50. Die Stimme der Revolution

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Gerade als Rouven triumphierend mit der besten Flasche Wein, die er finden konnte, in den Händen zurück auf den Marktplatz torkelte, hatte Alvaro seine kleine Ansprache an seine eingeschüchterten Untertanen beendet und begab sich nun gemächlich wieder zurück in die Sicherheit seiner Burg. Einige Augenblicke später entschlossen sich auch die königlichen Damen dazu, sich in Begleitung mehrerer Ritter auf den Weg in die Burg zu machen. Finn hingegen blieb etwas unschlüssig zwischen den blutigen Köpfen stehen. Alleine, denn er benötigte keinen schimmernden Ritter, um sich gegen mögliche Gefahren zu wehren. Auch die schaulustige Menge löste sich langsam auf und verschwand totenstill in den verzweigten Gassen der Stadt. Nun standen nur noch Rebellen auf der Strasse und schwiegen sich an. Sie wussten genau, dass Finn auf ihrer Seite stand, doch niemand wusste, ob es sicher war, mit ihm in so hellem Tageslicht zu sprechen. Rouven verdrehte die Augen, als er sah wie Jack mit sich selbst rang. Aber auch Finn machte nicht den Anschein, mit seinen Verbündeten sprechen zu wollen. Die Wut zwischen den beiden Brüdern war immer noch stark zu spüren. Kindisches Getue, das niemandem half. Rouven drückte Draven die Flasche Wein grob in die Hand. «Wage es ja nicht, sie ohne mich zu trinken!», mahnte er ihn über die Schulter, als er entschlossen auf seinen Freund Finn zulief. Finn hatte seine Hand stets auf dem Knauf seines Schwertes und versuchte unbeeindruckt zu wirken. «Finn, machen wir Fortschritte?», erkundigte sich Rouven, als er den dunklen Prinzen erreicht hatte. Finn warf einen Blick zu den Leuten, die sich noch auf dem Platz und in Sichtweite befanden. «Alvaro hat seine Männer überall», meinte Finn leise und drehte der Menge den Rücken zu. «Das ist mir egal, wir wollen diese Arschlöcher doch eh bekämpfen.» Finn schüttelte den Kopf und zog die Kapuze seines Mantels hoch. «So einfach ist das nicht und das weisst du genau, Rouven. Stell dich nicht so dumm. Alvaro ist ein mächtiger und gewiefter Gegner, wir müssen unter allen Umständen überlegt vorgehen.» Rouven nickte. Natürlich wusste er das, doch ohne Kommunikation liess sich keinen Aufstand organisieren. «Aber Neuigkeiten von Destina hast du nicht?», hackte er ungeduldig nach. Finn schaute sich nervös um. «Du solltest nicht hier sein, Rouven! Die Priester werden immer noch in der ganzen Stadt gesucht, du bist tot, wenn sie dich entdecken. Und ich ebenfalls.» Finn begann zurück zu der Burg zu laufen und liess Rouven im Schneegestöber stehen. Doch der liess diese Antwort nicht einfach so auf sich sitzen. Er kannte Finn zu gut, um sich mit dieser Ausrede zufrieden zu geben. «Finn!», rief er dem Prinzen hinterher, der sich widerwillig umdrehte und stehen blieb. «Ich will es in die Welt hinausschreien! Will, dass sie mich holen kommen! Will, dass sie versuchen meinen eisernen Willen zu brechen! Will sehen, wie sie verzweifelt daran scheitern! Denn eins steht mit Sicherheit fest, die Schwalbe der Revolution wird mit Gewalt und mit Willensstärke gegen die Mauern dieser königlichen Burg fliegen und sie wird sie einreissen! Du wirst schon sehen! All das kann sie auch ohne dich tun, Finn!» Finn verschränkte genervt die Arme vor der Brust. Rouven konnte so theatralisch und übertreibend sein, wenn er getrunken hatte. Doch er konnte nicht leugnen, dass Rouven trotz des Weines genau wusste, was er tat. «Aber Finn, willst du mitfliegen, wirst du uns finden müssen. Und du weisst am besten, dass ich wahrlich nicht schwer zu finden bin!» Höhnisch vollbrachte Rouven eine schreckliche Verbeugung und lief zurück in die Stadt mit der Brust voller Stolz, als ob er selbst gerade die Revolution gewonnen hätte. Finn musste lachen, als er langsam wieder auf die Burg zurückkehrte. Rouven, so chaotisch und planlos er auch wirken mochte, war er doch einer der Personen, ohne die die Rebellion nicht funktionieren und gewinnen könnte. Finn wusste natürlich genau, wo er Rouven finden würde, sollte er mit den Rebellen sprechen müssen. Beste Freunde verstanden sich auch ohne klare Worte und Finn war sehr dankbar für Rouven und seine genialen Ideen und Auftritte. Aber Schwalbe der Revolution fand er trotzdem ein wenig zu übertrieben. So kitschig hoffnungsvoll und übertrieben lieblich. Und doch eines von Rouvens Meisterwerke. Die Schwalbe der Revolution wird fliegen.
Mit einem zufriedenen Lächeln kehrte Rouven zu seinen rebellierenden Freunden zurück, die ein wenige sprachlos und perplex wie angewurzelt dastanden, und nahm die Flasche wieder an sich. Etwas verwundert drehte sich Rouven zu den anderen um. «Na was steht ihr denn so rum? Wir haben eine Revolution zu planen!», meinte er lachend und begleitete Hazel, Draven, Midori und Jack zurück in das Gasthaus, das immer noch ein perfektes Versteck war vor den königlichen Mächten. Jack hatte vor langer Zeit eine gute Entscheidung getroffen, selbst Rouven musste das zugeben. Denn noch nie hatte es in diesem Gasthaus Probleme gegeben mit den silbernen Rittern des Königs. Wer braucht schon ein Geheimversteck, wenn das beste Versteck mitten in der Stadt lag? Rouven konnte auch nicht lange ohne Alkohol bleiben. Wenn er einen König zu Fall brachte, dann am liebsten mit dem besten Wein in seinem Magen. Es gab nichts Besseres. Also öffnete er die Flasche, die er besorgt hatte und schenkte der leicht mürrischen Runde ein. Langsam entwickelte sich ein Gespräch und die Freunde tauschten ihre Informationen, die sie im Vorfeld beschafft hatten, aus. Und eine Einheit von gebündelter Entschlossenheit begann sich allmählich zu bilden.

Die Reise des DrachenmädchensWhere stories live. Discover now