Kapitel 23 Gefühls-Achterbahn

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Schluchzend drückte ich mein Gesicht in seine Schulter und krallte mich mit meinen Händen fest in seine himmlischen Schwingen, wie als hätte ich Angst, dass er jeden Moment verschwinden könnte, wenn ich ihn bloß nur los ließe. Er murmelte etwas und streichelte mir dabei beruhigend meinen Rücken auf und ab, doch ich konnte nicht verstehen, was er sagte, da der Regen zu laut auf die Straße prasselte.

Minuten lang verharrten wir so und nur hin und wieder murmelte Noel etwas, was ich nicht verstand, doch auch wenn ich es verstände hätte, wüsste ich nicht was ich dazu hätte sagen sollen. Mein Gehirn war wie leer gefegt von jedem einzelnem Gedanken und in meinem Hals steckte ein so großer Kloß, dass ich leicht Angst hatte wieder stumm geworden zu sein.

Auf einmal löste er sich von mir und sah mich verwundert an. "Wieso weinst du mein Engel? Es ist wieder alles in Ordnung. Du brauchst nicht traurig zu sein.", sagte er mit seiner von mir geliebten Stimme und strich mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Ich musste lachen. Er glaubte wirklich, dass ich traurig war!

"Aber Noel, das sind keine Tränen aus Trauer, sondern Tränen der Freude. Ich freue mich so unglaublich dich wieder zu haben.", belehrte ich ihn halb kichernd halb noch immer schluchzend.

"Puh, ich hatte schon Angst, dass du jetzt traurig bist, dass ich wieder da bin, obwohl, dass hätte irgendwie keinen Sinn ergeben. Außer, wenn du einen neuen Freund hättest. Oh Gott! Hast du etwa einen neuen Freund?!", fragte er, gespielt geschockt, doch trotzdem mit einem spitzbübischem Grinsem im Gesicht. Ich musste lachen, obwohl sein Witz nicht mal lustig gewesen war. Eindeutig die schlechten Witze wie sein Bruder, das musste in der Familie liegen.

Ich legte meine Arme um seinen Hals und provozierte ihn:"Du machst genau so schlechte Witze wie dein Bruder.". Empört japste er auf und wollte schon dagegen protestieren, doch zuvor verschloss ich seinen Mund mit meinen und schloss meine Augen.

Dass laute Prasseln des Regens schien plötzlich weit entfernt zu sein und die Kälte, die die Regentropfen auf meiner Haut verursachte verschwand und wich einer angenehmen Hitze. Ein Kribbeln erfasste mich von solch einer Intensität, dass ich Angst hatte gleich zu explodieren. Doch Noel ging es anscheinend wie mir. Ich legte meine Flache Hand auf seine Brust und spührte, wie sein Herz schnell und kräftig schlug.

Mit meiner Hand wanderte ich weiter zu seinen Armen und streichelte seinen sehnigen Oberarm, als Noel plötzlich stark zusammen zuckte. Schweren Herzens beendete ich unseren wundervollen Kuss und sah ihn fragend an. "Alles in Ordnung?", fragte ich, doch er erwiederte nichts, sondern starrte mich nur an.

Was war bei seinen Armen?, fragte ich mich in Gedanken und zog diesen näher, um ihn zu betrachten. Doch was ich dort sah ließ mich auf japsen. Sein ganzer Arm war von Narben und tiefen Schnitten übersät, doch nicht nur der, sondern der andere auch, wie ich sah.

"W-wer hat dir das angetan? Oh Gott, Noel! Was haben sie mit dir in der Hölle gemacht?", fragte ich panisch und griff nach seinen beiden Händen, die zwischen meinen wie verrückt zitternden. "I-ich will darüber nicht sprechen.", krächzte er und riss seine Hände plötzlich von meinen weg und richtete sich blitzartig auf.

"Komm, du bist verletzt. Ich sollte dich zur SAC bringen.", sagte er mit einem plötzlich emotionslosem Gesicht und half mir auf zu stehen.

Ich war verwundert und verletzt von seinen plötzlichem Stimmungswechsel. Wieso redete er nicht mit mir darüber? Er wusste doch, dass er mir alles anvertrauen konnte. Wieso war er plötzlich so emotionslos?

Doch zwischen all den Gefühlen, entflammt auch Selbsthass in mir. Nur wegen mir ist er überhaupt verletzt. Ich hätte den Deal zwischen den Engeln und dem Teufel verhindern können.

Das meine Verletzungen wieder zu brennen und schmerzen begonnen hatten, machten mir das Denken auch nicht leichter und leicht verzweifelt seufzte ich leise.

"Du wirst nicht fliegen können, ich werde dich nehmen, wenn es für dich in Ordnung ist?", fragte Noel plötzlich, deutlich gefasster und hielt mir seine Hand hin. Stumm nickend nahm ich sie und lehnte mich an ihn. Er schlang beide Arme um mich und breitete seine Schwingen aus. Kurz schaute er noch um sich, damit er sich sicher war, dass uns niemand beobachtete, dann ging er in die Knie und stieß sich kraftvoll vom Boden ab, sodass wir in die Höhe schossen.

* * * *
* * *

Während wir zur SAC flogen schwiegen wir beide. Er musste sich sowieso auf das fliegen konzentrieren und ich war zu sehr in Gedanken versunken. Unter anderen Umständen hätte ich den Flug sicherlich als romantisch empfunden, doch leider war er für mich recht unspektakulär.

Nach knapp einer halben Stunde landeten wir vor dem Eingang der Secret-Angel-Companie und er ließ mich los. Meine Beine fühlten sich leicht taub an und erschwerten es mir zu gehen, trotzdem taumelte ich ein paar Schritte, bis ich plötzlich einen Arm unter meinen Kniekehlen und eine Hand auf meinen Rücken spührte, die mich plötzlich hoch hoben.

Verwundert sah ich hinauf zu Noels Gesicht, der mich schüchtern anlächelte. "Es tut mir leid Elia, dass ich vorhin so reagiert habe. Nur ... mir wurden Sachen in der Hölle angetan, über die ich mal hinweg kommen muss. Bitte verstehe mich. Ich werde dir einmal vielleicht davon erzählen, was mir dort angetan wurde, doch ... jetzt schaffe ich das noch nicht ...", erklärte er mir und schluckte schwer. Ich nickte. Ich war beunruhigt, da ich Angst um seine Psyche hatte, doch ich glaubte an ihn, dass er darüber hin weg kommen konnte.

Ohne großes Aufsehen zu erregen ging er mit mir in seinen Armen, durch die Eingangshalle. Niemand außer uns befand sich auf den Gängen, es war schließlich schon knapp vor drei Uhr, welches Paranormale Lebewesen würde da noch durch die Gänge huschen?

Genau nur eines: Franklyn. Bevor Noel sich verstecken konnte, hatte er uns schon gesichtet und kam auf uns zu gerannt. "Lass sofort die Seraphim los.", knurrte er Noel wütend an und zielte mit einer Pistole auf seine Stirn. Von wo hatte er die so schnell her bekommen?!

Ich seufzte genervt. "Franky, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Er hat mich gerettet und wollte mich gerade zu der Krankenstation bringen, wenn du uns bitte vorbei lassen würdest?"

Ich sah förmlich wie seine Gedanken hin und her rasten, abwegend ob Noel eine Gefahr darstellte oder nicht, doch er glaubte mir anscheinend und ließ die Waffe sinken. "Kommt, ich zeige euch den Weg.", brummte er und ging voraus und Noel folgte ihm natürlich.

Hin und wieder hörte ich ihn vor uns murmeln:" Das wird Cole und Michael ganz und gar nicht gefallen.", doch mit uns wechselte er kein einziges Wörtchen.

Ich war mehr als glücklich, als wir bei der Krankenstation ankamen, denn mittlerweile hatte ich nicht nur das Gefühl in meinen Beinen, sondern auch in meinen aufgeschürften Armen verloren.

Als uns eine Nachtkrankenschwester sah, die zuvor ganz entspannt da saß und eine kanadische Klatschzeitung laß, weiteten sich ihre Augen und sie kam schnell, mit wehendem Kittel, zu uns gelaufen. Kurzerhand rief sie ein paar weitere Schwestern und ein paar Ärzte zu sich, sowie zwei Assistenten, die eine Fahrbare Liege für mich brachten.

Schweren Herzens gab Noel mich frei und legte mich behutsam auf die Liege, die mit mir sofort weg fuhr. Leicht panisch richtete ich mich auf, um zu sehen, was sie mit Noel machen würden, doch dieser wurde auch auf eine Liege geschnallt und in die entgegengesetzte Richtung gefahren.

Ich war erleichtert, dass sie ihm auch helfen würden und plötzlich legte sich eine bleierne Schwere über mich. Ich war mehr als nur erschöpft von diesem Tag.

Noch bevor ich in einen Raum von den Ärzten gefahren wurde, war ich schon eingeschlafen.

Bright AngelsWhere stories live. Discover now