Kapitel 15 - Die Gerechtigkeit II

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England, WestküsteDevonshire, DartmoorSt

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England, Westküste
Devonshire, Dartmoor
St. George, Rathaus
4. November 1898, 12:45 Uhr


Schwer wie grollendes Gestein senkte sich die Stimmung über die Anwesenden in der Amtsstube. Dr. Archer erhob sich, trat einen Schritt auf den Schreibtisch des Bürgermeisters zu und seine Hand glitt unter sein Jackett. Silber schimmerte im matten Licht des Tages und kletterte über die Oberfläche hinweg, als er dem Bürgermeister den Flachmann entgegenhielt.

Der Mann griff mit bebenden Fingern danach und warf dann den Kopf in den Nacken. Der auffallende Adamsapfel hüpfte bei den kräftigen Schlucken auf und nieder, die er aus der Flasche nahm.

Die anderen Anwesenden ließen ihm Zeit, bis er die Flasche mit einem leisen Dank absetzte und zurückreichte. Der Doktor sagte nichts. Er schraubte einfach den Deckel zu und nahm wieder Platz. Dann schlugen ihre Herzschläge zehn stille Takte, die jeder benötigte, um sich zu ordnen.

»Mr. Mosten. Wir sind nur hier um sicherzugehen, dass es sich bei den Vorfällen wirklich um Unfälle handelt. Sollte dem aber nicht so sein, verdienen die Angehörigen aller drei Opfer Gerechtigkeit«, meinte Kyle vorsichtig und diesmal blinzelte der Mann, runzelte die Stirn und wischte mit bebenden Fingern über seine Lippen.

»Drei?« Klang es dann ein wenig rauer aus dem Mann und er schien, als könne er nicht folgen.

»Pater Ewans, Ihre Tochter Miss Mosten und Mister Andrews, Herr Bürgermeister«, setzte nun wieder Baltimore ein. Auch seine Stimme war mit Samt umschlagen, ehrliches Bedauern, das jedoch den Beamten und ehemaligen Soldaten nicht gänzlich kaschieren konnte. Der Bürgermeister wirkte weniger überrascht, als er es vielleicht hätte sollen.

»Walter starb an einer Blutvergiftung«, erwiderte er. Doch wie er es laut aussprach, klang es selbst für ihn etwas unrund.

»Joseph«, setzte Baltimore nüchtern an, »Walter war ein sehr robuster Mann. Er konnte die großen Fässer Ale tragen, als wären es Waschkörbe«, meinte der Büttel ernst. »Wir haben gesehen, wie er sich mit Messern geschnitten, die Finger fast mit dem Fleischhammer zertrümmert und die Grippewelle vor vier Jahren nur mit Schnupfen überstanden hat. Doch dann sticht er sich an den Stricknadeln seiner Gattin und stirbt daran. Du musst zugeben, dass das nicht schlüssig klingt.«

Jetzt warfen sich Kyle und Dr. Archer ebenfalls Blicke zu. Bisher hatten sie nur gehört, dass es eine Blutvergiftung gewesen war, doch die Details waren ihnen vorenthalten worden. An Stricknadeln gestochen? Wenn sie es so hörten, dann klang es immer weniger glaubhaft.

»Wie viel Zeit exakt verging von der Verletzung, bis der Tod eintrat?«, fragte Dr. Archer fachkundig und der studierte Doktor kam zum Vorschein wie ein Stein, der von rauem Wind von Schnee frei geweht worden war. Kyle bemerkte, wie der Arzt den Blick auf Constable Baltimore richtete, statt auf den Bürgermeister.

»Das kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Laut seiner Frau und Elly verletzte er sich am Abend. Nach den Aussagen der beiden stach er sich an der Stricknadel und fühlte schon kurz darauf nicht gut. Er ging früher als gewöhnlich zu Bett und am nächsten Morgen lag er bereits mit schwerem Fieber darnieder. Man schickte nach einem Doktor, doch bis dieser am Abend eintraf, war er bereits verstorben«, gab der Constable wahrheitsgemäß Auskunft.

Die Akte GrimmWhere stories live. Discover now