Kapitel 34.2. - Soldiers Follow Orders

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„Ich möchte helfen", sagte ich sofort. Ich wollte nichts lieber als das. Es fühlte sich an wie meine Pflicht. Es war meine Familie und ich fühlte mich für das Chaos verantwortlich, das sie anrichtete. Mit dem Tod meiner Mutter war es zu einem persönlichen Kampf geworden. Ich wollte diejenige sein, die sie zur Rechenschaft zog. Sie sollten mir in die Augen schauen und sehen, dass ich diejenige war, sie ihre Pläne vereitelte. Falls sie starben, sollten sie es durch meine Hand. Auch wenn der Gedanke mir immer noch Angst machte, hielt ich es für mein Recht. Niemand anders sollte sie töten dürfen. „Was kann ich tun?"

„Fällt dir ein Ort ein, wo die beiden sich befinden könnten? Es wird wahrscheinlich ein Ort sein, an dem wir sie nur schwer aufspüren können."

Ich schüttelte leicht den Kopf, bedrückt darüber, dass ich nicht einmal diese Frage beantworten konnte. „Ich weiß nicht, wenn Valentin das Anwesen verlassen hat, dann immer allein. Er-" Das Anwesen.

Die Inquisitorin bemerkte mein Zögern und für einen Moment war der Blick, den wir wechselten, frei von negativen Emotionen und Vorurteilen. „Valentin lebte achtzehn Jahre direkt vor unserer Nase. Das Anwesen muss sehr gut versteckt sein. Starke Schutzzauber. Es könnte überall in Idris sein." Einen Augenblick lang hielt sie inne, als würde sie über etwas nachdenken. Daraufhin richtete sie sich wieder an mich. „Ich will, dass du uns dorthin führst. Falls sie nicht dort sind, dann müssen wir das gesamte Haus untersuchen, jeden Winkel auf den Kopf stellen. Alles könnte ein Hinweis sein."

Meine Augen weiteten sich in Schock. Nicht im Traum hätte ich damit gerechnet, jemals dorthin zurückzukehren. Nicht weil es mir verwehrt geblieben wäre, sondern weil ich das Anwesen nach unserer Flucht verloren geglaubt hatte. Nun, da ich über alle dunklen Familiengeheimnisse Bescheid wusste, assoziierte ich so viele unangenehme Erinnerungen mit diesem Ort. Alles Gute, was ich dort erlebt und mir widerfahren war, hatte einen faden Beigeschmack. Die Bilder, die früher in kräftigen Farben geleuchtet hatten, flimmerten nunmehr in gedämpften Tönen. Aus dem paradiesischen Leben war in nur so kurzer Zeit die Hölle auf Erden geworden. Andere hätten sich vielleicht gefragt, wie es von jetzt auf gleich so sehr aus den Fugen hatte geraten können, aber tief unten kannte ich die Antwort, die ich meistens vehement zu ignorieren versuchte: An den Lebensumständen meiner Familie hatte sich nichts geändert. Meine Eltern waren immer noch dieselben Menschen, die sie schon früher gewesen waren. Allein Jonathan und ich hatten uns verändert. Jonathan war in ein Loch gestürzt, aus dem er sich wahrscheinlich niemals mehr befreien würde und ich ... ich war aufgewacht.

„Ich weiß nicht einmal, wo es sich befindet", sagte ich und bemerkte erst zu spät, dass ich zu flüstern begonnen hatte.

Das Lächeln der Inquisitorin schien nur an Weite zu gewinnen und ein unangenehmer Schauer lief meinen Rücken herunter. Ein kaltes Gefühl beschlich mich; die Vorahnung von etwas Gefährlichem. Ich konnte nichts dagegen tun, als mein Körper einen tiefen Atemzug nahm. „Deshalb möchte ich, dass du den Brüdern der Stille einen weiteren Besuch abstattest. Möglicherweise finden sie hinweise in deinem Kopf."

Mein Körper versteifte sich augenblicklich unter mir. Ich spürte, wie meine Hände sich zu Fäusten ballten, aber ich musste darum kämpfen, die Kontrolle über meine Muskeln wiederzuerlangen. Ein atemloses „Nein" war alles, was ich hervorbrachte, und ausnahmsweise war es mir gleichgültig, wie angsterfüllt ich klang. Es war nur ein so kleines Wort und dennoch brach meine Stimme als ich es aussprach.

Mein letzter Besuch bei den Stillen Brüdern war mit einem qualvollen Schmerz verbunden gewesen, den ich manchmal heute noch in den Knochen spürte. Nicht so stark wie zu dem Zeitpunkt, eher wie ein schwaches Echo, das sich in vibrationsartiger Weise über die Oberflächen in meinen Gliedern verteilte, aber dennoch spürbar. Meine Mutter hatte gelebt, als ich die Stadt der Stille das letzte Mal betreten hatte. Sie hatte gelebt und war an meiner Seite gewesen. Und nur wenige Stunden danach hatte mein Vater die heiligen Tore zur Stadt mit Füßen getreten und den Großteil der Bruderschaft abgeschlachtet. Sie würden mich wohl kaum mit offenen Armen empfangen.

The Rise Of The Morningstar (Clace)Where stories live. Discover now