Kapitel 14.2. - An Old Friend

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Luke erzählte, dass mein Vater Jocelyn nie etwas von diesem Treffen erzählt hatte. Sie blieb in dem Glauben, Luke sei fortgerannt oder tot, während in Wahrheit ihr Ehemann hinter all dem steckte. Doch Luke hatte sich nicht mit dem Dolch umgebracht, er war zu feige gewesen es zu tun. Lieber wollte er als Schattenweltler leben, als kein Leben zu besitzen. Doch er kehrte niemals zu Valentin und Jocelyn zurück, es wäre sein Todesurteil gewesen. Valentin hätte ihn nicht nochmal entkommen lassen. Stattdessen schloss er sich einem Werwolfrudel im Brocelind Wald an. Dort lebte er für mehrere Jahre, bis zum Aufstand. Aus weiter Ferne beobachtete er Jocelyn und die Geschehnisse in der Welt der Nephilim, doch er kappte jegliche Verbindungen zu ihrer Gemeinschaft. Allein zu seiner Schwester Amatis versuchte er ein halbwegs normales Verhältnis zu behalten, was dank seiner neuen Identität ziemlich schwierig war. Amatis war selbst einst Teil des Kreises gewesen und nicht gut auf Schattenweltler zu sprechen.

Mit den Jahren hatte er gemerkt, wie falsch Valentins Moralvorstellungen doch waren. Er lebte als Schattenweltler und konnte sehen, wie sie wirklich waren, was sie taten und wie stark das dämonische Gift Einfluss auf ihr Verhalten nahm. Schattenweltler hielten sich genauso an den Bündnisvertrag, wie die Nephilim. Natürlich gab es einige Ausnahmen, dank derer Valentin die gesamte Schattenwelt verteufelte. Viele Schattenwesen wollten ein normales friedliches Leben führen, doch das war Luke erst klargeworden, nachdem er für längere Zeit vom Einfluss meines Vaters befreit gewesen war.

Nach dem Aufstand und seinen katastrophalen Folgen hatte er meine Mutter für tot gehalten. Es war eine unglaublich schmerzhafte Zeit gewesen. Zu wissen, dass die Person, die man über alles in der Welt liebte für immer fort. Natürlich hätte es nichts geändert, wäre sie noch am Leben gewesen, da sie trotzdem außer Reichweite gewesen wäre. Doch es gab einen Unterschied zu wissen, ob die Person irgendwo dort draußen war oder nicht mehr unter den Lebenden weilte.

„Zu hören, dass sie gestern wirklich gestorben ist, fühlt sich ... schlimmer an als ich erwartet hätte. Es plagt mich, dass sie all die Jahre gelebt hat, ohne dass ich davon wusste. Ich wäre nie nach New York gegangen hätte ich es gewusst. Ich habe sie bereits einmal verloren und hätte erwartet, dass es diesmal weniger schmerzhaft wird, aber gefühlt ist es noch schlimmer als vor all den Jahren." Seine Stimme wurde hart und er presste mit wütendem Ausdruck den Kiefer aufeinander. „Aber ich habe ein neues Leben. Was ist mit dir? Du machst mir Sorgen, du hast hier niemanden auf den du dich verlassen kannst."

Ich versuchte Mitleid für ihn zu empfinden. Ich wünschte, dass er und seine Geschichte mir leidtun könnten, doch ich verspürte nichts außer etwas Befremdliches. Auch wenn er der beste Freund meiner Mutter war, auch wenn es mir einen Stich versetzte, wenn ich über sie beide nachdachte, dass diese Person, die vor mir stand, so viel von ihr wusste, mehr Jahre mit ihr verbringen durfte als ich jemals bekommen würde. Hinzu kam sein Leben als Werwolf. Ich hatte Angst ihm zu vertrauen. Auch wenn ich diese Barriere in mir zu überwinden versuchte, flüsterte mir eine leise Stimme all die Sachen zu, die mein Vater mich über Schattenweltler gelehrt hatte. Ich würde mehr Erfahrung benötigen, um Schattenweltlern vertrauen oder wenigstens komplett akzeptieren zu können. Deine Mutter hat ihnen vertraut, flüsterte eine andere Stimme in meinem Kopf.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich werde zurechtkommen, schätze ich", sagte ich leise. „Es war nicht besonders leicht, aber es gibt kein Zurück. Ich werde mich an all das hier gewöhnen." Als ich in Lukes Augen schaute konnte ich sehen, dass er genau verstand, was ich damit meinte. Er brachte ein leichtes Lächeln zustande.

„Ich weiß, dass es schwer ist, aber gib uns eine Chance. Gib dieser Welt eine Chance. Nur weil man dir die Möglichkeit genommen hat, sich mit ihr vertraut zu machen, bedeutet das nicht, dass du das nicht nachholen könntest."

Während ich seine rauen Gesichtszüge betrachtete, dachte ich an meine Mutter. Luke war wahrscheinlich der letzte existierende Faden zu ihr, der nicht von Dunkelheit und Hass zerfressen war. Ich drehte den Kopf und schaute zu den alten, aber wunderschönen Häusern, die über uns aufragten. Es wirkte alles so friedlich und ausgeglichen. Der Gedanke, dass sie einen Großteil ihres Lebens hier verbracht und möglicherweise genau hier gestanden hatte, fühlte sich komisch und erdrückend an. Mir fiel auf, wie wenig ich eigentlich von ihr wusste. So viele Dinge über sie hatte ich nur aus Zufall erfahren und so viele Weitere würde ich vielleicht niemals erfahren. Aus einem mir unerklärlichen Grund brachte der Gedanke mich zum Lächeln. Innerlich wäre ich am liebsten in Tränen ausgebrochen.

The Rise Of The Morningstar (Clace)Where stories live. Discover now