Kapitel 39 - Letzte Formalitäten

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Ich wusste nicht genau, was ich darauf antworten sollte. Natürlich wollte ich nach ihm sehen, sonst hätte ich ja auch einfach mit Zu William fahren können. Aber ich hatte mich entschieden hier im Krankenhaus vorbeizuschauen.

Und natürlich vermisste ich ihn auch, aber konnte ich ihm das so sagen? Er würde denken, alles wäre beim Alten. Aber das war es bei weitem nicht.

Ich lächelte Justin an. Es war ein ehrliches Lächeln. Ich war so froh, dass es ihm gut ging und er lächelte. Auch wenn es wegen mir war, und ich ihn enttäuschen würde.

Ich konnte noch nicht wieder mit ihm zusammen sein. Ich musste ihm erst vollkommen verzeihen, was nicht mal grad so getan war. Ich brauchte Zeit.

Justin schien das nicht zu verstehen. Oder er wollte es nicht akzeptieren. Er war so lieb zu mir, so vorsichtig, als wenn er mich weiter verletzten würde.

Und ehrlich gesagt, das tat er auch. Dadurch fühlte ich mich schlecht. Dass ich irgendetwas getan haben könnte. Dabei wollte ich ihm nur in Ruhe verzeihen. Aber er wollte einfach da weiter machen, wo wir aufgehört hatten, bevor ich ihm im Club gesehen hatte.

Justin merkte wohl, dass ich nicht so recht wusste, was ich tun sollte.

"Ich darf wahrscheinlich morgen wieder nach Hause. Holt ihr mich ab?"

"Klar. Ich sage William Bescheid.", meinte ich lächelnd. Ich wollte ihm gegenüber nicht so kalt sein. Ich liebte ihn immer noch, und so langsam bekam ich das Gefühl, dass er mich auch liebte. Ich wollte ihm irgendwie zeigen, dass sich alles bessern konnte. Dass ich ihm verzeihen konnte. Nur das war keine Sache von wenigen Minuten. Das brauchte nun mal seine Zeit.

"Danke."

Ich setzte mich auf den Stuhl, der direkt neben seinem Bett stand. Ich wusste nicht, wie lange ich hier sein durfte, bis William kommen würde, weil er wieder weg wollte.

"Ich hab mal ne Frage.", meinte Justin vorsichtig.

Ich konnte mir schon vorstellen, was jetzt kam. Er hatte wahrscheinlich wieder eine Frage über uns. Ob ich ihm verzeihen könnte. Oder ob ich ihm schon verziehen habe. Ich wollte nicht, dass er so etwas fragte. Er sollte nicht so verzweifelt sein wegen mir.

"Wegen Ryder..Habt ihr da nochmal drüber geredet?"

Ups, wohl doch nicht, was ich dachte. Innerlich viel mir mehr als nur ein Stein vom Herzen. Ich wollte nicht nach einer Antwort für ihn suchen. Ich hatte die Antwort ja selbst nicht.

Ich erzählte ihm, wie wir, oder eher ich auf die Idee gekommen war, dass er vielleicht ja noch gar nicht bemerkt hatte, dass sich ein Peilsender in seiner Jacke befand. Ebenfalls erzählte ich, dass wir ihn geortet hatten und er sich weit weg von New York befand.

Justin nickte immer mal wieder. Ich hoffte, dass er sich nicht schon überlegte, wie er ihn schnappen könnte. Ich musste ihn überreden, zu Hause zu bleiben. Es durfte nicht noch mal genauso enden. Nachher würde Ryder ihn nochmal anschießen.

"Hat John oder so schon gesagt, wann sie ihm folgen wollen?"

Ich schüttelte den Kopf. "Sie haben gesagt, sie würden das Ganze erst weiter verfolgen. Dann würden sie gucken, wo er sich häufiger befindet, und ihn da schnappen."

Justin nickte verständlich. Plötzlich klopfte es an der Tür. Wenige Sekunden später stand eine Krankenschwester in ihren weißen Klamotten vor uns.

"Guten Tag Mr. Bieber. Wie ich ihnen bereits gesagt habe, können Sie morgen nach Hause. Davor müssen Sie aber gleich noch zum Chefarzt, um letzte Sachen zu besprechen. Oder am besten machen sie das morgen Früh, dann können sie direkt danach nach Hause", meinte die nette Krankenschwester und Justin nickte wieder.

Irgendwie glaubte ich, dass er sich freuen würde. Trotzdem hatte ich Angst. Dabei konnte ich sie noch nicht mal genau beschreiben. Irgendwie hatte ich Angst, weil er mich einfach so besuchen, und mit mir reden konnte. Andererseits freute ich mich für ihn, weil er es hier nicht gerade mochte.

Ach, alles, was ich hier gerade vor mich hin laberte, ergab doch keinen Sinn. Und schon fing es wieder an. Er raubte mir den Verstand. Ohne Absichten oder auch nur Versuchen meinen Verstand zu rauben. Er tat es einfach so, immer wieder.

Die Krankenschwester verließ wieder den Raum. Jetzt war es leise. Diese verdammt unangenehme Stille brachte mich fast um. Warum musste es sofort so unangenehm sein?

"Ich...Ich glaube, ich sollte gehen.", meinte ich unsicher. Jetzt merkte Justin mir meine Unsicherheit ganz sicher an. Justin nickte niedergeschlagen.

Und schon wieder wäre ich ihm um den Hals gefallen. Jetzt sah er wieder so traurig aus, wie ein verlorener Welpe, der seine Mutter nicht wiederfand.

Mir drohten wieder Tränen die Wangen hinunter zu kullern, doch ich hielt sie mutig auf. Ich durfte nicht weinen. Ich brauchte in Ruhe meine Zeit. Der Moment, in dem alles besser sein wird, würde schon noch kommen.

"Wir kommen morgen Vormittag wieder, um dich abzuholen, ok?", fragte ich, bevor ich den ersten Schritt aus der Tür heraustrat.

"Ja..Und..Danke"

Ich schaute ihn erst verwirrt an, nickte dann jedoch. Wofür bedankte er sich?

Ich ging den langen Flur des Krankenhauses entlang, auf der Suche nach William, der hier irgendwo sein musste.

Nach wenigen weiteren Metern sah ich ihn auch. Jedes Mal, wenn ich ihn sah, erinnerte ich mich daran, dass er ja mein Vater war. Mein biologischer Vater zumindest. Aber ich konnte ihm gegenüber null Gefühle aufbringen. Wirklich null. Er war für mich immer noch eine gefühlskalte Person, der alles egal war. Er war immer noch ein Arschloch.

Als er mich sah, blickte er auf. Er hatte zuvor natürlich wieder auf sein Handy geguckt, was auch sonst?

"Justin kann morgen nach Hause. Morgen Vormittag.", meinte ich. Ich wollte so wenig wie möglich mit ihm reden. Jede einzelne Konversation versuchte ich zu meiden, auch wenn er es immer wieder versuchte, ein Gespräch anzufangen. Er hatte sich doch mein Leben lang nicht für mich interessiert. Warum sollte er es denn dann jetzt tun?

Ich sah darin keine Logik, und redete deshalb so gut wie nie mit ihm. Es sei denn es war wichtig, wie gerade jetzt.

William nickte und zusammen gingen wir zu dem schwarzen Range Rover, der auf dem Parkplatz stand und mir jedes Mal wieder Erinnerungen in meinen Kopf schießen ließ.

Out of Controlحيث تعيش القصص. اكتشف الآن