich hörte lediglich seine knirschenden Schritte auf dem steinigen Untergrund. Zögerlich tapste ich ihm in einiger Entfernung nach und kaute an meiner Unterlippe.

Bald kamen wir an seinem höhlenartigen Zuhause an und wieder ließ er die üblichen Höflichkeitsfloskeln der Erde links liegen, indem er wortlos in ihr verschwand.

Moon und ich blieben planlos davor stehen und ich zappelte unruhig mit den Beinen.

„Mädchen, komm, wenn du nicht die ganze Nacht draußen verbringen möchtest!", ertönte dann seine harsche Stimme aus dem Inneren der Höhle.

Obwohl ich wusste, dass er mich nicht sehen konnte, verschränkte ich demonstrativ die Arme vor der Brust und antwortete: „Ich dachte, du wärst sauer auf mich, Fremder."

Ein lautes, widersprechendes Schnauben ertönte neben meiner Schulter und ich machte einen Satz zur Seite.

„Vielleicht denkst du mal um zwei Ecken, Mensch", meinte mein Retter auf einmal an der felsigen Wand zum Eingang der Höhle lehnend. Provozierend hob er eine Augenbraue und deutete genervt auf den unzufriedenen Drachen neben mir, als ich ihn irritiert anstarrte.

Ebenfalls genervt von der ganzen Situation in der ich mich befand, warf ich die Hände in die Luft und maschierte auf den schwarzen Drachen zu. Meine Entschlossenheit schien mit jedem weiteren Schritt zu bröckeln, sodass ich schließlich kurz vor ihm zum Stehen kam.

Ohne ihm in die frustrierend ehrlichen Augen zu schauen, murmelte ich eine leise Entschuldigung Richtung Boden.

Sekunden zogen sich endlos hin und ich hob scheu, beinahe ängstlich den Blick. Seine ruhigen Augen musterten mich, wogen ab, bewerteten.

Mach das nie wieder, Xav, von der Erde.

Erleichterung durchflutete mich wie helles Sonnenlicht und unwillkürlich lächelte ich breit zu dem uralten, gefährlichen Geschöpf hoch.

Immer noch einen Riss im Vertrauen zu mir, senkte er langsam den riesigen Kopf und legte ihn auf meine Schulter. Trost suchend umschlang ich ihn und vergrub meinen Kopf an seinen kühlen Schuppen.

Es würde dauern, bis unser Verhältnis wieder so unbeschwert wie zuvor war, aber ich hatte vor es mit jedem Tag meines restlichen Lebens wieder gut zu machen. Überschwänglich schob ich die flüchtig auflackernde Angst fort von mir und merkte erst, dass ich weinte, als Moon mir sanft die Tränen von den Wangen küsste.

Glaubt mir ich weiß wie verrückt das klang, aber anders konnte ich es nicht nennen! Es war kein schlabberndes Abschlecken, dass man normalerweise von einem Tier erwarten würde. Stattdessen schien es so, als würde er mir gleichzeitig etwas schenken.

Und im nächsten Moment wusste ich auch was: meine Erinnerungen.

Freude darüber das ich Elias geküsst hatte, mit der darauffolgenden Unsicherheit. Die Wut über die Dreistugkeit Junas am Mitternachtsbankett. Die bittere Enttäuschung als Elias nicht zu mir hielt und mich auf dieser riesigen Terrasse alleine ließ.
Das pure Entsetzten auf seinem Gesicht gespiegelt, oder reflektiert von meinem eigenen, als ich in den Abgrund stürzte. Besser gesagt den gigantischen Wasserdrachenfall hinunter fiel, weil ich Moon spielerisch ausgewichen war.

All das durchlebte ich erneut, mit genau denselben intensiven Gefühlsanstürmen, oder vielleicht sogar stärkeren, nun da ich das Geschehen wie aus weiter Ferne nochmal beobachtete.

Zärtlich ließ ich Moon meine Bewunderung zukommen und sah ihn mit vor Dankbarkeit funkelnden Augen an.

Seine Nüstern blähten sich und er stieß scheinbar glücklich warmen Atem in mein Gesicht. Kichernd wich ich ein Stück zurück, doch Moon folgte mir voller Zufriedenheit. Ich erinnerte mich an Elias' Worte, dass Moon und ich ewig und für immer diese besondere Verbindung haben würden und schmunzelte, nun hatte ich kein bisschen Furcht mehr, in der Zukunft alleine zu sein.

„Xavina", räusperte sich der Fremde verhalten und ich drehte mich neugierig zu ihm um. Meine Feindseligkeit war vollkommen verschwunden, ich war zu erfreut meine Erinnerungen zurück erlangt zu haben.

„Ja?"

„Wir müssen sofort in die Höhle. Das Gewitter wird nicht mehr lange auf sich warten lassen", erklärte er angespannt und deutete auf die bedrohlich, dunklen Wolken. Diese türmten sich zu gewaltigen Massen auf und kamen von dem entfernten Gewässer auf uns zu.

„Was ist mit Moon?", fragte ich besorgt. Auf keinen Fall würde ich ihm dieses Unwetter aussetzen.

Doch anscheinend war der Fireflyer anderer Meinung. „Er ist sicher hier draußen. Stürme und Gewitter sind Moons Element, ich dachte, das wüsstest du schon. Dein Drache ist niergends sicherer als mitten im Auge eines Unwetters, denn dort kann er zu neuen Kräften gelangen und sich ausruhen."

Mit einem letzten Blick auf Moon, glaubte ich dem Fremden aus irgendeinem Grund sofort und ging widerstrebend auf die Höhle zu.
Wahrscheinlich lag es daran, dass mein erster Flug auf Moon mitten durch schwarze Gewitterwolken und zuckenden Blitzen stattgefunden hatte. Vielleicht aber auch daran, dass Moon mir seine Zustimmung versichernd übermittelte oder auch daran, dass der Fremde einfach ziemlich überzeugend sein konnte.

Jedenfalls befand ich mich nun im trockenen Inneren der Höhle, während es draußen in Strömen regnete. Donner grollte in der Ferne und vereinzelt erhellte sich der Himmel durch gleißende Blitze.

Von meinem Drachen war nicht die geringste Spur zu sehen und ich hoffte, dass es ein gutes Zeichen war.

Ich spürte die Anwesenheit des Fireflyers noch bevor ich seine leisen Schritte vernahm. Dankend nahm ich die dampfende Suppe entgegen die er mir hin hielt und schlang sie gierig hinunter, ohne auf meine hitzeempfindliche Zunge zu achten.

„Du hast Fragen", stellte er nach einer Weile fest, während wir beide hinaus in den Regen starrten.

Natürlich hatte ich die. Doch welche sollte ich zuerst stellen? Und welche waren zu aufdringlich? Die Wahrheit war, ich wollte die Sicht von jemanden außerhalb des Einflusses des Herrscherhauses hören.

Ich warf ihm einen prüfenden Blick zu, er dürfte nicht viel jünger als mein Vater sein, wie mir jetzt auffiel. Trotz der tiefen Furchen, die sich in sein Gesicht gegraben hatten, schwächte es kein bisschen sein gutes Aussehen ab, im Gegenteil.

Meine Hände umschlossen sich um das warme Holz der Schale aus der ich zuvor gegessen hatte. Unbehaglich atmete ich aus und entließ damit gleichzeitig meine Unruhe.

„Wer bist du?", platzte ich heraus. Zugegeben, es war nicht wirklich eine präzise Frage, aber so musste er wenigstens etwas ausholen, wie ich hoffte.

Nach einem schrägen Blick zu mir zuckten seine Mundwinkel, doch er wurde sofort wieder ernst und schien nachzudenken, als er auf seine Hände sah.

Er seufzte schwer und murmelte: „Das ist keine leichte Frage."

„Wer sagt, dass das Leben leicht ist?", konterte ich gnadenlos, doch er hatte mich nur noch neugieriger gemacht und ich saß förmlich auf glühenden Kohlen.

Er warf mir ein schwaches Lächeln zu und wirkte sofort um Jahre jünger.

„Wohl wahr", stimmte er mir zu. „Meine Geschichte ist es auch nicht, wie es dich inzwischen wohl kaum wundern dürfte. Nun, ich wurde mit dem Titel Lord Yabyr Smyres von Smorix Oswone geboren."

Daughter of ร๓๏гเℵ  ๏รฬ๏ภє Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt