36. Wie am Schnürchen

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Alvaro sass in seinem Büro. Einen Kelch Wein auf seinem Tisch stehend und auf Papiere starrend liess er die Zeit an sich vorüberziehen. Sein Plan war perfekt. Zumindest bis jetzt. Natürlich mit einigen Makeln, aber das hatte nun mal jeder Plan und bald würde Alvaro genug Macht besitzen, dass solche Makel keine Rolle mehr spielen würden. Selbstzufrieden lächelte er vor sich hin und trank mehr und mehr von dem königlichen Wein. Nie hatte er einen besseren Wein geschmeckt. Ein König liess es sich nun mal gut gehen. Und bald wäre auch Alvaro König, daran arbeitete er sehr hart. Aber er würde sein Ziel erreichen, das wusste er mit Sicherheit, denn sein Plan war perfekt und die Macht nun endlich zum Greifen nahe. Jetzt durfte nur dieser Rebell Ryan nicht versagen und seinen Teil der Abmachung einhalten. Und wenn alle Verräter von Rebellen erstmal unter Alvaros Kommando stünden, dann hatte er auch endlich wieder genügend Ritter. Denn momentan befehligte er nur die Hälfte der königlichen Armee, da Finns Männer natürlich nicht auf Alvaros Befehle hörten. Aber Alvaro brauchte diese Männer gar nicht. Sobald er erst einmal die Rebellen unter seinem Kommando hatte, wäre er der mächtigste Mann in diesem Land und irgendeinmal in allen Ländern zugleich. Ja, Alvaro hatte grosse Pläne. Aber er war erst am Anfang seines persönlichen Kreuzzuges nach Macht. Er gönnte sich noch einen Schluck des besten Weines und erhob sich dann von dem weich gepolsterten Stuhl. Mit einem selbstzufriedenen Lächeln stiess er die Türe auf und schritt die Gänge der Burg entlang. Bald würde dieser prächtige Palast allein ihm gehören. Kein Finn, der sich wie ein pubertierender Junge benahm, keine herum heulende Destina und keine Bedrohung von den Rebellen mehr. Alvaro hatte für jedes Problem bereits eine passende Lösung. Die Sonne erleuchtete die riesigen Gänge und liess die noblen Möbel in einem wundervollen Glanz erstrahlen. Eine ebenso glänzende Person kam auf Alvaro zu. Die silberne Rüstung war schrecklich. Noch etwas, was sich zum Guten ändern wird, wenn ich erstmal König bin, dachte Alvaro, während er in seinen Gedanken bereits bessere Rüstungen am Gestalten war. «König, da ist ein Mann der Sie sprachen will. Er bringt viele Männer und weitere interessante Personen», sprach der Ritter mit gesenktem Kopf. Alvaro nickte mit einem Lachen. Ryan war endlich da. Pünktlich. «Bring ihn und die wichtigen Personen in mein Büro, den Rest führst du in die königlichen Gästezimmer, ihnen soll es noch an nichts fehlen», antwortete Alvaro und drehte sich auf dem Absatz um und lief zurück in sein Büro. Die Rebellen würden nun da schlafen, wo früher Leonardos Huren schliefen. Es gab keine passenderen Zimmer, lachte Alvaro und liess sich wieder in den bequemen Stuhl in seinem Büro fallen. Eine Magd betrat hastig das Büro, brachte einen neuen Kelch voll mit dem guten Wein und verschwand schnell wieder, den Kopf stets gesenkt. Dann betrat Ryan das Büro endlich, er hatte sich ja wohl auch genug Zeit gelassen. Er wirkte nicht gerade erfreut, Alvaro zu sehen. Hinter ihm wurden zwei Frauen in das Zimmer gebracht. Zwei Ritter hielten sie je in Band. Eine junge mit lila Haaren wehrte sich heftig. Die Andere war nicht weniger schön, aber sie hatte die Hoffnung auf Leben schon lange aufgegeben. Ihre Augen verrieten das. Ihre einst wundervoll prächtigen, weissen Flügen schienen zu faulen. Die reine Farbe hatten sie schon vor langer Zeit verloren und selbst die Federn begannen auszufallen. Sie war Alvaro nichts wert, sie war eh nichts mehr wert. Die Fabelwesen gehörten schon längst der Vergangenheit an und es war Alvaro ein Rätsel, wie dieser Engel überhaupt so lange überleben konnte. «Sperrt den Engel in die Verliesse, sie bringt mir nichts. » Lautlos wurde der totgeweihte Engel aus dem Büro geschleppt. Das Mädchen mit den lila Haaren hatte sich nun zumindest auch etwas beruhigt, wahrscheinlich hatte sie eingesehen, dass es nichts brachte, sich zu wehren. «Ryan, ich freue mich, dich endlich zu sehen. Du warst lange weg», begann Alvaro das Gespräch und deutete Ryan, sich zu setzen. Doch der weigerte sich. Wütend und nervös tappte er von einem Fuss auf den anderen. «Was ist los mit dir, Ryan? » «Sie war nicht Teil der Abmachung, Alvaro! Warum lässt du sie gefangen halten? », warf Ryan seinem Partner vor, während er Liv einen besorgten Blick zuwarf. Auch Alvaro musterte das Mädchen mit den
aussergewöhnlichen Haaren. Wer war sie, dass sie Ryan so viel bedeutete? «Ryan, was soll dieser Auftritt hier? Du hast deinen Teil der Abmachung erfüllt, nun werde auch ich meinen erfüllen. Alles wird schön nach Plan laufen, egal was du willst. Du hast keine Macht hier, alles was du hast ist ein mündliches Versprechen. Und darauf willst du bauen? Lächerlich», Alvaros Lachen verschwand urplötzlich. Ryan veranstaltete ein Drama, bloss wegen diesem Mädchen. Gefühle waren sicher im Spiel, Alvaro konnte die Spannung zwischen Ryan und dem Mädchen fühlen. Ryan mochte sie anscheinend sehr. Aber aus ihr wurde Alvaro nicht schlau, es musste noch mehr dahinterstecken, als blosse Liebe. Sie musste etwas Spezielles sein. «Ryan, wer ist sie? », fragte Alvaro mit einer sanften Stimme und versuchte die Situation etwas zu entspannen. «Ihr Name ist Liv», antwortete Ryan knapp und liess Alvaro nicht aus den Augen. «Und warum soll ich sie nicht einsperren dürfen? », fragte Alvaro mit gespielter Verwirrung. «In der Abmachung war nie die Rede von ihr, sie gehört zu den Rebellen... Sie gehört zu mir. Und dir bringt sie mehr, wenn sie an meiner Seite kämpft, als wenn du sie in einem Verliess verrecken lässt», versuchte Ryan zu erklären. Alvaro nickte langsam. Doch er dachte nicht einmal daran, Ryan das zu geben, was er sich wünschte. Ein Druckmittel war nie eine schlechte Investition und Alvaro wollte unbedingt herausfinden, was so speziell an dieser Liv war. «Alvaro, sie ist keine Bedrohung für dich oder für irgendjemanden. Sie ist ein Niemand. Lass sie gehen, sie hat nichts getan», Ryan versuchte beinahe verzweifelt die Situation zum Guten zu wenden. Doch er hatte keine Macht, keinen Einfluss. Er hatte Nichts. Nicht einmal mehr Liv hatte er. Seinen Verrat würde sie ihm nie verzeihen, dafür vertraute und hoffte sie zu sehr auf Jack. Er drehte sich um, schaute in ihre wunderschönen, doch leider völlig wutentbrannten und verzweifelten, mit Tränen gefüllten Augen. Schuldbewusst sank Ryans Blick auf den Bogen. Er war sich über nichts mehr sicher. Zweifel nagten an ihm, wie sie es noch nie zuvor taten. Kleine, hässliche Gestalten mit einem Grinsen auf den grünen Lippen, die ihm Dinge in die Ohren flüsterten und Gedanken in seinen Kopf pflanzten. Sie fragten ihn, ob er noch das Richtige tat, ob er noch auf dem Weg zur Verbesserung war und ob er das überhaupt jemals war. War er blind gewesen? Blind davor so zu sein wie Jack. Blind vor Veränderung oder auch nur davor etwas überhaupt zu ändern. Die kleinen Gestalten flüsterten ohne Pause, liessen Ryan nicht in Ruhe. Nur ein Gedanke war klar. Er schien hell und deutlich durch die Verwirrung der Anderen hindurch und Ryan ignorierte die Gestalten und konzentrierte sich nur noch auf diesen einen Gedanken. Es war alles das momentan zählte. «Lass sie gehen, Alvaro!», sprach Ryan entschlossen in die Stille hinein. Doch Alvaros Gesicht verdunkelte sich, als er sich von seinem Stuhl erhob und dicht an Ryan herantrat. «Du hörst mir jetzt mal genau zu, mein kleiner Freund. Ich bin hier der mächtigste Mann, denkst du, ich bin so sehr auf deine Dienste angewiesen, dass ich dir die Kleine einfach so gebe? Ich bitte dich. Ich sehe etwas das mir gefällt, ich nehme es mir. Widerreden dulde ich nicht. Ich bin der zukünftige König dieses Drecklochs und du bist bloss eine Maus. Eine stimmlose, kleine Maus, die gerne eine Veränderung hervorrufen würde. Ich werde dir diese Veränderung geben, Ryan. Aber du wirst sie dir nicht alleine holen können. Weil du schwach bist. Zu schwach, um es mit mir aufzunehmen. » Die beiden Männer starrten sich wütend an. Ryan dämmerte es langsam wie machtlos er tatsächlich war, während sich Alvaros Brust mit Stolz und Selbstverliebtheit füllte. «Sperrt sie ein! »

Die Reise des DrachenmädchensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt