Kapitel 22 Wiedersehen

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Viel zu schnell raste ich mit der gestohlenen Ducati über die Autobahn und musste mich arg konzentrieren, dass ich nicht gegen die Leitplanke fuhr. Die Tatsache, dass es mittlerweile zum Regnen begonnen hatte machte es auch nicht gerade besser.

Ich war alleine auf der Autobahn, wer wollte auch schon bei diesem Wetter herum fahren? Ich war natürlich die einzig Irre, die das tat.

Meine Gedanken wirbelten sich immer noch im Kreis und ergaben keinen Sinn, als plötzlich die Vernunft in mir flüsterte: Wieso tust du das gerade? Bist du etwa ein kleines Kind? Du kannst nicht immer vor allem davon laufen! Man muss sich im Leben auch Herausforderungen stellen, das musst du auch lernen. Am besten fahrst du an den Rand und drehst um.

Drastisch verlangsamte ich mein Tempo und wollte schon auf die Seite fahren, als ich plötzlich etwas hörte. Ganz leise und unverständlich, doch trotzdem hörte ich es. Verwundert drehte ich meinen Kopf, was mit dem schwerem Motorradhelm nicht leicht ging, und sah zuerst nichts, außer die völlig leere und veregnete Straße.

Doch plötzlich durchbrach den Regen zwei in der Ferne noch kleine Lichter. Sie waren auf gleicher Höhe und das Licht brach sich in den Regentropfen. Erst nach einiger Zeit erkannte ich, dass es ein LKW war.

Ich musste erleichtert aufseufzen. Es war nur ein stinknormaler Lastwagen, da brauchte ich keine Angst haben. Ganz normal fuhr ich auf den Rand und wartete, dass der Lastwagen vorbei fuhr, aber er nahm plötzlich sehr schnell Geschwindigkeit an und fuhr blitzschnell auf den Pannenstreifen, wo ich stand.

Mir wurde leicht unwohl und ich versuchte mich noch damit zu beruhigen, dass er eine Panne hatte, doch es schien nicht so. Er furh Vollgas einfach weiter.

Plötzlich huppte das große Fahrzeug laut und ich sah auch den Fahrer. Meine Augen weiteten sich und fast hätte ich aufgeschrien. Es war eindeutig ein Demon.

Vor dem Steuerrad lachte er dämonisch mit einer Reiher spitzer Zähne und mit seinen Krallen ähnlichen Fingern winkte er mir zu.

Blitzschnell reagierte ich und startete das Motorrad und gab so schnell wie möglich Gas. Och hörte wie der Motor überfordert aufbrummte, doch ignorierte es.

Die zwei Scheinwerfer folgten mir und plötzlich hörte ich hinter mir, wie der Demon aus dem Fenster rief:" Hallo Seraphim! Fahr nur! Ich werde dich sowieso bekommen!"

Ich bekam noch mehr Panik und fuhr schneller, doch noch schneller ging es nicht. Der Zeiger auf dem Steuerbort war fast schon ganz rechts.

Eine scharfe links Kurve tauchte vor mir auf und ich musste mich auch nach links lehnen. Wie bei Motorradrennen kam mein Bein dem Asphalt gefährlich nahe, doch zu meinem Glück fiel ich nicht und berührte auch nicht die Straße.

Als ich wieder gerade saß drehte ich mich um und wollte sehen, wo der Lastwagen war, doch er war verschwunden. Wie ging das? Er war doch gerade noch wenige Meter hinter mir!

Keuchend atmete ich unter meinen Helm ein und aus und wollte mein viel zu schnell bumperndes Herz beruhigen, doch es gelang mir nicht. Ich drehte meinen Kopf wieder nach vorne und wollte einfach nur von der Autobahn abfahren, doch plötzlich stand ein Mann mitten auf der Straße.

Vor Schreck schrie ich auf und veriss den Lenker, damit ich ihn nicht rammte, doch das war ein großer Fehler gewesen. Die Ducati stoppte plötzlich und in hohem Bogen fiel ich von dem Motorrad. Schmerzhaft fest kam ich am Asphalt auf und schlitterte über die Straße. Meine ganz normale Kleidung riss dabei an mehreren Stehlen auf und bei meinem Helm zersplitterte mein Visier. Tausende von kleinen Glassplittern schnitten mich in meine Wangen und meine Haut schürfte sich an vielen Stellen tief ein.

Doch dann stoppte ich endlich. Meine Augen waren weit aufgerissen und ich keuchte vor Schock und Schmerz. Egal wie viel Adrenalin gerade durch meine Adern floss, es betäubte den Schmerz nicht und es schien mir als würde mein ganzer Körper verbrennen.

Nun lag ich da. Mit Wunden am ganzen Körper. Windend in dem unerbärmlich weiter auf mich einprasselndem Regen. Alleine. Doch nicht ganz.

Plötzlich wurde ich am Hals genommen und schrie auf. Die Hand würgte mich und die Berührung brannte höllisch auf meiner geschundenen Haut.

"Schön dich wieder zu sehen Elia.", hauchte mir eine tiefe und bekannte Stimme in mein Ohr und mein Herz stoppte. Nein, bitte nicht.

"Beyak...", flüsterte ich und wimmerte zugleich. Er lächelte so wunderschön grausam und entblößte eine Reihe spitzer Zähne. "Gut, dass du dich noch an mich erinnern kannst. Es wäre doch schade, wenn du den Namen deines Mörders nicht kennen würdest."

Erbärmlich versuchte ich seine Hand von meinem Hals zu drücken, doch das schien ihn zu belustigen und er drückte mich zu Boden. Japsend versuchte ich Luft in meinen zerstörten Körper zu bekommen, doch Beyak drückte mir zu fest den Hals zu.

Er lehnte sich näher zu meinen Ohr und flüsterte:" Wie fühlt sich das an? Der Gedanke alleine, hilflos und ohne jemanden der dir helfen wird zu sterben? Aber es wird auch niemandem interessieren, wenn du tot bist. Dein Engel ist in der Hölle. Deine Freunde haben ihre eigenen Probleme. Deine Eltern werden sich scheiden. Du bist ganz alleine."

Seine Worte waren schlimmer als jeder Pistolenschuss, denn er hatte recht. Moon und Aaron hatten schon genug Probleme mit sich selbst. Peter und Leya sind gerade erst frisch verliebt. Meine Eltern werden nie mehr meine Eltern sein. Und Noel ... Noel werde ich nie wieder sehen.

Beyak drückte energischer zu und ich wusste ich hatte verloren. Schlaff fiel meine Hand neben mir hin und meine Augenlider flackerten. Ich sehnte mich danach, dass all diese Schmerzen verschwanden. Dass ich einfach nichts mehr spührte.

Schwach hörte ich wie Beyak triumphierend lachte und hatte meine Augen schon fast geschlossen, als plötzlich ein unendlicher lauter Knall hinter mir ertönte. Es wurde hell um mich und ich dachte mir, dass es nun entgültig vorbei war, doch plötzlich waren Beyaks Hände von mir weg und er wurde nach hinten geschleudert.

Tief atmete ich wieder Luft in meine Lungen ein und riss meine Augen weit auf. Was war das gerade gewesen? Ich musste es sehen!

Schwerfällig richtete ich mich auf und kroch zu einer Leitplanke, damit ich mich daran anlehnen konnte. Doch das was ich vor mir sah hätte ich mir in Tausend Jahren nicht vorgestellt.

Beyak und ein fremder Engel kämpften gegeneinander. Wütend flackerte das Feuer der knochigen Schwingen hinter dem Demonen auf, doch die violetten Flammen von dem Engel übertrumpften sie.

Mit aufgerissenen Augen beobachtete ich den Kampf, als der Engel Beyak plötzlich gegen einen Baum warf und dieser wie ein Zahnstocher umfiel. Der Engel flog schnell auf den Baum zu, doch plötzlich knurrte Beyak wütend auf und schoss in die Höhe. Weg von mir und ihm.

Der Engel hatte gewonnen. Nur wenige Meter vor mir sah ich seinen von Narben übersäten Rücken, wie er sich schnell hob und senkte. Das violette Feuer umgab ihn weiter hin und erleuchtete ihn.

Ich krächzte zitternd:"D-danke.". Er antwortete mir nicht. Doch auf einmal drehte er sich um und mir stockte der Atem. Tränen schossen in meine Augen und ich schlug meine Hand vor meinen Mund.

"Nein, nein. W-wie ...?", flüsterte ich ungläubig und der Engel kam auf mich zu und kniete sich vor mich. "Ich habe dir versprochen dich nicht zu verlassen. Ich breche meine Versprechen nicht.", sagte er mit ruhiger und samtiger Stimme und strich mir eine nasse Haarsträhne aus meinem schmutzigen Gesicht. Ich musste noch mehr aufschluchzen.

"Noel.", brachte ich schwach heraus und warf mich in seine Arme.

Nach einem Jahr hatte ich ihn wieder. Nach einem Jahr lagen wir uns wieder zitternd und weinend in unseren Armen. Ich hatte meinen Engel wieder zurück.

Bright AngelsWhere stories live. Discover now