Kapitel 50 - Das Biest

158 60 7
                                    

England, WestküsteDevonshire, DartmoorDyowl's Hollow – Wälder von Dartmoor5

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

England, Westküste
Devonshire, Dartmoor
Dyowl's Hollow – Wälder von Dartmoor
5. November 1898, 22:41 Uhr


Das Monster schoss so schnell auf ihn zu, dass er kaum Zeit hatte abzudrücken. Obwohl Bens Muskeln bereits zum Zerreißen gespannt gewesen waren und er den Finger nur hätte krümmen müssen, erschien es ihm wie eine Ewigkeit, bis der Lichtblitz endlich den Schuss löste. Es knallte, der Lärm zerriss die gespenstische Stille und die Kugel zog einen kurzen Schweif aus Mündungsfeuer, Rauch und Funken hinter sich her.

Das Projektil durchschlug den wabernden Körper, der sich mit übermenschlicher Geschwindigkeit bewegte. Der finstere Schatten mit glühenden Augen schoss durch Nebelfetzen und Dunkelheit auf ihn zu. Benjamin sprang zur Seite und seine Beine flogen über den blatt-übersäten Boden. Innerhalb einer Sekunde wurde der Jäger zum Gejagten.

Er spürte, wie ein Hieb ihn knapp verfehlte. Der Luftzug streifte an seinem Hals und seiner Schulter vorüber und er drückte erneut ab. Klickend drehte sich die Trommel seines Revolvers und ein neues Donnern drang hallend in die Nacht. Ben sah, wie die Kugel in die Schulter der Gestalt drang. Die Wucht riss den Körper schräg zur Seite und drängte das Monster zumindest ein Stück zurück. Dann schlug Ben einen Haken und stürmte auf das kleine Mädchen zu. Hinter ihm wirbelte Erde und Blattwerk unter seinen gehetzten Schritten auf. Kurz ehe er sie erreichte, hörte er ein drohendes Geräusch von sich näherndem Laubrascheln und Ben zog den Revolver erneut zum Schuss nach vorn.

Ben zielte auf die Fratze, überzogen mit der Haut aus schwarzem Leder, glühenden Augen und einem aufgerissenen Maul voller Reißzähne. Das Gesicht war verzogen zu einem einzigen Ausdruck von Blutdurst, Schadenfreude und Mordlust. Lange Klauen reckten sich ihm entgegen, bereit, seine Kehle zu zerfetzen und der Sammlung an Knochen in den Höhlen noch ein paar weitere hinzuzufügen.

Ein Feuertrommeln setzte schnelle Paukenschläge in die Stille. Benjamin drückte ab. Wieder und wieder. Bis das Klackern der leeren Trommel erklang und selbst dann noch zwei, dreimal mehr. Die Bestie brüllte auf vor Zorn. Eine dickflüssige Masse quoll aus den Wunden, befleckte den formlosen Körper mit einer glänzenden Flüssigkeit wie Öl und verlor sich dann in den schwarzen Schattenschwaden.

Sofort fuhr Bens Hand zu seiner Seite und griff nach der kleinen ledernen Tasche, in der er die Munition aufbewahrte. Kalte Hülsen schmiegten sich in seine Finger. Sie klickten dumpf, als er sie mit geschickten, schnellen Griffen in die leeren Röhren schob und die Trommel wieder schloss. Erst als er für Munitionsnachschub gesorgt hatte, wagte es sein Blick zu dem kleinen Mädchen zu fahren.

Ihre Miene war vollkommen entspannt, eine Locke fiel ihr über das Narbengeflecht auf ihrem Gesicht und die kleinen Lippen standen ein wenig geöffnet. Ganz so, als hätte sie die ohrenbetäubenden Schüsse oder den Kampf um sie herum gar nicht erst gehört. Benjamins Finger fuhren ruckartig zu dem kleinen Hals. Erleichterung überschwemmte ihn: Sie atmete noch. Regelmäßig und ruhig. Ihr Puls schlug unter der weichen, dünnen Haut beständig, beinahe so, als wäre sie einfach nur am falschen Ort zur falschen Zeit eingeschlafen.

Die Akte GrimmWhere stories live. Discover now