Capitolo dicianove

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Filana Rodriguez

Es gewittert draußen und die Welt droht unterzugehen, so wie die Bäume am wehen und zittern sind.
Ich liebe dieses Wetter. Die Freude daran teile ich jedoch allein. Mein Bruder fand das noch nie schön, er war immer ein Fan vom Sommer. Nicht, dass ich den Sommer nicht auch toll finde, aber Unwetter und Schnee waren mir schon immer lieber.
In meiner Decke eingekuschelt liege ich vor dem weiten Fenster und schiebe den Laptop auf mir zurecht.

„Hast du was gefunden?", frage ich Ian, der ebenfalls tüchtig an seinem MacBook zugange ist.

„Warte!", ruft er hektisch und scrollt immer weiter und schneller nach unten.

Ich dachte mir nichts dabei, immerhin ging das schon seit zwei Stunden so. Nach dem 6. Mal „Warte" habe ich es aufgegeben.

„DA!", brüllt er mir ins Ohr und fängt sich einen Stoß mit meinem Ellbogen ein.

Zischend reibt er sich seinen Arm und schaut mich düster an, ehe er mir sein Laptop zuwendet.

„Nicht so laut! Wir haben 3 Uhr!", flüster ich angespannt und fange an zu zittern.

Es ist dieses Nervositätszittern. Ich weiß nicht, was mich gleich erwarten wird, das macht mich nervös und unruhig.

„Er hat ein Mädchen getötet. Sie war 16. noch ein Kind!", sagt er entsetzt und zeigt mir die versteckten Unterlagen.

Natürlich wurde das vertuscht. Wer mit der Polizei in Kontakt kommt wird getötet. Das ist das oberste Gesetz bei uns.

„Nein...", flüstere ich und halte mir meine Hand vor den Mund.

„Brutale Misshandlung, mehrfache Vergewaltigung und Bissspuren auf dem ganzen Körper. Ihr Gesicht- verunstaltet", liest er vor und will mir ein Foto zeigen, doch ich klappe den Bildschirm nach unten.

„Das reicht!"

Mama hatte recht. Matt hatte recht. Aurelio auch. Arsen war schlecht! Eine Familie, von der ich mich zukünftig fern halten werde! Alles andere wäre Selbstmord. Wer sowas einem kleinen Kind antun kann, hat mächtig eine Schraube locker. Wie verkorkst muss man sein, um sowas tun zu können?

„Wie heißt sie?", wollte ich wissen und senke traurig den Blick.

„Hier steht nur Liana. Mehr nicht. Geburtsort und weiteres wurde geheim gehalten. Vermutlich wollten die am liebsten alles geheim halten."

Ich höre die Wut in Ians Stimme, als er redet und ich weiß genau, wieso. Ich empfinde es genau so. Ekel, Wut  und Trauer. Welche Schmerzen muss dieses Mädchen nur erlitten haben...

„Beende das Kapitel, Schwesterherz. Finde nichts mehr raus. Bekommen sie Wind davon, dass jemand in ihren Akten rumschnüffelt und Daten hackt, stehen die schneller vor unserer Tür, als du Amen sagen kannst, ok?"

Ich nicke.
Er steht auf, küsst meine Stirn und murmelt müde ein „Gute Nacht" ehe er geht.

Gute Nacht... schlafen würde ich auch zu gerne, aber mir liegt ein Stein im Magen. Und er ist sehr schwer. Ehrlich gesagt lässt mich der Fall nicht los.
Wer war diese Liana? Warum war sie bei diesen Menschen?

Vermutlich haben sie sie her gelockt und ihr dann die Hölle auf Erden bereitet. Es macht mich einfach nur fertig.
Gott sei Dank habe ich mir nicht das Bild angesehen... dann könnte ich für das restliche Jahr nicht mehr schlafen.

-

Die Nacht war ein Alptraum. Ich wälzte mich hin und her, hatte einen Alptraum nach dem anderen und hatte Schweißausbrüche.
Kein guter Start in den Tag, das sage ich jetzt schon mal.

„Ih, wie siehst du denn aus?!", flucht Matt entsetzt und reißt seine Augen auf.

„Psht!"

Er verkniff sich ein Lachen, was mich dazu brachte ebenfalls laut zu lachen.

„Man, man, man. Da will ich echt nicht wissen, was du die ganze Nacht getrieben hast!", witzelt er und schlürft aus seiner Kaffe Kasse, wo Benjamin Blümchen abgebildet ist.

Schon süß.

„Das willst du wirklich nicht", murmele ich eher zu mir und schmiere mir ein Brot mit Marmelade und Käse.

„Also, fangen wir mal mit einer ersten Lektion an, junge Dame", sagt er verschmitzt und richtet sich auf, als würde er gleich eine Präsentation halten.

„Wenn wir schnüffeln, wird bitte gefälligst der Suchverlauf gelöscht und jegliche Anfrage auf Akteneinsicht!"

Shit.

-

Beleidigt sitze ich im Wohnzimmer und kaue auf meinen Fingern herum. Es macht mich sauer, dass keiner dem Arsen Fall auf den Grund gehen will! Wieso nimmt das jeder so leichtfertig hin?

„Jetzt hör auf zu schmollen", lacht Felicia und gesellt sich zu mir.

„Wieso benimmst du dich seit Tagen so komisch?", rutscht es mir heraus.

Sie verstummt und schaut mich einfach nur an, ohne ein Wort zu sagen.

„Kümmer dich um deine eigenen Sorgen, Liebes", murmelt sie und streicht ihre grauen Haare nach hinten.

„Fe- Mama. Sag es mir."

„Ach, ich habe nur eine alte Bekanntschaft gemacht, von der ich dachte, dass sie- dass sie nicht mehr lebt."

Sie lügt. Zumindest sehe ich ihr an, dass sie mir was verschweigt. Sie redet nicht mit mir, aber das ist okay. Auch das werde ich noch herausfinden, denn wenigstens ist mir nicht alles egal.

„Ok", sage ich monoton und zucke mit den Schultern.

Ist schon ok, wenn sie nicht mit mir sprechen möchte. Dann ist es so.

„Du denkst noch über diesen Milan nach, oder?"

Ich nicke.

„Verschwende nicht deine Zeit. Wer nichts zu verheimlichen hat, versteckt auch nichts. Sie verstecken alles und jede Information über sich, also sei klug und zähle 1 + 1 zusammen."

Sie steht auf und geht wieder, wie die letzten Tage auch, zurück auf ihr Zimmer um dann wieder stundenlang nichts zu sagen oder machen. Toller Tagesablauf, Felicia. Echt klasse.

+39 17207161891

Komm morgen runter an den Hafen. Ich habe dir was zu sagen.

~ MA

Panisch werfe ich mein Handy ins Kissen und fasse mir an mein verrückt schnell schlagendes Herz.

Ist es Milan?
Natürlich! Wer denn sonst?!

Werde ich dahin gehen? Nach allem was ich gehört und gesehen habe, will ich das nicht! Aber vielleicht bekomme ich Antworten auf meine Fragen...

Obsession- Die Zeit renntWhere stories live. Discover now