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„Tyler?", fragte der Polizist, offenbar Tylers Dad, fassungslos. Genauso fassungslos, wie ich mich gerade fühlte. „Dein Dad ist ein Cop?", zischte ich ihm leise zu, noch immer verblüfft über diese Erkenntnis.

„Was tust du hier?", fragte sein Vater, der mir einen schnellen Seitenblick zuwarf und sich dann wieder auf seinen Sohn konzentrierte.

„Nur eine kleine Spritztour", log Tyler und schirmte mich bestmöglich ab. „Ich weiß, ich bin zu schnell gefahren. Kannst du mir das nicht einmal durchgehen lassen?" Er sah seinen Dad vorsichtig an.

„Wird auch nicht wieder vorkommen." Tylers Stimme war flehend, als er noch ein leises „Bitte" anhängte.

Sein Vater schien mit sich selbst zu ringen und nachdem er einen kurzen Blick nach hinten zu seinem Partner geworfen hatte, der noch immer im Wagen saß, schnaubte er lautstark und gab schließlich nach. „Schön, aber nur dieses eine Mal."

Er murmelte noch etwas in seinen Bart hinein, aber das hörte ich schon nicht mehr, als Tyler erleichtert ausatmete und ihn mit Danksagungen überhäufte.

„Das nächste Mal zieht ihr euch aber vernünftige Schutzkleidung an", wies er uns noch an, als er unsere Erscheinung kritisch beäugte. Ich nickte und nachdem auch Tyler seinem Dad versichert hatte, dass er ab jetzt sicher fahren würde, durften wir ohne weiteres wieder losfahren.

Tyler fuhr in gemäßigtem Tempo davon, aber sobald der Streifenwagen außer Sichtweite war, beschleunigte er wieder und trug uns immer weiter aus der Stadt raus, bis wir eine Weile Später an einem verlassenen Vorort ankamen. Ich sah mich verwirrt um.

Wir waren umgeben von runtergekommenen Häusern. Nur einige der Straßenlaternen beleuchteten spärlich die verlassenen Straßen, auf denen wir fuhren. Links von uns erstreckte sich ein dunkler Wald und ich war verwirrt, als Tyler darauf zusteuerte.

Ich kannte diesen Ort. Genau hier bin ich vor einigen Wochen gewesen, als ich vor Logan geflüchtet war. Und hier hatte ich den Schuss gehört und Damien getroffen. Beklommen schluckte ich.

„Sind wir da?"

„Noch nicht."

Er beschleunigte wieder etwas und hielt schließlich vor einem kleinen Haus direkt vor dem Wald.

„Was machen wir hier?", fragte ich und sah mir das marode Kleinhaus genauer an. Die Farbe blätterte bereits von der Fassade ab und große Flächen der Außenwand waren Rußgefärbt von den nahen alten Fabriken, die schon lange nicht mehr in Betrieb waren. Eine kleine Garage war direkt an das Haus angebracht und das rostige weiße Rolltor stand halb heruntergelassen und sah aus, als würde es jede Sekunde mit einem Höllenlärm herunterkrachen.

„Hast du nicht gesagt das Treffen ist an einer verlassenen Lagerhalle?"

Ich klappte mein Visier hoch und sah ihn aus fragenden Augen an.

„Ist es auch", antwortete er gelassen und stieg von seinem Bike ab, woraufhin ich ihm folgte. Er streckte seinen Arm aus und zeigte auf den Wald. „Die Lagerhalle ist gleich hinter dem Waldstück."

Ich runzelte die Stirn, weil ich immer noch nicht ganz verstand, warum wir dann hier hielten. „Und was tun wir hier?"

Tyler rollte sein Bike in die Garage und zog seinen Helm aus, um ihn dort zu verstauen.

„Wir können dort schlecht mit dem Bike aufkreuzen. Man würde uns hören, bevor wir die Lagerhalle überhaupt sehen können", erklärte er schließlich, nachdem er mir auch meinen Helm abgenommen und in die Garage gebracht hatte.

„Die Gegend hier ist verlassen, also wird es niemanden stören, wenn ich die Garage eine Weile belege."

Sobald er fertig war, kam er wieder zu mir raus und fuhr sich einmal durch die Haare, um den Staub, den er in der Garage aufgewirbelt hatte aus den Haaren zu entfernen.

„Wir gehen das Waldstück zu Fuß und werden uns dann von hinten in die Lagerhalle schleichen. Ich kenne mich dort gut aus."

Ich nickte, dass ich verstanden hatte und folgte ihm, als er leise auf den Wald zulief.

„Das Treffen sollte schon begonnen haben, also müssen wir uns etwas beeilen", informierte er mich und ich legte einen Zahn zu, als wir den Wald betraten. Tyler bewegte sich so sicher, als wäre der Weg für ihn hell erleuchtet, während ich über jede einzelne Wurzel stolperte, die sich vor mir auftat. Ich fluchte, als ein kleiner Ast mir ins Gesicht schlug und ein brennendes Gefühl hinterließ.

„Geht's dir gut?", fragte mich Tyler besorgt, der jetzt anhielt, um den kleinen Kratzer zu begutachten, der auf meiner Wange brannte.

„Alles bestens", antwortete ich und war überzeugt, mich nicht von so einem mickrigen Kratzer aufhalten zu lassen.

Nachdem Tyler sich selbst überzeugt hatte, dass es mir gut ging, packte er mich bei der Hand und führte mich immer weiter in den Wald.

Wir hatten schon einige Kilometer hinter uns gelassen, als Tyler urplötzlich anhielt und auflauschte. Ich wäre fast in ihn reingelaufen, hätte er mich nicht bei den Schultern gepackt, um mich anzuhalten.

„Hörst du das?", fragte er leise flüsternd und lauschte weiter angestrengt in die Nacht.

Das einzige, was ich hörte, war mein schwerer Atem nach dem weiten, anstrengenden Weg, den wir überwunden hatten. Tyler dagegen schien der kilometerlange Weg mit den vielen Hügeln die wir hoch und runter wandern mussten, die Baumstümpfe und umgekippten Bäume, über die wir klettern mussten und die vielen Büsche und Sträucher, die mir mehr als nur einen Kratzer zugefügt hatten, nichts auszumachen.

Dennoch versuchte ich zu hören, was Tyler meinte und nach dem sich mein Atem soweit beruhigt hatte, dass mein Herzschlag auch wieder seine normalen sechzig Schläge pro Minute erreicht hatte, konnte ich tatsächlich in der Ferne etwas hören.

„Sind das Autos?", fragte ich verblüfft, als ich die vielen Motorgeräusche hören konnte, die gar nicht weit von hier durch die Nacht hallten. Das Gebiet sollte eigentlich verlassen sein und dass Autos hier rumrasten war alles andere als gewöhnlich. Tyler nickte und runzelte die Stirn, als er noch etwas anderes vernahm. „Da sind Menschen. Und das hört sich nicht nach wenigen an."

Ich konzentrierte mich auf weitere Geräusche und tatsächlich konnte ich ebenfalls Menschen hören. Es hörte sich an, als würden hunderte Menschen durcheinander Sprechen und ab und zu kamen laute Jubelrufe durch.

„Was ist da los?", fragte ich und folgte Tyler, der sich wieder in Bewegung gesetzt hatte.

„Das finden wir bald raus."

Mit jedem Schritt den wir uns näherten, pochte mein Herz wilder. Meine Nervosität stieg, aber genauso sehr stieg auch meine Neugier. Die Motoren wurden mit jedem Schritt, den wir auf die Lagerhalle zu machten, lauter und auch die Stimmen schwollen immer mehr an.

Je näher wir der Wahrheit kamen, desto schneller ging mein Atem. Ich wischte mir meine schweißnassen Finger an der Hose ab. Nachdem wir ein weiteres gutes Stück des Waldweges hinter uns gelassen hatten, kauerte Tyler sich auf einmal hin und bedeutete mir es ihm gleich zu tun.

Der Waldboden war kalt und die Nacht noch kälter und als ich sah, was sich vor uns erstreckte gefror mir das Blut in den Adern.

DamienWhere stories live. Discover now