Kapitel 9 - Das stille Herz

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England, WestküsteDevonshire, DartmoorSt

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England, Westküste
Devonshire, Dartmoor
St. George, Skirrid Inn
3. November 1898, 22:08 Uhr


Dank Dr. Archers kurz angebundener Art und Kyles dumpfem Kopfschmerz sowie der Erschöpfung der Reise, waren sie nicht mehr lange mit dem Constable in der Stube geblieben. Nach den Getränken und einer kleinen Abend-Stärkung in Form von würzig duftendem Kräuterbrot und einer Platte mit Wurst und Käse waren sie Elly deshalb schließlich in das obere Stockwerk gefolgt.

Die Zimmer, die man ihnen überließ, waren... nett. Nett in dem Sinne, dass weder Kyle noch Dr. Archer Räumlichkeiten wie im Savoy Hotel erwarteten. Inständig hatten sie jedoch auf ein paar mehr Annehmlichkeiten gehofft, als in einem der Rattenlöcher an den Docks geboten wurde. Das erfüllten die Zimmer zwar, allerdings konnte man nicht ansatzweise von Komfort sprechen. Die kleinen Räume waren spärlich und altmodisch eingerichtet. Ländlich, hätte Dr. Archer dazu bemerkt. Bäuerlich, hätte Kyle kommentiert.

Etwa eine halbe Stunde nachdem Elly sich verabschiedet hatte, klopfte es bei Dr. Archer und Kyle stand an der hölzernen, bereits von vielen Jahren gebleichten Tür. In der Hand trug er den kleineren Aktenkoffer, dem seine Sorge während der Reise ganz besonders gegolten hatte. Den schweren Wollmantel und seinen Gehstock hatte der jüngere Sucher abgelegt, ansonsten war er noch immer schick und unbequem bekleidet wie zuvor. Dr. Archer hingegen hatte sich sowohl seines Jacketts, als auch der Weste entledigt und empfing den anderen Sucher leger im Hemd. Er ließ Kyle eintreten, dann schloss er hinter ihm die Tür. Kyle war einen Moment dahinterstehen geblieben und besah sich den Raum des Arztes.

Das Zimmer besaß, genau wie das seine, nur ein Fenster zum Hinterhof. Man hatte entweder keine Zeit gehabt, es anständig zu reinigen, oder es als ausreichend empfunden, so wie es war. Ein grauer Atem aus Staub schwebte im wenigen Licht der Öllampe, welches auf die Dielen fiel. Die Vorhänge waren dick und rochen genauso schwer nach getrocknetem Lavendel, wie der Rest des Raumes. Auf dem Boden lag ein ausgetretener Teppich, dessen Farben fast zur Gänze verblasst waren. Fäden lösten sich bereits vom Gewebe und zerstreuten sich mit kleinen Wollmäusen in den Ecken. Ein Bett mit einem winzigen Nachttisch stand an einer Wand, ein Waschtisch mit einer Schüssel und ein niedriger Stuhl in einer anderen. Eine kleine Kommode mit einem bereits teilweise erblindeten Spiegel zierte die andere Seite des Raumes, direkt neben einem kleinen Ofen, in dessen Schlund ein Feuer leise knackte. Einen Kleiderschrank oder etwaige andere Annehmlichkeiten wie weitere Sitzgelegenheiten suchte man vergeblich. In seinem eigenen Zimmer hatte Kyle inzwischen das Fenster geöffnet, damit etwas Nachtluft hereinströmen konnte, in der Hoffnung, der abgestandene Geruch würde dort weichen.

Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, trat der Doktor an ihn heran. »Ist etwas vorgefallen?« Mangels besserer Optionen deutete er ihm auf den einzigen Stuhl, der neben dem Waschtisch stand.

Kyle schüttelte verneinend den Kopf und ein paar Strähnen des dunklen Haares fielen ihm über die Augen. »Nein, das nicht. Der Fund im Wald treibt mich nur um.«
Sein Kopf dröhnte. Ein pochender Stich, der immer wieder hinter seine Augen und von innen gegen die Schädelwand drückte. Er sehnte sich nach Schlaf und Ruhe. Schon seit frühester Jugend lag er die ganze Nacht wach, wenn ihn etwas beschäftigte. Egal, wie sehr er sich darüber grämte, am Ende suchten seine Gedanken immer weiter und weiter nach Lösungen. Manchmal selbst in den unruhigen Träumen, die auf solche Abende zumeist folgten. »Wir wissen nicht, womit wir es hier zu tun haben. Wenn du keine Krankheit oder eine andere Todesursache an dem Vogel findest, ist es vielleicht Dunkle Magie.«

Die Akte GrimmWhere stories live. Discover now