47. Hilfe naht

3 0 0
                                    

Entschlossen stiess Draven die schwere Tür des Gasthauses auf. Es war vollkommen leer. Es schien beinahe gespenstig. Langsam schlich er sich durch den eher kleinen Gastraum. Niemand hatte das Haus verlassen, seitdem Draven Ryan hierhin gefolgt war, also mussten sich die Rebellen irgendwo versteckt halten. Sie mussten hier sein. Draven war Ryan nachgelaufen, weil er unbedingt wissen wollte, was Ryan dazu getrieben hatte die Rebellion zu verraten, Liv auszuliefern und sich dem König anzuschliessen. Er zückte vorsichtshalber seinen Dolch. Denn schliesslich wusste er nicht, ob er auf gut gesinnte alte Bekannte treffen würde oder ob sie sich gegen sein Einmischen wehren würden. Gedämpft hörte Draven einige Stimmen aus dem oberen Geschoss des Hauses, dort wo sich die Gästezimmer befanden. Leise erklomm er die knarrenden Treppen und stiess langsam eine halb offene Tür auf. Was er sah, war das Letzte, was er erwartet hätte. Der Königssohn lebte tatsächlich noch. Zumindest atmete er noch schwer. Ryan sass neben dem halblebendigen Thronerben am Boden und rieb seine Wunden mit irgendeiner Salbe ein. Zwei Männer taten dasselbe. Des Prinzen ganzer Körper war verbrannt. Die Haut war nicht mehr zu retten. Ein Gesicht war kaum noch zu erkennen. Draven begriff erst jetzt, was für eine Macht die Priester tatsächlich hatten. Das erklärte natürlich auch, warum Alvaro sie unbedingt aus dem Weg schaffen wollte. Doch er hatte die Priester der Elemente anscheinend um Einiges unterschätzt. Draven steckte seinen Dolch zurück und betrat leise den Raum. «Hat er überhaupt eine Chance, dass er diese Verletzungen überleben wird?», erkundigte er sich. Ryan schrak auf als er Draven im Türrahmen stehen sah. Sein Griff ging instinktiv auf das Messer, das in seinem Gurt steckte, doch er zögerte. Es war still, denn bald realisierte Ryan, was er Draven und Jack angetan hatte. Sein Gesicht verdunkelte sich auf einen Schlag mit Schuld. «Ryan, ich bin hier um zu sprechen», erklärte Draven, das Misstrauen in Ryans Miene spürend. Ryan schluckte leer und nickte schwach. Langsam liess er die Hand von dem Messer weggleiten. «Wir kümmern uns um die Wunden Ryan, geh du nur», sprach einer der anderen Männer, die dabei waren, Aurion zu verarzten. Ryan dankte den Beiden und verschwand schliesslich mit Draven aus dem Zimmer. Er schloss die Tür leise hinter sich. Etwas stotternd versuchte Ryan sich zu erklären. «Ich weiss nicht, wieso du hier bist Draven, aber ich kann dir versichern, dass ich den König nie unterstützen wollte. Alles was ich wollte, war... war...» Ryan seufzte. Er hatte bis jetzt diese Gedanken stets verdrängt. Denn er wollte sich nicht eingestehen, für welch kindliche Gründe er seine Freunde hintergangen, verraten und abgeschlachtet hatte. Draven nickte verständnisvoll, denn schliesslich war er hier, um zu helfen. Und um Alvaro zu stürzen, benötigte er Informationen aus erster Hand und Ryan verfügte nun mal über solche Informationen. Nebenbei war jeder Mann mehr in der Rebellion ein dringend benötigter Mann. «Ich wollte doch nur endlich auch etwas Wichtiges tun. All der Ruhm war stets nur für Jack dagewesen. Niemand hat mich je beachtet. Nicht einmal Liv, deren Augen ich so unglaublich schön fand. Sie hatte sie stets nur auf Jack gerichtet. Sobald er nach ihr rief, eilte sie. Zu mir wollte sie nie. Und nun habe ich alles nur noch schlimmer gemacht.» Ryan seufzte kurz und versuchte sich zusammenzureissen. «Draven, du musst mir glauben, dass ich alles so schmerzlich bereue, was ich getan habe. Ich bereue es so sehr! Ich habe alles verloren." Draven nickte einfühlsam. Seine Vermutung, dass Ryan Gefühle für Liv hatte, stimmte also doch. „Aber ich werde dafür kämpfen. Ich werde stärker kämpfen, als ich es je zuvor getan habe, um alles wieder gut zu machen. Falls dies überhaupt möglich ist...», meinte Ryan mit trauriger Entschlossenheit. «Hör zu Ryan. Ich sehe, wie sehr es dich schmerzt. Aber ich bin hier um zu helfen. Ich handle nicht auf Jacks Befehle, ich handle für einen weitaus grösseren Zweck. Ryan, es gibt eine neue Rebellion, die es sich zum Ziel gemacht hat, Alvaro zu stürzen und die königliche Witwe Destina auf den Thron zu setzen, denn sie wird hoffentlich eine gerechte Herrscherin sein. Wir brauchen jeden kampfbereiten Mann, den wir kriegen können. Und wir brauchen alle Informationen, die wir über den König finden können. Jedes Detail ist wichtig. Ich schenke dir mein Vertrauen Ryan und ich will, dass du dabei bist, wenn sich diese Rebellion trifft, denn du könntest der Schlüssel zum Erfolg sein. Und gleichzeitig kannst du auch Liv aus den Händen dieses Monsters befreien. Wir brauchen dich und deine Männer. Sieh es als Chance euren Fehler wiedergutzumachen. Was sagst du?» Draven hielt Ryan mit einem schrägen Lächeln seine Hand hin. Ryan zögerte jedoch. «Jack wird mir nie vergeben», sprach er leise und etwas niedergeschlagen. «Es geht nicht um Jack, es geht um das Wohl der ganzen Stadt. Nur mit Taten, kannst du ungeschehen machen, was du so sehr bereust.» Ryan senkte nachdenklich seinen Kopf. Natürlich hatte Draven recht. Doch war Ryan tatsächlich bereit, wieder einer Rebellion beizutreten und mit ihr kämpfen. Und das an der Seite von Jack. «Ryan, ich weiss, wo du dich aufhältst. Wenn es soweit ist, informiere ich dich. Ich hoffe, dass du bis dann eine Entscheidung getroffen hast. Du wärst ein wertvoller Verbündeter, denk daran. Und denk an Liv.» Ryan nickte still. «Wir sehen uns», sprach Draven als Abschied und verschwand wieder aus dem Gasthaus. In der Hoffnung, dass er Ryan dennoch von der Sache überzeugen konnte.

Die Reise des DrachenmädchensWhere stories live. Discover now