Kapitel 21 - Das rote Tuch I.

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England, WestküsteDevonshire, DartmoorSt

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England, Westküste
Devonshire, Dartmoor
St. George, Haus der Familie Walsh
5. November 1898, 02:11 Uhr


Seit Tagen schlief sie unruhig. Nein, eigentlich waren es nicht nur Tage... es waren Wochen. Etwas mehr als zwei, um genau zu sein. Seit man Maries Leiche unter all dem Pech gefunden hatte, ließ es Sandra keine Ruhe. Auch wenn Marie sich immer für etwas Besseres gehalten hatte, nur weil sie als Tochter der Dorfvorsteher zur Welt gekommen war, war jene dennoch ihre Freundin gewesen. Was ihr zugestoßen war, konnte sie noch immer nicht fassen. Was sie jedoch sehr viel mehr beunruhigte, war etwas ganz anderes. Spinnerei, vielleicht auch Hirngespinste. Eigentlich war sie, Sandra Walsh, gar nicht so abergläubisch.

Doch seit Walter der Wirt so plötzlich verstorben war, und das auch noch an All Hallows Eve, wollte sie dieser Gedanke einfach nicht loslassen. Das Geschwätz, man sollte die alte Familie Jäger nicht verärgern, weil sie einen sonst mit einem Fluch belegen könnten. Es war Unsinn. Natürlich war es das. Und doch - drei Menschen waren tot. Nicht lange war es her, da hatte der Pater die alte Jäger aus seiner Kapelle geworfen. Nun war er tot. Auch Marie spottete oft öffentlich über ihre Wurzeln und Walter der Wirt verkaufte immer wieder Lebensmittel zu komplett horrenden Preisen an die alte Frau. Sie hatte mitbekommen, wie die Alte vor einigen Wochen klagte, die Preise seien zu hoch und sie könnten sich kaum mehr etwas leisten. Konnte das alles Zufall sein? Maries Unfall war so seltsam gewesen. Es ließ sie nicht los. Es gab unendlich viel Geschwätz um die Familie Jäger. Davon, dass sie aus Deutschland geflohen wären. Dass die alte Jäger eine Hexe sei und für den Tod ihres Sohnes und seiner Frau Rache üben wollte, die hier in St. George in einem Feuer umgekommen waren. Bis heute wusste niemand, was den verheerenden Brand des Hauses am Dorfrand ausgelöst hatte.

Sandra hatte einmal zwei alte Waschweiber tuscheln hören, dass es vielleicht gelegt worden sei. Aber das war alles sehr weit hergeholt. Genauso wie die Behauptung, das alte Weib sei eine Hexe. Es stimmte, ihr Haus lag abseits und sie wirkte wirklich ein wenig unheimlich und verschroben. Für Sandra war sie jedoch immer einfach nur eine alte Dame gewesen. Sie aber war nun einmal nicht die 'Anführerin' gewesen und niemand wagte es, sich mit Marie anzulegen. Also beschimpfte sie in Maries Anwesenheit die alte Frau, drangsalierte die kleine Jäger und beleidigte auch sonst jeden im Dorf, den Marie nicht ausstehen konnte. Doch jetzt wälzte sich Sandra ständig des Nachts hin und her und fragte sich, ob sie mit ihren Ängsten und Vermutungen nicht doch vielleicht einmal zu Mr. Baltimore gehen sollte? Gleichzeitig war sie sich sicher, dass er sie nicht ernst nehmen oder sie für verrückt halten würde. Diese hin und her schwingenden Gedanken begleiteten Sandra in einen unruhigen Schlaf.

Sie träumte von Pech und Gräbern. Davon, dass Marie ihr Vorwürfe machte und versuchte, sie an ihrem Kleid zu sich in die Tiefe zu zerren. Als Sandra mit wild pochendem Herzen erwachte, blinzelte sie verwirrt und schlaftrunken in die Düsternis ihres Zimmers. Durch den Spalt zwischen ihren Vorhängen warf der Mond einen schmalen Streifen Licht in ihre Kammer.

Die Akte GrimmWhere stories live. Discover now