Capitolo trentanove

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Filana Monti

Er öffnet mir die Autotüre und hilft mir beim Aussteigen.

„Wie geht es dir, Filana?", fragt Saphir mich neugierig und mustert mich von oben bis unten.

Ich bin abgemagert, blass und sehe aus, wie der wandelnde Tod.

„Wo ist er?", ignoriere ich seine Frage und schaue mich um.

Die Kapuze tief in meinem Gesicht sollte mich verdecken.
Außerdem bin ich ungeschminkt. Da erkennt mich sowieso niemand.

Er seufzt und zeigt nach rechts.
Ich folge seinem Blick und sehe ein abgeschottetes Motel. Heruntergekommen, billig und verdammt alt. Der perfekte Ort, um unterzutauchen.

„Kündige bei unseren Verbündeten an, dass es ein Gericht geben wird bei uns, welches es noch nie zuvor gegeben hat. Aiden wird seine Taten gestehen."

Sofort macht er große Augen und holt zögernd sein Handy aus seinem Hemd.

„Ein Gericht... wie...wie-"

Ich unterbreche ihn mit meinem Zeigefinger, welchen ich ihm auf die Lippen lege.

„Wie Aurelio Monti es einst tat. Genau. Wir werden über eine verlorene Seele richten. Unsere Mafia lässt keine Gnade mehr walten."

Er sieht mich stolz an und wählt sofort Matts Nummer, um ihn in Kenntnis zu setzen.
Ab hier komme ich alleine zu recht. Ich kehre um und laufe auf das abgelegene Motel zu.
Hier sollte mich keiner erkennen und Aiden vorwarnen.

„Wohin??", ruft Saphir, als er bemerkt hat, dass ich fast außer Reichweite bin.

„Meinen alten Freund fangen", antworte ich ihm, als er schnell neben mir angejoggt kam.

„Ich komme mit."

„Das Einzige, was du machen kannst, ist Wache halten. Um den Rest kümmere ich mich selbst."

Ohne Widerrede nickt er, was mal was ganz anderes ist. Matt ist seit Monaten nur am dirigieren und meckern, dass ich einfach keine Lust mehr auf seine Anwesenheit habe. Er missachtet meine Befehle und schubst mich herum. Ich war wohl zu nett zu ihm gewesen.
Das muss sich ändern.
Und die Kinder- die kann er gleich behalten oder verschenken. Ich bin ein Capo. Ich kann mich nicht um machtgierige gefährliche Männer kümmern und dann am Abend kleine Babys mit meiner Muttermilch füttern. Wie soll das klappen?

Ich habe das Gefühl, ich bin in eine Depression reingerutscht, seitdem Milan wegen mir gestorben ist. Ich habe diese wenigen Sekunden vor Augen, immer und immer wieder, als er auf mich gesprungen ist, um den Schuss abzufangen.
Ich werde ihm auf ewig dankbar sein, aber dass ich lebe und er nicht... das fühlt sich einfach nur falsch an und das frisst mich innerlich einfach nur auf.

Ich bin schon an der Anmeldung vorbei und möchte auf den Fahrstuhlknopf drücken, doch tatsächlich ist das Motel so alt, dass es nichtmal einen besitzt.
Angewidert schaue ich die versifften Treppen an und darf bis in den dritten Stock laufen.
„Frisch" entbunden und schon Sport machen. Super Idee.

Aiden wird alles büßen. Sein Onkel wird büßen. Deren Anhänger werden büßen. Alle. Alle, die sich gegen mich verschworen haben.
Hätte ich nur die Chance, etwas an der Vergangenheit zu ändern, dann würde ich es tun. Für Milan. Es bricht mir einfach das Herz und ich weiß, dass es seine Entscheidung war, die Kugel abzufangen, aber ich hätte es gerne geändert.
Er war wohl keiner von den bösen und das habe ich viel zu spät erkannt.
Seine dunklen Augen, die in seinen letzten Sekunden in meine geblickt haben. So leer und ohne leben.
Ich werde dieses beißende Gefühl in meinem Magen nie vergessen, als ich förmlich sehen konnte, wie sein Leben aus seinem Mund geatmet wird.

Aiden... Wut staut sich wieder in mir, die ich nicht kontrollieren kann. Er hat uns verraten! Er hat ihn verraten! Wie konnte er nur?
Tränen brennen in meinen Augen und ich klammer mich fester ans Messer in meiner Hand, dass es schon weh tut.

Ich trete die Tür auf und laufe den Gang entlang zum Zimmer 318.
Ich denke nicht lange nach und hämmer mit voller Wucht gegen die Türe.

Es kommen schwere Schritte auf die Türe zu und sofort wird die Türe aufgeschlossen.

Ein dicker haariger Mann steht im Türrahmen und grinst mich an.

„Na, Süße?"

Scheiße.
Ich lasse ihn grinsend stehen und laufe den Gang weiter entlang. Es war doch 318... oder 328? Irgendwas mit einer Acht.

Probieren geht über studieren.
Also, 328.

Hier klopfe ich leise an, denn vielleicht liege ich wieder falsch. Ich bereite mich schon vor, zur nächsten Tür zu gehen, doch paar Sekunden später bleibe ich wie versteinert stehen, als ich zwei Stimmen höre.

„Tu es einfach."

„Es hat geklopft, Aiden."

Nein! Diese Stimme... das kann nicht wahr sein.
Ich sprinte von der Tür weg und verstecke mich um den Corner.
Aiden öffnet die Türe und schaut raus, ehe er verärgert die Tür wieder zuhaut.
Schnell tapse ich leise zurück und lehne mein Ohr an die Türe.

„Vergiss nicht, was dir befohlen wurde, Milano."

„Ist gut! Gib mir einfach etwas mehr Zeit."

„Zeit haben wir nicht! Versteh das doch! Es ist bald soweit."

Ich höre Milans leise Stimme seufzen und spüre Stiche in meiner Brust.
Er hat überlebt? Wieso kam er nicht zu mir??
Ich verstehe gar nichts mehr...

„Verärger mich lieber nicht, Milan. Du weißt, was auf dem Spiel steht."

„Ich werde Filana ausschalten! Wie, wann und wo ich es mache, überlässt du mir!"

Geschockt lasse ich das Messer fallen und halte mir die Hand vorm Mund.
Tränen fließen leise herab und hinterlassen eine bittere Spur auf meiner blassen Haut.
Er- er hat mich verraten?

Ich stolpere zurück und renne ohne Hemmungen den Gang entlang, bis ich merke, dass sich die Tür geöffnet hat.

Ich höre Schritte hinter mir, die mir hektisch hinterher rennen, doch ich höre nicht auf zu rennen. Ich springe förmlich die Treppen herunter, um weit, weit weg zu kommen.
Ich bin fast unten, da ruft wer nach meinem Namen.

„Filana!", verlässt mein Name seinen Mund und plötzlich hört er sich aus ihm nicht mehr schön an.

Es hat einen bitteren Nachgeschmack und lässt mich wütend zurück schauen.
Seine Augen sind schmerzlich aufgerissen und schauen mich schockiert an.

Damit hat er nicht gerechnet, oder?

„Einmal ein Verräter, immer ein Verräter!"

Milan will etwas erwidern, doch Saphir ergreift mich panisch und zerrt mich hektisch aus dem Motel heraus. Ich wehre mich nicht, diesmal nicht. Ich helfe ihm sogar, mich fort zu schaffen. Ich renne mit ihm und lasse mich erst fallen, als wir im Auto angekommen sind und sitzen.
Ich lasse meinen Emotionen freien Lauf und fange laut an zu schreien. Ich weine, brülle und wimmere.

Ich wurde wieder verraten.
Nicht von einem Feind.
Ich wurde von einem Freund verraten.

Obsession- Die Zeit renntDonde viven las historias. Descúbrelo ahora