Kapitel 58 - Der Abgesang

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3 Tage später


England, Westküste
Devonshire, Wales
Exeter Central Station
8. November 1898, 14:26 Uhr


Ein lautes Zischen und Rattern drang von Außen in das Abteil. Ein kurzes Ruckeln begleitete den anfahrenden Zug, dann begann das monotone Zischen und Stöhnen sowie das stete Schaukeln. Die Sitzbänke der Ersten Klasse waren weich und bequem, federten die Bewegungen auf den Schienen ab und Kyle dankte Gott - welchem auch immer - dass er keine weitere Nacht in den grauenhaften Betten in St. George mehr zubringen musste. 


»Mr. Crowford? Hören Sie mir überhaupt zu?«


Kyle stieß ein tonloses Seufzen aus, dann öffnete er die Augen und sah Dr. Archer an, der mit überschlagenen Beinen, sein Notizbuch auf dem oberen Schenkel abgestützt, den Blick auf ihn gerichtet hatte. Kyle schnalzte mit der Zunge und raffte seinen Kopf von dem weichen, dunkelroten Seitenpolster.
Da sie ihren Auftrag in St. Georg abgeschlossen hatten, schien Dr. Archer nun wieder zu den üblichen Förmlichkeiten überzugehen.


»Ich denke, über das Mr. Crowford sind wir hinaus?« meinte Kyle und zog die schmalen Augenbrauen ein wenig höher. »Sie können mich auch weiterhin Kyle nennen, Mr. Archer. Falls Sie das wünschen.« bot er großherzig an und übersah das Schmunzeln nicht, dass sich daraufhin in die Mundwinkel des Doktors grub. Nur enge Bekannte duzten sich in der englischen Gesellschaft. Doch nachdem sie sich gegenseitig mehr als einmal das Leben gerettet hatten und praktisch gemeinsam durch die Hölle gegangen waren, erschien ihm das doch als angemessen. Dr. Archer nickte nur zustimmend und beide Männer waren sich bewusst, dass sich trotz der kurzen Zeit für sie viel verändert hatte.


»Musstest du dieses alte Ding unbedingt mitnehmen?« Dr. Archer deutete auf ein langes, in Kyles zerfetzten Mantel eingewickeltes Gepäckstück, das auf der Gepäckablage lag.


»Dieses 'alte Ding' war in der Lage einen Dämon zu töten. Und nach dem was Annabeth erzählt hat, war es dieses Schwert, was ihn all die Jahre in der Höhle festgehalten hat. Es ist keine gewöhnliche Klinge und ich werde es sicher nicht mehr so einfach hergeben.« meinte der Magier und grinste selbstzufrieden. »Sieh das Schwert als meine persönliche Trophäe, wenn du es so willst.«


Der Doktor stieß einen leisen Ton aus, der beinahe wie ein Lachen klingen mochte. Sein Arm hing in einer Schlinge, verbunden und geschient von einem Arzt in Exeter, der sich der Verletzungen des Doktors angenommen hatte. Kyles Verwundungen hingegen, vor allem die seines linken Armes, mussten von Dr. Archer versorgt werden. Einem Doktor aus Exeter wären geschwärzte Adern und Wundränder nur schwerlich zu erklären gewesen, noch weniger derartige Wunden, die nicht in der üblichen Zeit zu heilen vermochten. Unter dem langen Ärmel seines Jacketts, befand sich sein Arm aus diesem Grund ebenfalls in einer sorgsam verschnürten Bandage.


Beide Herren waren inzwischen von Blut und Schlamm gereinigt und wieder ihrem Stand angemessen hergerichtet. Sie trugen wieder saubere Kleidung, waren rasiert und frisiert. Nach den letzten Tagen, die hektisch und voller taktischer Entscheidungen über das weitere Vorgehen gewesen waren, freute sich der Magier auf sein Heim, Bett und seine gewohnte Umgebung in London.


»Wann werden Mrs. Jäger und Annabeth nachkommen?«


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