Kapitel 22 - Visions

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Kapitel 22 - Visions

Der Wald breitete sich in alle Richtungen aus. Selbst wenn kein Schnee auf dem trockenen Boden gelegen und alles in eine Eislandschaft verwandelt hätte, hätte er gewusst, dass es Winter war. Man konnte es förmlich spüren. Für einen Augenblick stand er einfach an Ort und Stelle, nicht sicher, weshalb er hergekommen war. Der Wald um ihn herum war totenstill. Man konnte nicht einmal einen Vogel singen hören.

Dann, ohne wirklich zu wissen weshalb, setzte er sich in Bewegung und bahnte sich einen Weg durch die tiefen Äste eines Dickichts. Die kalten Blätter kratzten an seiner Schattenjägermontur, doch es störte ihn nicht. Er war nicht Jahre lang zu einem Krieger ausgebildet worden, um sich an kalten Blättern zu stören. Er hatte das Dickicht gerade hinter sich gelassen, als er einen Schrei hörte. Wie angewurzelt blieb er stehen und lauschte. Es war kein Laut des Schmerzes gewesen, auch kein angsterfüllter Schrei. Er hatte wütend geklungen. Und überrascht.

Er setzte sich wieder in Bewegung, doch diesmal schneller. Der Boden war uneben und durch die dicke Schneedecke war es kaum möglich, die Wurzeln der Bäume auszumachen. Doch seine Füße trugen ihn zuverlässig durch den Wald.

Ein weiterer Schrei durchschnitt die Stille und er war sich sicher, dass er die Quelle des Schreis beinahe erreicht hatte. Dann öffneten sich die Bäume plötzlich zu beiden Seiten und er befand sich auf einer Lichtung. Vor Überraschung wäre er beinahe ins Straucheln geraten. Aus dem Augenwinkel nahm er eine hektische Bewegung wahr. Er hob den Kopf.

Eine junge Frau in einer dunklen Montur kniete wenige Meter vor ihm. In ihrer rechten Hand hielt sie ein Schwert, defensiv vor ihre Brust gehoben. Rote Haare fielen ihr um die Schultern, sie wehten in der kalten Winterluft. Hätte sie nicht so erstaunt gewirkt, hätte sie wie ein Engel ausgesehen. Ein leises Keuchen kam ihr über die Lippen und ihre smaragdgrünen Augen fixierten eine Gestalt, die sich bedrohlich auf sie zubewegte.

„Jonathan, was soll das?" In ihrer Stimme schwang Verwunderung mit, aber auch Wut. Einen Moment später senkte sie ihr Schwert und hob stattdessen ihre linke Hand in die Richtung der Gestalt. Er war so gefesselt von ihrem Anblick gewesen, dass er der anderen Person erst jetzt den Kopf zuwandte.

Ein junger Mann, kaum älter als sie, stand gut zwei Meter entfernt von ihr. Sein Gesicht war zu einer brodelnden Maske aus Wut verzerrt, seine Zähne waren gefletscht und er schien mehr Tier als Mensch zu sein. Seine schwarzen Augen wirkten überirdisch und passten nicht zum Rest seines Aussehens. Auch er trug eine Schattenjägermontur. Anstelle ihr eine Antwort zu geben, stürzte er sich auf sie, schneller als er jemals einen Menschen sich hatte bewegen sehen. Die Rothaarige zuckte nicht, als er sie auf den Boden warf und sich über sie beugte. Sie schien nicht einmal zu atmen. Sie brachte nur einen röchelnden Laut über die Lippen, als ihre Schultern den harten Boden trafen.

Jede Faser in seinem Körper sträubte sich danach, nach vorne zu schnellen und Jonathan von ihr wegzuzerren. Doch seine Füße waren schwer wie Stein, er konnte sich keinen Zentimeter nach vorne bewegen. Er konnte nur zuschauen, wie Jonathan die junge Frau dunkel anstarrte.

„Jonathan, verdammt hör auf!", brachte sie über die Lippen und starrte ihn aus großen verängstigten Augen an. Ihre Hände suchten Halt im kalten Boden und sie wollte sich aufrichten, als Jonathan ihr brutal seinen Stiefel in die Rippen rammte. Das Knacken von Knochen hallte über die Lichtung, dicht gefolgt von einem Schmerzensschrei.

Er hatte nicht erwartet, dass sie sich bereits eine Sekunde später wieder aufrichten und Jonathan mit sich auf den Boden ziehen würde. Ihre Bewegung war nur wenig geschmeidig und doch war er nicht vorbereitet gewesen. Jonathan fiel mit ihr zu Boden. Sie rangelten kurz, dann konnte sich die Rothaarige durchsetzen und kniete über ihm. Sie drückte seine Arme in den Schnee. „Hör sofort auf damit."

The Rise Of The Morningstar (Clace)Where stories live. Discover now