Kapitel 34.1. - Soldiers Follow Orders

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Kapitel 34 – Soldiers Follow Orders

Das Büro der Inquisitorin hatte sich seit meinem letzten Besuch kein bisschen verändert. Ihr breiter Schreibtisch aus massivem Holz schien allerdings noch größer geworden zu sein. An den Wänden, die aus einem quarzähnlichen Gestein bestehen mussten, hingen gewebte Bilder von Schlachten, die bereits vor Jahrhunderten ausgefochten worden waren. Auf der langen Wand des rechteckigen Zimmers, gegenüber der hölzernen Tür, führte ein gläserner Durchgang hinaus auf einen kleinen Balkon. Die roten Dächer von Alicante funkelten im Schein der untergehenden Sonne wie die Rubine, mit denen sich Isabelle so gerne schmückte. Hinter der Stadt erstreckte sich Ödland, das unter einer Schicht aus weißem Schnee begraben lag. Alles abseits der Stadtmauern war ein einziges, reflektierendes Weiß.

Hinter dem geräumigen Schreibtisch, der beinahe ein Viertel des Büros einnehmen musste, saß die Inquisitorin und musterte mich mit einem eingehenden, skeptischen Blick. Als erwartete sie, dass ich jeden Augenblick aufspringen und mich vom Balkon stürzen würde. Nicht, dass ich darüber nachgedacht hätte, aber ich hasste es, hier zu sein. Ich hasste alles daran; die Atmosphäre, den Geruch, die Gesprächsthemen. Wenn die Inquisitorin mich zu einem Treffen einlud, konnte ich mir schon im Vorhinein sicher sein, dass es ein Unangenehmes sein würde. Doch am meisten hasste ich die Inquisitorin selbst, die mir stets das Gefühl gab, in der Abwesenheit meines Vaters seine Schuld auf meinen Schultern tragen zu müssen.

Anstatt den Blick aus ihren blau-grauen Augen zu erwidern, versuchte ich, Jace' Stimmung aus seiner Haltung herauszulesen. Er war bereits anwesend gewesen, als mich eine Wache herein eskortiert hatte. Anders als bei unserem letzten Besuch, saß er diesmal im Stuhl neben mir, der so unbequem aussah wie sich meiner anfühlte. Er hatte mir beim Betreten des Büros einen kurzen Seitenblick zugeworfen, mich seitdem aber nicht weiter beachtet. Natürlich nicht. Seit unserem Gespräch war kaum eine Woche vergangen und doch fühlte es sich an wie eine Ewigkeit.

Jace hatte seine Beine ausgebreitet und seine Arme hingen gelangweilt seitwärts der dünnen Stuhllehnen. Seine Körperhaltung und der teilnahmslose Ausdruck auf seinem Gesicht ließen darauf schließen, dass er gerade lieber auf einem Sofa säße als hier im Büro seiner Großmutter. Alles an seiner Ausstrahlung war unhöflich und respektlos Imogen Herondale gegenüber. Wahrscheinlich wusste er das auch, aber es schien ihn wenig bis gar nicht zu kümmern. Was mich überraschte war, dass es die Inquisitorin auch nicht kümmerte. Ihre Augen waren hauptsächlich auf mich fixiert, aber wenn sie ihn ansah, dann lag zu keinem Zeitpunkt auch nur der Ansatz von Entrüstung darin. Die Arroganz dieser Familie war haarsträubend. Mein Vater hätte mir ein solches Benehmen niemals durchgehen lassen. Ich hätte nicht mal im Traum darüber nachgedacht, ihn so zu behandeln.

Das tiefe Seufzen der Inquisitorin brachte mich in die Gegenwart zurück und ich fragte mich, wieso sie sich so anhörte, als würde es ihr schwerfallen, den Mund zu öffnen. Dann brachte sie die Worte schließlich über die Lippen und ihr Verhalten machte plötzlich Sinn. „Im Namen des Rats muss ich mich bei dir entschuldigen, Clarissa. Kadirs Verhalten war unverzeihlich. Kein ausgebildeter Nephilim sollte jemals so fahrlässig und entgegen den Entscheidungen des Rats handeln."

Ich wagte es nicht, das Grinsen offen zu zeigen, dass meine Gesichtsmuskeln beinahe in Belustigung zucken ließ. Stattdessen presste ich die Lippen aufeinander, um zu verhindern, dass mein Ausdruck mich betrügen konnte und nickte ernst. Es war Imogen anzusehen, wie viel Willenskraft es sie kostete, die Entschuldigung aufrichtig klingen zu lassen. Jeder der nur einen Funken an Menschenkenntnis besaß, konnte ihr ansehen, dass es sie eigentlich im Geringsten scherte, ob ich bei Kadirs Hinterhalt verletzt worden war oder was sonst hätte passieren können. Ihre eisblauen Augen waren hart wie Stein. Nur ihre Miene wirkte hin und hergerissen zwischen einem freundlich-distanzierten Ausdruck und der jahrealten Wut, die tief in ihrem Inneren brodelte.

The Rise Of The Morningstar (Clace)Where stories live. Discover now