Der Gedanke aufzuhören

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Jake stand auf und stellte seinen Laptop vom Schreibtisch rüber auf den Couchtisch.

Er verschwand in die Küche, hob die Scherben der zerbrochenen Tasse auf und kam zurück mit einem Glas Wasser, das er mir reichte.

Zitternd nahm ich es entgegen und umfasste es fest mit beiden Händen. Er ließ sich wieder zu mir auf die Couch nieder.


„Wie fange ich an?", flüsterte er sich selbst zu, den Blick zum Boden gesenkt.

Ich schwieg und wartete nervös darauf, was er mir gleich sagen würde.

„Als Hannah deine Nummer an Thomas verschickte, leitete sie diese Nachricht ebenfalls an mich weiter. Darauf folgte eine weitere Nachricht von ihr, die nur an mich ging, lediglich mit den Worten 'beschütze sie!' darin."

Ich verstand nicht was das zu bedeuten hatte.

„Wieso solltest du mich beschützen? Und woher hatte sie überhaupt meine Nummer? Ich kenne sie doch gar nicht." Mir wurde schwindelig von den vielen Fragen und Eindrücken, die mir die letzten Wochen durch den Kopf gingen.

Jake schüttelte nur den Kopf, er schien genauso ahnungslos zu sein wie ich.


Er drehte sich zu mir herum, bis er mir gerade gegenüber saß, nahm mir das Wasserglas aus der Hand und stellte es auf den Tisch. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich so stark gezittert hatte, dass das Wasser aus dem Glas über geschwappt war. Er sah mir kurz in die Augen und wandte seinen Blick schnell wieder von meinem ab. Er griff mit beiden Händen nach meiner Hand und hauchte einen leichten Kuss darauf, ehe er unsere Hände in seinen Schoß sinken ließ, meine Hand noch immer fest in seinen. Er wollte mich ansehen, doch er konnte nicht, ich spürte es fiel ihm schwer auszusprechen was er mir zu sagen hatte.


„Nachdem Angriff auf Richy hackte ich seine Cloud. Es musste einen Zusammenhang geben, die Art wie er und Hannah angegriffen wurden, war so ähnlich, fast identisch. Ich hoffte in seiner Cloud ebenfalls auf Hinweise zum Fall zu stoßen."

„Und? Hast du etwas brauchbares gefunden? Und weshalb hast du mich nicht eingeweiht? Ich hätte dir doch helfen können, genau wie mit Hannahs Cloud." warf ich ein.

„Ich wusste wie wichtig Richy dir war und dass du einen guten Draht zu ihm hattest. Bevor du wichtige Hinweise mit der Gruppe geteilt hast, hast du dich meist zuerst an ihn gewandt. Ihr machtet ständig eure Witze", schmunzelte er. „und ward fast immer der selben Meinung."


Der Ton seiner Stimme klang bedrückter als er fortfuhr. „In der Cloud eines Freundes herumzuschnüffeln ist nicht so einfach wie in der Cloud eines fremden. Ich wollte dich damit nicht belasten. Der Angriff auf Richy hatte dich ohnehin schon genug mitgenommen."

„Du hast Recht, vermutlich hätte ich nach dem was ich sah nicht mehr objektiv an die Sache ran gehen können und hätte ich etwas in der Cloud gefunden was dafür spricht das... Das Richy der Täter ist...", ich konnte den Satz nicht beenden.

Jake nickte verständnisvoll.


Er lehnte sich auf dem Sofa zurück, streckte die Beine aus und zog mich an seine Brust. Er umarmte mich und gab mir einen sanften Kuss aufs Haar. Ich schloss meine Augen um die Tränen die sich gerade den Weg bahnten zu unterdrücken


„Lea, ich weiß, dass ich dich nicht umstimmen kann, aber bevor wir weitermachen musst du dir darüber im Klaren sein, dass wir die Theorie, dass Richy vielleicht wirklich der Täter ist, nicht einfach ignorieren können und wer weiß auf was wir noch alles stoßen werden. Ich möchte, dass du zumindest darüber nachdenkst vielleicht hier und jetzt aufzuhören. Die letzten Wochen waren hart und übertrafen bei weitem unsere schlimmsten Erwartungen. Ich kann mir deine Antwort darauf zwar schon denken, doch wir dürfen uns in unseren Ermittlungen nicht von Gefühlen leiten lassen. Lass uns bitte versuchen für einen Moment zu vergessen wieso wir überhaupt hier sind, dass wir in dieser Lage sind."


Ich wusste, dass Jake hier mit nur noch etwas Zeit schinden wollte, doch das kam mir gerade wirklich Recht. Ich war regelrecht erschöpft und wir bräuchten beide etwas Zeit um uns neu zu fokussieren. Also nickte ich zustimmend und schmiegte mich fest an seine Brust, nahm mit jedem Atemzug seinen angenehmen Geruch in mir auf und versuchte für einen Moment an nichts zu denken, einfach meine Zeit mit Jake zu genießen.


Nur für ein paar Stunden, Minuten oder nur einen kurzen Augenblick, neue Kraft tanken.

Duskwood - the truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt