Kapitel 36 - Die Gehängte

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England, WestküsteDevonshire, DartmoorSt

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England, Westküste
Devonshire, Dartmoor
St. George, Skirrid Inn
5. November 1898, 18:22 Uhr


Elly bemaß ihn aus den schmalen Schlitzen ihrer Augen. Zuerst glaubte er, dass sie doch viel klüger war, als er sie eingeschätzt hatte. Durchschaute sie, dass er sie ausspielte?

Doch dann stieß sie die ebenso angehaltene Luft aus und ließ den Arm, an dessen Ende Dr. Archer wie ein Fisch an der Angel baumelte, langsam sinken. Scheinbar funktionierte es. Die Füße des Doktors kamen mit den Zehenspitzen wieder auf das Holz der Dielen. Die Spitzen seiner Schuhe scharrten über den Boden und mischten sich auf eine groteske Weise in den Klang der Szenerie.

Zwei Tote waren es bereits, schnell konnten es drei oder vier werden. Die Finger des Doktors schlossen sich immer noch um den Arm des Mädchens. Er versuchte verzweifelt und kraftlos nach ihr zu schlagen, doch Elly schien seine Versuche, sich zu wehren, nicht einmal wahrzunehmen. Seine Kraft reichte nicht aus, um ihren Griff zu lösen oder zu lockern.

Kyle spürte sein Herz ungeduldig pochen.

»Wie haben Sie es gemerkt?«, meinte Elly dann, ihre Stimme verständnislos und misstrauisch, »Wie konnten Sie meinem Zauber widerstehen?«

Kyle ließ die Hände ein wenig sinken und streckte sie leicht vor sich aus. Ganz langsam machte er einen halben Schritt vor, dann noch einen. In keiner Sekunde löste er seine Augen von den ihren. Dieses Gespräch war ein Balanceakt, ein Hindernisparcours auf einem gefrorenen See aus dünnem Eis. Ein falscher Schritt in die falsche Richtung und die Situation konnte kippen.

»Ich kenne mich mit solchen Dingen aus. Und ich kenne Leute, die Ihnen helfen können.« Noch während er es sagte, hörte er förmlich das Knacken des dünnen Eises unter seinen Füßen. Er sah den Umschwung in ihrer Miene. Wie die Neugier sich in Zorn wandelte.

»Leute dir mir helfen können?«, zischte sie hervor und der Doktor röchelte, als der Griff um seine Kehle sich wieder enger schloss. Kyle spürte das Kribbeln in seinen eigenen Gliedern, wie es sich in seinen Fingern entladen wollte. Er wollte eingreifen. Wenngleich es hieß, sie anzugreifen. Doch er wusste, dass seine Zauber dabei auch den Doktor verletzen konnten.

»Ich bin nicht krank!« Mit jedem Wort nahm ihre Stimme an Oktaven zu und kletterte höher.

»Nein nein nein! So habe ich das nicht gemeint, Miss Elly!«, meinte Kyle schnell und trat wieder einen halben Schritt zurück. »Ich weiß, dass sie nicht krank sind!«, sagte er, doch hörte es sich dieses Mal nicht so überzeugend an, wie er es sich gewünscht hätte. Draußen grollte der Donner und ein Blitz erhellte den Innenraum. Es war wie ein Bühnenstück, welches sich unweigerlich dem letzten Akt näherte.

»Dieser Mann hat Ihnen etwas Furchtbares angetan«, setzte der Magier neu an. Und DAS war die Wahrheit. Er verstand es wirklich und vermutlich gäbe es niemanden, der es nicht täte. Es war ekelhaft und abscheulich. Das machte das gesamte Bild, welches sich hier ergab, nicht ungeschehen. Aber für den Augenblick musste er mit den Worten spielen. Normalerweise fiel es ihm leichter. Nun jedoch hielt eine Hexe mit den Kräften einer Würgeschlange das Genick seines Partners in ihren Fingern.

Die Akte GrimmWhere stories live. Discover now