Kapitel 1 Erinnerungen

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Ende Dezember 2014

Ein Klingeln riss mich aus dem Schlaf und ich öffnete lustlos eines meiner Augen. Wie erwartet war es mein Wecker, der mich mal wieder terrorisierte. Irgendwann sollte ich mir einen Radio Wecker kaufen, der nervte nicht so.

Murrend zog ich meinen Polster über den Kopf und wollte weiter schlafen, doch dann wurde schon von meinem Zimmergenossem meine Zimmertür aufgerissen und die Rollos geöffnet. Sonnenstrahlen beleuchtenden mein Zimmer und quietschend versteckte ich mich unter meiner Decke.

Mein Zimmergenosse war jedoch unerbärmlich und begann mit einem Kochlöffel auf eine Pfanne zu schlagen." Aaaufwaaachen Eliaaa! Es ist Uni Zeit!"." Bist du völlig übergeschnapt Phil?! Hör auf! Ich komme ja schon raus.", quietschte ich und kam aus meinem Versteck heraus.

Phil lächelte mich mit einem neckischem Grinsen an und sagte kopfschüttelnd:" Ts, ts, ts Elia. Du weißt doch, ich bekomme dich anders nicht wach! Aber komm jetzt, Martin hat Frühstück gemacht und Kelly ist mit ihren Yoga Schnickschnack schon fertig."

Von draußen hörte ich Kelly rufen:" Das habe ich gehört Philemon!" und ich musste lachen. Den Spitznamen hat sie von dem Spiel Pokèmon abgeleitet, da Phil sehr viel auf seinem Nintendo zockte. Mein Zimmergenosse verzog verärgert eine Schnute und murmelte daraufhin:" Mann, die hört mich von überall, how creepy."

Ich schüttelte belustigt meinen Kopf. Phil war wahrlich ein Unikat. So verrückt konnte nur er sein. Doch trotzdem war er auch mein Retter.

Ich erinnerte mich noch gut daran, was vor knapp einem Jahr geschah, nachdem ich geflohen bin. Nach langem fliegen bin ich erschöpft vom Himmel gefallen und habe mich wieder in einen Menschen verwandelte. Ich landete in einem Wald und eigentlich wäre ich dort  gestorben, da ich mich vor Erschöpfung keinen Meter mehr weiter bewegen konnte, hätte mich Phil nicht gefunden. Natürlich fragte er mich, von wo ich herkam und ich erzählte ihm die Wahrheit.

Ja, Phil wusste von meiner Elemantary Seite und er akzeptierte meine Unnormalheit. Er fand sie sogar recht cool und fuhr mit mir wann immer wir Zeit hatten in den Wald oder in die Berge, damit ich mich verwandeln konnte.

Ich war froh gleich so einen guten Freund wie ihn gefunden zu haben, nachdem...das mit Noel war.

Ich habe recht lange nach Noels Verbannung niemanden auf mich eingelassen, doch Phil durchbrach meine Schale und irgendwann auch Kelly und Martin. Aber ich bin selbst jetzt noch immer fassungslos was da vor einem Jahr geschah. Ich kann es noch immer nicht akzeptieren, dass mein Engel weg sein sollte. Ich ihn nie wieder sehen würde. Nie wieder seine Schwingen streicheln konnte. Nie wieder ihn so himmlisch küssen konnte. Das alles sollte ich nie wieder machen? Nein.

Nein, er hat mir versprochen zurück zu kommen...er hat es mir versprochen. Er würde mich niemals belügen.

Ich hatte Hoffnung, doch mit jedem Tag der verging schwand sie.

"Elia? Alles in Ordnung?", fragte mich Phil und riss mich aus meinen Gedanken. Verwirrt sah ich ihn an und er erklärte mir:" Du hast so komisch herum gestarrt und dich nicht bewegst. Musstest du wieder... an ihn denken?" Ich nickte und er sah mich mitleidig an. Von Noel und mir wusste er natürlich auch...

"A-aber es geht schon wieder. Geh schon mal vor, ich muss kurz ein bisschen durchatmen.", murmelte ich und er nickte verständnisvoll. Er schloss die knarzende Tür hinter sich. Ich ging nachdem zu der anderen Seite des Zimmers und lehnte meine Stirn gegen die kalte Fensterscheibe. Ich war in zwei gerissen. Ich wollte Noel einerseits umbedingt wieder haben, doch andererseits ihn einfach nur vergessen. Ich will mit meinem alten Leben abschließen, doch das ging nicht. Immer wieder muss ich an ihn denken. Mich mit schönen Erinnerungen quälen.

Ich schloss verbittert meine Augen, doch trotzdem stahl sich eine Träne aus meinem Augenwinkel und kullerte meine Wange herunter. Wieso musste all dieses Pech nur mir passieren? Was habe ich falsch gemacht? Wieso habe ich kein Happy End verdient?

Wie fast jeden Tag begann sich wieder Leere in mir breit zu machen. Drohte mich wieder gefühlslos zu machen und mich in die Dunkelheit zu stürzen. Doch ich dürfte das nicht zu lassen. Ich musste Noel vergessen! Ich musste jetzt endlich aufhören ihm nach zu trauern! Er wird nie wieder kommen! Das ist doch die Wahrheit, die ich mir nicht eingestehen will.

Ich schluckte. Aber...ich wollte ihn ja nicht vergessen...oh ja, ich war wahrlich eine zweigespaltene Perönlichkeit.

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Nach fast zehn Minuten hatte ich mich endlich beruhigt und ging aus meinem Zimmer. Genau da öffnete sich neben mir die Badezimmertür und Martin trat heraus. Und das nackt.

"Oh Gott Marti! Nur weil du schwul bist kannst du nicht einfach so hier herum rennen und mit deinen Kronjuwelen hin und her wackeln!", kreischte ich und drehte mich sofort um." Wieso nicht? Gefällt dir nicht was du da siehst?", fragte er mich neckisch. Okay, Marti war zwar ein wirklich hübscher Junge mit seinen brünetten Haaren und seinem großem und athletischem Körper, doch mich interessierte wirklich nicht wie sein Mister junior aussah.

Vielleicht würden das ein paar Mädchen gerne sehen (*hust* nur Flittchen *hust*), doch die musste ich auch enttäuschen. Martin war wie zuvor schon erwähnt schwul und in einer Beziehung, wofür ich mich für ihn freute. Ich fand es schön, dass er sich nicht dafür schämte einen Jungen zu lieben.

"Hey El....Marti! Nimm dir ein Handtuch!", quietschte Kelly, die gerade die Treppen hinauf kam. Genau so wie ich drehte sie sich sofort um und ging rückwarts die Treppen hinauf, wobei ihre vielen kleinen brünetten Zöpfchen herum wackelten. Brummend verschwand er sogar wieder zurück in das Badezimmer und ich musste mich schütteln.

"Na super das Bild von seinem bestem Stück werde ich nie mehr vergessen", grummelte ich und Kelly lachte." Guten Appetit beim Frühstück!", wünschte sie mir sarkastisch und grinste mich an. Ich schaute sie eher unglücklich an und sie lachte wieder, dann verschwand sie in ihr Zimmer.

Ich hingegen ging die Treppe hinunter und sofort rechts in die Küche, damit ich mir einen guten starken Kaffee machen konnte. Oh ja, nach diesem...ähm "besonderem" Morgen brauchte ich etwas starkes.

Ich holte mir meine Lieblingstasse aus dem Küchenregal und drehte die Kaffeemaschine auf, die sofort laut zum Arbeiten anfing.

Nachdenklich lehnte ich mich gegen die Herdplatte. Wie es wohl gewesen wäre, wäre ich jetzt nicht in einer WG mit Phil, Martin und Kelly? Ohne den drein hätte ich wahrscheinlich Selbstmord begangen. Sie alle peppelten mich wieder auf und ließen mich jeden Tag lachen. Ich sollte mich mal wirklich ausführlich dafür bedanken.

Ein 'Ping' riss mich aus Gedanken und ich bemerkte, dass der Kaffee fertig war. Schnell schnappte ich mir diesen und die Zeitung von heute, dann setzte ich mich an unseren Glastisch und frühstückte.

Bright AngelsWhere stories live. Discover now