13. Ein Plan im Gepäck

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Der Weg, der Jack mit Liv ging, um auf die Burg zu gelangen, war wunderschön. Die Blätter strahlten lebhaft grün und tauchten den Wald in ein magisches Licht. Jack tat ganz geheimnisvoll, was seinen Plan anging. Er wollte ihn erst verraten, wenn alle anwesend waren. Liv erklärte ihm, dass Alice alle Rebellen hergerufen hatte und dass bereits jeder hier war. „Umso besser!", meinte Jack dazu. Lang gingen die Beiden schweigend an den gigantischen Bäumen vorbei. „Wie konntest du aus der Burg des Königs fliehen? Alice hat mir erzählt, dass es noch nie jemand geschafft hat dem König zu entkommen", brach Liv die Stille. Jack warf Liv einen wütenden Blick zu, der ihr sagen sollte, dass er nicht darüber sprechen wollte. Aber Liv gab sich nicht damit zufrieden. Sie blieb trotzig stehen und stemmte die Hände in die Hüfte. „Du vertraust mir wohl nicht, was?! Aber ich vertraue dir, Jack. Egal was es auch ist, du kannst es mir sagen." Jack stampfte wütend auf Liv zurück und zerrte sie am Arm weiter. „Jack!", Liv riss sich wieder los und machte einige Schritte zurück. „Scheisse, ich bin so froh, dass du wieder da bist. Aber du hast dich irgendwie verändert. Was ist vorgefallen in der Burg? Wen hast du getroffen?" „Ich kann es dir nicht erzählen, kapier das einfach!", schrie Jack gereizt zurück. Verdutzt von Jacks harten Worten setzte Liv sich freiwillig wieder in Bewegung. Jack seufzte und versuchte Livs Hand zu greifen, doch sie zog sie beleidigt weg. „Liv, es tut mir leid. Ich wollte nicht so heftig reagieren. Es ist nur gerade echt viel passiert. Ich bräuchte erst mal eine Pause von dem Ganzen. Aber ich muss mich um den Plan und die Organisation der Rebellion kümmern. Jede Sekunde, die der König länger regiert ist eine Verhöhnung der Rebellen und eine Qual für die Bevölkerung." Völlig kraftlos setzte sich Jack in den Tau des Morgens und lehnte sich müde gegen einen Baum. Er blickte in den Himmel. Liv setzte sich schweigend neben ihn hin. „Du musst mich verstehen, im Kerker sind Sachen vorgefallen, die mich total durcheinandergebracht haben. Längst vergangene Dinge kamen wieder an die Oberfläche und verletzten mich wieder. Es ist einfach zu viel." Jack vergrub gebrochen sein Gesicht in den Händen. Einfühlsam legte Liv eine Hand auf seinen Rücken. „Tut mir leid, ich wusste nicht, dass es so schlimm ist." Jack schüttelte den Kopf. „Ach was. Ich sollte mittlerweile darüberstehen können." Entschlossen stand er wieder auf, setzte eine ernste Miene auf und reichte Liv die Hand. Sie griff danach und folgte Jack bis zur Burg. „Vielen Dank für dein Verständnis", meinte Jack kurz bevor sie durch das riesige Haupttor auf den Vorplatz der Burg traten. Die Tore öffneten sich langsam und dahinter kamen jubelnde Leute hervor. Liv beobachtete, wie Jack mit offenen Armen empfangen wurde und wie sich alle freuten, dass ihr Anführer wieder unter ihnen war. In diesem Moment schien alles so friedlich, als ob jeder den Grund vergessen hatte, der die Rebellion antrieb. Strahlend folgte Liv Jack und ging in der Masse der Fabelwesen unter. Doch dann entdeckte sie einen grossen lilafarbenen Fleck, der zwischen all den Figuren hervor schimmerte. Völlig aufgelöst drängelte sie sich durch die Masse an Leuten hindurch zu Pandora. Tränen liefen Liv über die Wangen, als sie Pandora endlich wieder in die Arme schliessen konnte. Sie liess ihren Drachen nicht mehr los. Sie hatte sich noch nie in ihrem ganzen Leben so sehr gefreut. Endlich hatte sie wieder etwas Vertrautes und Geliebtes an ihrer Seite. Ihr Glück könnte nicht grösser sein. Jack und Pandora zurück und das auf einen Schlag.
Die Leute waren mittlerweile alle in der Burg verschwunden. Nur noch einige verlorene, aber lachende Seelen wanderten auf dem Platz herum. Langsam gesellte sich auch Liv zu den Rebellen. Jack hatte ihr einen Platz am Tisch freigehalten. Alle waren gekommen, sie sassen an einem grossen Tisch und sollten helfen Jacks Plan in die Tat umzusetzen. Nur leider fanden sie den Plan, der Jack kurz davor bereits einmal kurz und knapp erklärt hatte für viel zu riskant und gefährlich. Jack, der am oberen Ende des Tisches sass, schwieg nachdenklich, während die Männer und Frauen über den Plan diskutierten. „Jack, so sehr ich dich als unseren Anführer respektiere... Das Mädchen hat keinen guten Einfluss auf dich!", brüllte dieser Theo, der noch am Morgen mit Jack am Strand gekämpft hatte, «Sie macht dich weich!» Eine strohblonde Köchin kam aus einem Nebenzimmer und stellte einen riesigen Topf mit Suppe auf den Tisch. Liv atmete den Duft tief ein und genoss die Wärme, die die Suppe verbreitete. Die Leute begannen wieder lautstark zu diskutieren und ignorierten die leckere Suppe. Jack schlug mit der geballten Faust auf den Tisch, sodass das Besteck einen Sprung in die Luft machte. „Ruhe!", schrie er wütend. Jeder schloss seinen Mund und schaute Jack verwundert an. „Als erstes will ich, dass alle die keine Anführer einer Truppe sind, den Raum sofort verlassen." Mürrisch standen einige auf und stampften durch eine Holztür aus dem Raum. Endlich konnte man wieder freier Atmen. „Theo, du und Liv bleibt bitte." Zornig setzte sich Theo Liv gegenüber und starrte ihr in die Augen. „Dann lasst uns mal die Suppe geniessen. Romina hat sie zu Ehren meiner Rückkehr gemacht", meinte Jack mit einem Lächeln in die Richtung der Köchin, die sofort verlegen rot anlief und einen kleinen Knicks vollbrachte. Jack löffelte die Suppe, in seinem Teller hastig aus. Er hatte seit vielen Tagen kein richtiges Essen mehr zwischen die Zähne bekommen und war verständlicherweise ziemlich hungrig. Alle schwiegen und genossen die warme Mahlzeit. Als alle ihre hölzernen Schalen ausgelöffelt hatten, richteten sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Jack. Dieser versuchte noch einmal in Ruhe den Plan im Detail zu erklären. „Wir werden unsere Spuren verwischen, indem wir so viele Suchplakate wie nur möglich finden und vernichten. Der König wird unsere Gesichter schnell vergessen. Er ist ein arroganter Dummkopf, der wichtigere Gedanken hat als ein paar abtrünnige Verbrecher. Und während wir das tun, wird jemand das Vertrauen des Königs gewinnen und ihn dann töten." Unruhe machte sich breit und alle unterbrachen Jack ständig. Niemand hatte ihm richtig zugehört. „Scheisse. Wer zum Teufel soll das Vertrauen des Königs denn gewinnen sollen? Der König weiss wie wir aussehen, er hat Suchplakate!", schrie ein Mann und andere stimmten ihm zu. Genervt rieb sich Jack die Schläfen. Erzürnt erhob sich Alice so schnell von ihrem Stuhl, dass er umkippte. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Bis jetzt hatte sie noch nichts gesagt und hatte sich ständig zurückgehalten. „Verdammt noch mal! Wenn ihr Jack nur einmal richtig zuhören würdet, hättet ihr den Plan auch schon längst kapiert! Es ist so simpel und doch so clever, was er sich ausgedacht hat! Jetzt haltet eure scheiss Klappen und hört ihm zu!", schrie sie in die Runde. „Oh, schaut euch das an! Ein maskierter Waldzwerg will uns sagen was wir zu tun haben!", spotteten die Männer am Tisch. Jetzt hatte auch Liv genug und stand auf. „Ihr glaubt also einen besseren Plan zu haben und etwas Besseres zu sein?!" Einer der Männer erhob sich bedrohlich von seinem Stuhl. „Wollen wir sehen wer der Bessere ist?", fragte er mit einem gefährlichen Lachen im Gesicht. Liv zückte den Dolch, den sie von Alice zum Trainieren bekommen hatte und der Mann lief mit geballten Fäusten auf Liv zu. Erst jetzt fiel ihr auf, wie gross der Mann tatsächlich war und musste kurz leer schlucken. Die Männer begannen ihn anzufeuern und der Mann sprang bereit für einen Kampf von einem Fuss auf den anderen. „Na komm schon, Kleine!", forderte er Liv heraus. Alle am Tisch standen langsam auf und klatschten in die Hände. Der Mann erhob seine geballte Faust und holte zum Schlag aus. Doch bevor die Hand Liv traf, war Theo aufgetaucht hinter dem Mann aufgetaucht und war eingeschritten. Er packte die Faust des Mannes und drehte sie ihm grob auf den Rücken. Mit schmerzverzerrtem Gesicht drehte der grosse Mann sich wütend um und versuchte nach Theo zu schlagen. Doch Theo wich ohne grosse Mühe aus. Kraftvoll stiess er den Mann dann wieder auf seinen Stuhl zurück. „Nicht bei uns, sondern beim König soll Blut vergossen werden", meinte Theo entschlossen, als er sich wieder setzte und dem Mann einen wütenden Blick zuwarf. Jetzt schwiegen alle Männer und blickten zu Jack, der immer noch genervt an seinem Platz sass. „Jetzt hört mich endlich an! Und streitet nicht mehr, sonst sperre ich euch zu den Rittern in den Kerker!" Jack stand auf und stemmte die Hände auf den Tisch. Endlich schien er die volle Aufmerksamkeit zu haben. „Wir werden in die Stadt gehen und jeden scheiss Ritter abstechen, der uns über den Weg läuft. Aber das Hauptziel ist, diese Suchplakate abzuhängen und alle Dokumente von uns zu zerstören. Dann hat der König nichts mehr in der Hand gegen uns. Da unsere Gesichter trotzdem bekannt sind, werden wir uns maskieren. Und um den König kümmern wir uns gleichzeitig und dabei wird uns dieses Menschen-Mädchen", Jack zeige auf Liv, die sich auch wieder gesetzt hatte, „eine grosse Hilfe sein. Der König hat sie noch nie gesehen. Sie wird auf einem seiner Bälle auftauchen und dafür sorgen, dass er alleine sein möchte mit ihr. Wenn sie sein Vertrauen hat, ist es ein leichtes Spiel ihn zu töten!" Jack lachte zufrieden in die Runde und die Männer brüllten alle gemeinsam. „Jaa!" „Endlich wird es zu Ende gehen mit der Tyrannei dieses Arschlochs! Kein Bauer wird mehr unterdrückt und kein Mann mehr in den Krieg für mehr Land geschickt!" Alle jubelten gemeinsam und waren begeistert. Nur Liv stand etwas fassungslos da. Sie kannte diesen König zwar nicht, doch hatte sie schon genug Geschichten gehört, um zu wissen, dass er ein brutales und erbarmungsloses Monster war. Wie sollte es ihr gelingen sein Vertrauen zu gewinnen, wenn sie ihn doch so verabscheute? Ihr wurde schlecht bei dem Gedanken daran, was der König alles mit ihr anstellen könnte. Doch Jack baute auf sie. Sie konnte jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Ohne sie würde der Plan nicht funktionieren.

Die Reise des DrachenmädchensWhere stories live. Discover now