5. Kapitel

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»Und?«, fragte ich Clarke.
»Was hat Präsident Wallace gesagt?« Neugierig sah auch Jasper das Mädchen an.
»Er hat mir die Leiche gezeigt«, antwortete sie. Zusammen liefen wir einige Schritte durch den Gemeinschaftssaal. »Es sah genauso aus wie eine Pfeilwunde.« Sie blieb vor unserem Hochbett stehen.
»Vielleicht weil die Wunde von einem Pfeil ist?«, meinte Jasper.
»Oder weil sie wollen, dass wir das denken.« Jasper sah Clarke genervt an. »Was? Sie haben es so aussehen lassen!«, beharrte sie.
»Clarke, du hörst dich an wie 'ne Verrückte. Warum willst du uns das hier vermiesen?«
»Ich habe keine Ahnung, was das hier ist!«
Ich räusperte mich kurz und brachte unter einem gespielten Husten »Das ist das Versteck der Mountain Men« hervor.
»Sicher«, sagte Jasper, ohne auf meine Bemerkung einzugehen. »Hier gibt es Essen, richtige Betten, Kleidung und, was ich am besten finden, dass ich nicht mit einem Speer von einem Grounder durchbohrt werde.« Er sah kurz zu mir und ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Nichts gegen dich, Rose.« Ja, du mich auch. »Wie lange, denkst du, lassen sie uns hierbleiben, wenn du so weitermachst?«
Clarke stellte sich aufrecht vor ihn. »Hat dir jemand gedroht?«
Jasper lachte kurz. »Nein. Nein, das ist einfach logisches Denken. Wir sind hier Gäste und keine Gefangenen. Was würdest du mit 'nem Gast machen, der dich als Lügner bezeichnet und sich generell wie 'nen undankbarer Arsch verhält?«
»Den unbekannten Arsch rauswerfen«, antwortete Miller, der auf seinem Bett etwas las.
»Im Moment ... bist du die größte Bedrohung ... für uns«, sagte Jasper an Clarke gewandt. »Ja, klar, Rose ist auch nicht besser, aber sie redet nicht ständig davon. Und außerdem sind die Grounder und die Mountain Men verfeindet. Das liegt im Blut.«
Ich wollte gerade den Mund zum Protest öffnen, schloss ihn aber sogleich wieder. Es war das Beste, sich bei den beiden nicht einzumischen. Jasper seufzte leise, dann ging er. Ich sah kurz zu Clarke, die leise und niedergeschlagen ihren Kopf senkte.

Ich öffnete meine Augen und setzte mich auf. Der ganze Saal war leer und ich hatte einigermaßen gut geschlafen. Definiere 'gut'. Gut im Sinne von: Der gleiche Traum, dieselbe Angst.
Ich stieg aus dem Bett und begab mich zum Essenssaal. Jasper und Maya saßen in einer Ecke, viele Leute unterhielten sich und Monty saß alleine am Tisch und aß etwas. Ich setzte mich ihm gegenüber. »Wo ist Clarke?«, fragte ich.
»Keine Ahnung. Frag doch Maya«, antwortete er freundlich.
Und das tat ich auch. Jedenfalls wollte ich es, doch Dante Wallace stellte sich mir in den Weg.
»Gut geschlafen?«, fragte er mich mit einem Lächeln in dem alten, faltigen Gesicht.
»Äh, ja. Wissen Sie, wo Clarke ist?«
»Ja, im Krankentrakt. Sie hat sich den Arm verletzt.«
»Gut, danke.« Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging zu Monty. »Sie ist im Krankentrakt, weil sie sich am Arm verletzt hat«, sagte ich und wollte gehen, als Monty mich zurückhielt.
»Tu bitte nichts Unüberlegtes«, bat er und ich nickte.
Zügig machte ich mich auf den Weg und passte auf, dass ich nicht entdeckt wurde. Hastig rannte ich durch die Korridore und kam bald vor dem Krankentrakt an. Ich schlich mich in den Raum und ließ meinen Blick schweifen. Nur ein Mann lag in einem Bett. Er war, genau wie Maya damals, mit einem Schlauch verbunden, der eine rote Flüssigkeit transportierte. Bei einem Bett war die Decke zurückgeworfen worden.
Ich wandte meinen Kopf nach links und sah, dass die Klappe des Lüftungsschachts offen war. Ein mulmiges Gefühl durchzog meinen Körper und ich beschloss in den Schacht hineinzuklettern. Auf der anderen Seite angekommen, klappte mir die Kinnlade hinunter – überall standen Käfige, in denen Grounder saßen. Mein Blick fiel auf die beiden Menschen, die herumliefen, und leise rief ich ihre Namen. »Clarke! Anya!«
»Komm!« Clarke winkte mich zu sich und rannte zu ihnen hinüber. Wir betraten zusammen einen anderen Raum und bevor ich fragen konnte, was das hier war, fielen wir in die Tiefe.
Wir fielen auf etwas Weiches und erschrocken sah ich auf.
»Das sind Leichen, Clarke!«, brachte ich keuchend hervor.
Plötzlich vernahm ich eigenartige Stimmen.
»Reaper!«, nahm Clarke mir die Worte aus dem Mund. Sie half Anya, die, wie ich jetzt erkannte, kaum etwas am Leib trug, in einen Wagen und wir beide sprangen hinterher. Wenige Augenblicke später wurden Leichen über uns gelegt und der Wagen begann sich zu bewegen. Ich wagte es kaum zu atmen, aus Angst, sie würden uns entdecken. Als der Wagen stehen blieb und die Schritte sich entfernten, stiegen wir aus.
»Hier.« Clarke hielt mir eine Jacke entgegen und ich zog sie über. »Los, kommt! Wir müssen zu unseren Leuten. Sie werden uns helfen.«
»Nein, wir müssen zurück«, beharrte Anya.
»Ich stimme eher Clarke zu, Anya. Die Weltraummenschen haben bessere Waffen als wir ...«
»Benutze nicht das Wir in deinem Mund!«, knurrte die Grounder-Prinzessin. »Verräterin!«
»Die Mountain Men sind sehr stark, wollte ich sagen!« Wütend blickte ich die Frau an und wandte mich dann von ihr ab.
»Wir müssen sie finden, aber die Reaper sind überall«, meinte Clarke, die einige Meter vor mir stand.
Ich warf einen kurzen Blick nach hinten, sah wieder nach vorne und bemerkte erst dann, was hinter mir fehlte. »Äh, du, Clarke? Anya ist verschwunden.«
Clarke seufzte und rannte los. Ich folgte ihr dicht auf den Fersen. Auf einmal hörte ich Geräusche, und ich zog an Clarkes Oberteil, so dass sie stehen blieb. Leider war es zu spät - vor uns tauchten Reaper auf, und als wir umdrehen und in die andere Richtung rennen wollten, kamen auch von dort welche. Es gab keinen Ausweg.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, fluchte Clarke.
Plötzlich piepte etwas schrill in unseren Ohren.
»Clarke Griffin und Rose von den Groundern, nehmen Sie die Hände hoch und kommen Sie mit uns!«, rief eine Stimme. Es waren zwei Mountain Men, die ihre Schutzausrüstung trugen und mit Waffen auf uns zielten. Wir ergaben uns kampflos und sie führten uns zu einer Tür. Der eine drückte auf einen Knopf an der Tür und sagte: »Zwei von den Gefangenen gesichtet. Bitten um ...« Weiter kam er nicht, denn ich rammte ihm mein Knie in den Bauch. Stöhnend sank er zu Boden und Clarke riss ihm die Maske vom Kopf. Auf einmal landete jemand leichtfüßig neben mir auf dem Boden.
»Anya!«, sagte ich und dieses eine Mal war ich froh, sie zu sehen.
»Die Masken. Ihr müsst die Masken abnehmen.«
Anya leistete Clarkes Befehlen folge und riss dem zweiten Mann die Atemmaske vom Kopf. Dann rannten wir auch schon los. Hinter uns hörte ich weitere Verfolger und plötzlich stoppte Anya vor mir. Vor uns befand sich ein Abgrund, ein Wasserfall, der viele Meter in die Tiefe führte.
»Na, toll«, stöhnte ich.
»Sie sind hinter uns«, bemerkte Clarke.
»Was tun wir jetzt?« Fragend sah ich die Grounderin an.
»Springen«, meinte diese und tat das auch. Ich sah entsetzt hinunter und schüttelte den Kopf. «Hab' ich schon mal erwähnt, dass ich Höhenangst habe?«
»Nein, aber jetzt weiß ich's«, antwortete das blondhaarige Mädchen.
»Clarke Griffin, legen Sie die Waffe auf den Boden und nehmen Sie Hände hoch. Wir dürfen Sie nicht erschießen!«, sagte ein Mann.
Verwundert musste ich mit ansehen, wie Clarke den Forderungen nachging. »Dein Ernst?«
»Sie ebenfalls, Miss Rose.«
Ich drehte mich zu den Männern um und sah sie sauer an, hob aber die Arme, genau wie Clarke, in die Luft.
»Wir haben zwei der Gefangenen in Gewahrsam genommen«, sagte der Mann in sein Walky-Talky.
Clarke grinste neben mir, drehte sich um, rannte los und sprang in die Tiefe.
Nicht dein Ernst.
Leider blieb auch mir nichts anderes übrig und ich ergriff die Waffe, bevor auch ich sprang.
Ich habe es mir vorher überlegt, schoss es mir durch den Kopf, als ich an Montys Aussage dachte - und dann umschlossen mich die Wassermassen.

Yu Gonplei Nou Ste Odon Nowe || The 100 [Staffel 1-3]Where stories live. Discover now