Der Fremde

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Da stand er. Klitschnass.

Mit einer Laptoptasche umgebunden. Gekleidet in dunkler Jeans und einem schwarzen Hoodie. Die Kapuze bis knapp über die Augenbrauen gezogen. Unter der Kapuze fiel eine schwarze, nasse Haarsträhne über seiner Stirn hervor. Blaue Augen, geziert von dunklen Rändern sahen mich besorgt an.

In diesem Moment riss es mir den Boden unter den Füßen weg und ich brach weinend zusammen. Er fing mich auf und umarmte mich fest. Behutsam schob er mich in die Wohnung und schloss hinter sich die Tür.

Er war da. In seinen Armen fühlte ich mich sicher und ließ mich fallen.

In den Armen dieses eigentlich völlig Fremden.

Ich weiß nicht wie lange wir dort standen. Wortlos. Mit meinem Kopf an seiner Brust.

Ich hörte seinen Herzschlag und spürte seinen warmen Atem in meinem Haar, seine Arme umschlossen mich fest. Die Nässe seiner Kleidung durchdrang mein T-Shirt und für einen Moment vergaß ich die Welt um mich herum.


„Ich bin da.", mit diesen Worten holte er mich zurück. Zurück in die Realität.

Alles was ich erwidern konnte war ein einfaches, leises „Endlich."

Er drückte mich sanft von sich und wir sahen uns in die Augen.

Das erste Mal sah ich tief in seine Augen, seine eisblauen Augen.

„Ich habe dir versprochen da zu sein, wenn du mich wirklich brauchst. Und in diesem Fall ist Nymos keine große Hilfe.", er entlockte mir ein kleines Lächeln.

Dann strich er mir vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht und hauchte mir zaghaft einen leichten Kuss auf die Stirn.

„Lächelnd bist du noch viel schöner.", sagte er feststellend.

Ich gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange und schenkte ihm ein schüchternes, kleines Lächeln, als wir uns voneinander lösten.


Ich ging ins Bad um ihm ein Handtuch zu holen. Vorm Waschbecken blieb ich stehen und warf einen Blick in den Spiegel.

War das wirklich wahr? Träumte ich?

Ich weiß nicht wie lange ich in den Spiegel starrend, abgestützt am Waschbecken, völlig in Gedanken versunken war. Im Zwiespalt zwischen Wirklichkeit und Traum.


Die Geräusche aus dem Nebenzimmer rissen mich aus meinen Gedanken.


Er war wirklich hier. Hier bei mir. Hielt mich in seinem Arm. Hatte mir auf die Stirn geküsst und wir sahen uns zum ersten Mal in die Augen.

Es fühlte sich so vertraut an, obwohl wir im Grunde zwei vollkommen Fremde waren.

Ich wusste so gut wie nichts über diesen jungen Mann, der gerade urplötzlich vor meiner Tür stand. Bis gerade eben hatte ich nicht mal gewusst wie er aussah und trotzdem war da dieses vertraute Gefühl und ich glaubte er fühlte genauso wie ich.

Ich öffnete meinen Spiegelschrank, warf eine Tablette ein, drehte den Wasserhahn auf und wusch mir mit eiskaltem Wasser durchs Gesicht. Ich griff nach einem Handtuch und ging zurück in den Wohnraum.


Als ich zurück kam, hatte er seinen nassen Hoodie bereits ausgezogen und zum trocknen auf die Heizung gelegt.

Da stand er, in einem schwarzen T-Shirt, mit nassen, zerzausten Haaren in meinem Appartement. Er schob meinen Laptop zur Seite und baute seinen Laptop auf meinem Schreibtisch auf.


Ich setzte mich, mit dem Handtuch in der Hand, hinter ihm auf das Bett und sah ihm einfach nur zu, still beobachtete ich ihn. Er schaltete den Laptop ein und warf einen Blick über seine Schulter. Mit einem schüchternen Lächeln nahm er mir das Handtuch aus der Hand. „Danke."


Noch immer konnte ich nichts sagen. Es war alles so surreal.

Er trocknete sich seine tropfend nassen Haare. Seinen Blick wendete er dabei nicht eine Sekunde von mir ab.


Da saß ich nun, auf meiner Bettkante und mir wurde wieder bewusst was zuvor passiert war, ich ließ meinen Blick zu Boden sinken. Ich bemerkte, wie mir erneut Tränen über die Wangen liefen und verdeckte mit meinen Händen mein Gesicht.


Ich bin müde. Müde vom denken. Müde vom zusehen und nichts tun zu können.

Einfach nur müde von den letzten Wochen.


Er setzte sich zu mir, strich mir vorsichtig die Haare aus dem Gesicht, legte seine Arme um mich und zog mich fest an sich heran. Weinend, mit meinem Kopf an seiner Schulter, schlief ich ein.





Duskwood - the truthWhere stories live. Discover now