Capitolo ventinove

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Milan Arsen

Es muss doch sowas wie Liebe geben. Kann denn alles so sinnlos sein, wie es jeder sagt? Ich habe Hoffnung, dass sich Aiden und Filana irren.

„Guck auf die Straße!", knurrt der Miesepeter neben mir und nuschelt sich irgendwelche frechen Wörter in den Bart.

Er sieht total ungepflegt aus. Wir folgen Filana nun seit 4 Tagen durch ganz Alaska und verstehen nicht ganz, was das soll. Wohin will sie? Oder vertreibt sie nur die Zeit? Naja, wie auch immer. Man sieht die verflogene Zeit an Aidens schwarzem Bart. Er ist kraus und wuselig, steht in allen Richtungen ab.

Mein Bart sieht auch nicht besser aus, aber er ist nicht so lang wie seiner. Immerhin habe ich meinen nie wachsen lassen.

„Ach was willst du hier eigentlich noch?", frage ich ihn und bin wirklich auf die Antwort gespannt.

„Wie gesagt, Milano. Ich passe auf, dass du nichts dummes tust", nuschelt er und isst genüsslich seinen Donut mit Streuseln.

„Was sollte ich tun?! Sie überfahren?", schreie ich und verdammt, das macht mir Angst.

Nicht das Schreien. Nein- Das womöglich Überfahren von Filana! Könnte ich sowas je tun?

„Ja", gibt er ganz trocken zurück und schiebt sich den letzten Bissen in den Mund.

„Würde ich nicht tun."

„Ach wirklich? Nein, stimmt. Du lieferst sie direkt an das Ungeheuer persönlich aus!"

Er knüllt die Donuttüte wütend zusammen und schleudert sie auf die Rückbank.
Der Anschnallgurt fliegt zurück und schon zieht er meine Handbremse.

„Bist du verrückt?!", brülle ich, als der Wagen schleudernd zum Stehen kommt.

Mit sehr viel unbegründeter Wut drückt er die Türe auf und springt raus, um danach einen lauten Brüller rauszulassen.

„Was ist los mit dir?! Kannst du mir das mal verraten?", keife ich ihm nach und langsam werde ich sogar nervös!

Verheimlicht er mir was? Ich hasse Geheimnisse. Es ist so ein großes Problem für mich, wenn andere etwas vor mir verbergen. Ich fühle mich hintergangen, ausgegrenzt und nicht wichtig. Nicht wichtig genug, um involviert zu werden.
Vielleicht habe ich so ein großes Problem damit, weil mein Vater nichts anderes getan hat. Ich wurde nie einbezogen. Ich wurde nie aufgeklärt.
Ich wurde nicht gebraucht.
Und jetzt? Jetzt brauche ich niemanden, außer Filana. Denn sie garantiert mir meinen Posten und die Anerkennung meines Vaters, obwohl ich mich langsam frage, ob er das überhaupt wert ist.
Das wird sich noch herausstellen. Ich bezweifle es.

„Ich kann nicht", faselt er aufgebracht und läuft auf dem sandigen Highway- Standstreifen hin und her.

Die Autos rasen nur so an uns vorbei und bringen unsere Kleidung zum Wehen. Das Auto wackelt bei der Geschwindigkeit der anderen Autos und bringt uns dazu, uns vom Auto zu entfernen.
Ich springe über die Leitplanke und schaue Aiden auffordernd an.
Seine Locken sind strubbelig und wehen mit dem Wind nach hinten.

„Du kannst."

Er sieht mich an und seufzt.

„Seitdem ich Filana getroffen habe, bin ich mit meiner Aufgabe unsicher! Sie schien so aufrichtig und ehrlich- ich denke sie hat recht. Die Liebe gibt es nicht. Auch nicht mit Elle. Vielleicht wünsche ich es mir, aber es wird so sein, wie Filana es sagte. Und nun stehe ich im Zwiespalt", murmelt er verloren und fuchtelt aufgebracht mit seinen Händen umher.

„Wenn ich sie ausliefere, wegen irgendeinem Konkurrenzkampf, ist Filana tot, sowie ihre Mafia. Und das umsonst. Liefere ich sie nicht aus, werde ich gejagt und mein Ruf geht den Bach hinunter! Also sag mir, was soll ich tun", fragt er mich verzweifelt und schüttelt den Kopf, als würde er all diese wirren Gedanken loswerden wollen.

Probier es erst gar nicht, mein Freund. Zu oft habe ich versucht diese Gedanken loszuwerden. Entweder werden sie leiser, oder sie tauchen unter für einige Tage. Danach kommen sie lauter und brüllender zurück. Es bringt alles nichts.

„Wieso versuchst du nicht mit Elle zu reden? Sag ihr, dass Filana keine Regeln gebrochen hat! Sag ihr, dass sie Massimo töten musste, weil er sie hintergangen hat. Mit ihrer Schwester!"

Er zieht die Augenbrauen kraus und ist am nachdenken. Es fehlt nur noch, dass Dampf aus seinem Kopf qualmt, aber ich glaube soweit sind wir noch nicht.

„Nur damit du sie dann deinem Vater ausliefern kannst?"

Gute Gegenantwort.

„Nein", lüge ich, denn verdammt- ich weiß, dass ich es tun muss.

„Du willst sie tatsächlich hergeben, nicht wahr?", fragt er enttäuscht und sieht mich mit seinen leeren Augen intensiv an.

So intensiv, dass mir schon anders wird. Es fühlt sich an, als würde er mich durchbohren und mir mehrmals ins Gesicht klatschen.
Ich weiß doch, dass es falsch ist!

„Milano, du weißt, dass er ein schlechter Mann ist, oder? Hör endlich auf, dich für ihn verbiegen zu wollen", sagt er ernst und kommt auf mich zu.

„Der Unfall mit Liana. Daran warst nicht du schuld! Er will, dass du dich schuldig fühlst, damit du dein Leben lang versuchst es gerade zu rücken, indem du ihm den Arsch puderst."

„Wessen Schuld war es dann?", zische ich und verdränge die beißenden Schuldgefühle.

„Es denkt doch sowieso jeder, dass ich es persönlich war, der ihr das angetan hat! Dabei hätte ich dieser Seele nichtmal ein Haar krümmen können. Nichtmal ein böses Wort hätte ich zu ihr sagen können. Dennoch denkt jeder, dass ich ein Ungeheuer bin! Selbst Filana! Also wieso belassen wir es nicht dabei?"

Es bildet sich ein Kloß in meiner Kehle und verhindert mir das Schlucken. Meine Augen werden feucht und ich merke, wie sich das schwarze Loch nähert. Ich werde fallen. Ich spüre es.

„Ich denke das nicht."

Mein Blick huscht hoch zu ihm und starrt in seine ebenfalls feuchten Augen. Ohne Vorwarnung kommt er auf mich zu und zieht mich in eine Umarmung.
Ich kann es nicht beschreiben, aber diese Nähe erleichtert mich.
Wenigstens einer, der an meine Unschuld glaubt. Naja, zwei. Liana weiß es ebenfalls. Sie weiß sogar, wer ihr das angetan hat. Nur leider kann ich sie nicht mehr danach fragen.
Die lebende und vergangene Welt sind leider voneinander getrennt. Sie können uns zwar sehen, aber sie bleiben uns lebenden immer verborgen. Und das schmerzt mich so sehr. Mein Herz brennt und nichts kann dieses Feuer löschen. Erst wenn ich tot bin, dann werde ich-

Dann wird nicht nur dein Herz brennen...

„Lass uns einen Plan machen, wie du deinen Posten bekommst, deinen Vater loswirst, Filana nichts geschieht und ich von Elle endlich die Wahrheit höre. Vielleicht werden wir beide unseren Frieden finden, Milan", flüstert er in mein Ohr und löst sich danach von mir.

Er hält mir überzeugt seine raue Hand hin, auf der ein riesiges Tattoo prahlt, und wartet auf eine Antwort.
Ich schließe meine Augen und stelle mir vor, wie ich ein eigenes Imperium leite, eine starke Frau an meiner Seite habe und... und deinem Vater dafür dankst, der baldig in der Hölle schmoren wird.

Ohne zu Zögern schlage ich ein und drücke fest zu.
Wir schauen uns in die Augen und tauschen einen Blick aus, der nur eines bedeutet.

Vergeltung.

Obsession- Die Zeit renntWhere stories live. Discover now