Kapitel 45 - Der letzte Atemzug

Comincia dall'inizio
                                    


»Fahr zur Hölle du verdammter Bastard!« blaffte Kyle aus dem Innern des engen Schachtes nach oben und seine Finger gruben sich um die raue Form eines flachen Gesteins am Brunnenrand. Doch aufgrund seiner Handschuhe rutschte er noch viel leichter ab und zog Schlieren in das matschige Grün. Dann, mit einem Mal, konnte er gar nichts mehr sagen.


Als hätte ihm jemand den Kopf unter das Wasser gedrückt, zerrte ihn ruckartig massige Kraft unter die Oberfläche. Erschrocken japste er, schluckte etwas Wasser und stieß aus Reflex einen erschrockenen Aufschrei aus. Große und kleine Luftblasen trudelten wild durch das finstere Gewässer nach oben. Er verlor wertvolle Luft aus seinen Lungen, ehe sein Verstand anrollte und er die Lippen fest zusammenpresste.


Kyle versuchte zu begreifen, was da gerade geschah. Sein Mantel war schlagartig schwer wie Blei, der Stoff zog ihn gnadenlos in die Tiefe des Brunnens. Er versuchte sich irgendwo und irgendwie zu halten. Doch mit den Lederhandschuhen und den glattem Stein hatte er keine Chance.


So sank er im wahrsten Sinne in rasender Geschwindigkeit wie ein Stein immer tiefer und tiefer. Dachte er gerade noch, oberhalb wäre das Wasser kalt, so erfasste ihn nun zunehmend bissige, bittere Kälte. Sie ließ seine Muskeln krampfen, steif werden und unter heißen Nadeln auch ohne seinen Zauber brennen wie Feuer.


Fahrig tastete Kyle an sich herunter, folgte dem Zug an seinem Körper nach und spürte harte Wölbungen unter dem Stoff. Schwere Brocken aus hartem Fels überall! An seiner Brust, in den Innen- und den Außentaschen! In jedem seiner geheimen Verstecke, in denen er sonst die Paraphernalien seiner Zauber in seinen maßgeschneiderten Mänteln und Anzügen verbarg. Beinahe so, als hätte sich jeder Gegenstand den er bei sich trug, in einen verdammten Stein verwandelt. Das Gewicht zog ihn nach unten, riss an ihm und ließ ihm mit noch so viel Gegenwehr, Strampeln und verzweifeltem Paddeln keine Chance. Sein erster Gedanke war es natürlich, das Gewicht zu entfernen. Doch er konnte nicht in die Taschen greifen und die Last die ihn herunter zerrte entfernen- denn da waren keine Öffnungen mehr, die es ihm ermöglicht hätten!


Kyle sank und sank. Ein eiskalter Gedanke fragte sich, wie tief dieses verdammte Loch denn nur sein konnte. Der Druck des Wassers schloss Geräusche aus und hinterließ um ihn herum nur bodenlose Finsternis. Dann erreichte er unvermittelt den Grund des Brunnens. Es war schlammig und sein Körper sowie seine Gegenwehr wühlten den Morast in dem schmutzigen Gewässer noch mehr auf.


Kyles Augen schmerzten wie die Hölle, sodass er krampfhaft dagegen anblinzeln musste. Er zwang sich dennoch, sie offen zu halten. Blanker Überlebenswille rauschte mit Adrenalin durch seine Adern. Über ihm war nur ein kleiner Fleck Licht zu erkennen, doch er schien unendlich weit entfernt. Rotes Flackern leuchtete dort oben über dem braunen Gewässer, in dem die Blasen seiner Luft aufstiegen und Kyle glaubte, dass dieser dreckige Bastard dort oben stand und dabei zusah, wie er hier unten jämmerlich wie eine räudige Katze ersaufen würde. Doch dann verschwand dieses gottverdammte Flackern. Er war es nicht einmal wert, sich seines Todes zu versichern! Das Blut rauschte in seinen Ohren und mit einem winzigen, zwischen Panik hervorblitzenden klaren Gedanken schwor er sich, diesen Bastard mit seinen eigenen Händen umzubringen, wenn er hier herauskam!


Kyle kniff die Augen zusammen, blinzelte erneut durch das von Dreck durchzogene Gewässer. Er erkannte nichts in der Dunkelheit hier unten. Halb in der Hocke, tastete er zu seiner Brust. Ausziehen! Er musste den Mantel loswerden! Kyles Finger fuhren zu seiner Knopfleiste und wollten den Mantel, der gefüllt war mit den verheerenden Steinbrocken, von seinem Körper schälen. Dann könnte er wieder nach oben und das verfluchte Ding musste trotz seiner Materialien hier unten am Grund des Brunnens bleiben!


Doch auch diese Hoffnung zerbrach. Kyles Gedanken liefen ungläubig für eine Sekunde blank. Verzweiflung schwemmte unaufhaltsam in seinen Geist wie eine Flutwelle, die einen bereits morschen Damm niederriss und sich in das Tal ergoss um dort alles hinfort zu reißen. Da war nichts, das sich öffnen lassen könnte! Keine silbernen Knöpfe, nicht einmal mehr der Schlitz der beiden Mantelhälften oder gar eine Naht. Als wäre der Mantel zu einer zweiten Haut verschmolzen.


Nun waren alle Gedanken fortgewischt und nichts Beständiges mehr übrig. Blanke Panik erfüllte den Magier, seine Finger griffen in den festen Wollstoff, zogen und zerrten. Nun ließen seine Finger auch den Zauberstab los, denn keine Kapazität seines Verstandes dachte mehr an einen Vorteil im Kampf. Der Stab trudelte herunter, das Metall zog ihn in den morastigen Grund wie einen Anker. Kyle konnte nur noch an das Bedürfnis von Luft denken. Atmen. Seine Lunge brannte, drückte, sein Verlangen den Mund zu öffnen und nach Sauerstoff zu schnappen, ließ ihm schwindeln. Er konnte nur noch einen Gedanken stolpernd greifen: Zu Überleben und daran, diesen Mantel los zu werden! Egal wie!


Doch nassen Stoff zu zerreißen war schon unter normalen Umständen so gut wie unmöglich. Kyle war noch nie der Stärkste gewesen. Unter Wasser, wo der Körper so viel seiner Kraft einbüßte, hatte er nicht den Hauch einer Chance. Seine Muskeln zitterten bereits, seine Finger rutschten immer wieder von dem nassen Stoff. Kyle zerrte sich die Handschuhe von den bebenden Fingern, in der Hoffnung mehr griff zu bekommen. Vergeblich. Die Kälte und die Anstrengung machten es ihm schwerer.


Sein Brustkorb wurde enger und enger, die Luft weniger. Er wollte Atem holen. Er konnte einfach nicht mehr. Mit windendem Brustkorb öffnete er tatsächlich den Mund, ehe er selbst verstand, was er da tat. Wasser schwemmte in seinen Mund, er wollte husten, diesen widerlichen Geschmack ausspucken- doch bekam er noch mehr Wasser in die Lunge. Die Welt um ihn herum begann zu verschwimmen und er riss heftiger an dem verdammten Mantel. Seine Fingerspitzen brannten regelrecht von der Kälte, sie waren steif. Er zerrte und zerrte und bekam den Stoff doch nicht von sich fort. Er scheiterte daran, genug Kraft aufzubringen.


Kyle konnte kaum noch klar denken. Sein ganzer Körper zitterte. Vor Kälte, vor Panik, von der Angst vor dem Sterben. Er wand sich, riss an dem Mantel, strampelte. Er schrie. Wasser presste ihm die Kehle hinab. Wasser, überall. In seinen Augen, seiner Nase, seinem Mund. Vor seinen Augen tanzten bereits schwarze, flimmernde Punkte und der Tunnel zog sich enger.


Lass los und ich rette uns.


Oops! Questa immagine non segue le nostre linee guida sui contenuti. Per continuare la pubblicazione, provare a rimuoverlo o caricare un altro.
Die Akte GrimmDove le storie prendono vita. Scoprilo ora