Kapitel 37 - Erniedrigend

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"Justin.", sagte ich. Doch bevor ich weiter denken oder reden konnte, hörte ich das Knallen der Tür. William hatte den Raum verlassen. Irgendwie fand ich das gut. Immerhin wollte ich mit Justin allein sein, und ich hatte das Gefühl, er wollte irgendwas sagen.

Ich drehte mich wieder um zu Justin und blickte ihn direkt in seine haselnussbraunen Augen, in denen ich jedes Mal wieder versank. Ich konnte meinen Blick nicht von ihnen wenden. Es fühlte sich an wie Hypnose.

Auch Justin guckte mir in die Augen, wollte jedoch anfangen zu sprechen. Ich wusste nicht, ob er nicht wusste, wie er das sagen sollte, oder ob er dran zweifelte, ob er es wirklich tun sollte.

Ich hoffte auf das erste. Ich weiß nicht, wieso ich das tat, aber er konnte mir alles erzählen. Er sollte mir nichts verschweigen.

Justin überlegte noch kurz, ehe er anfing zu sprechen. "Ly. Schön, dass du da bist.", meinte er und schaute mich mit einem liebevollen Blick an. Dabei müsste ich eigentlich diejenige sein, die liebevoll zu ihm war.

"Ich musste sehen wie es dir geht.", meinte ich ehrlich. So war es ja auch. Als ich das gesagt hatte, sah ich, wie sich sein Mund zu einem Lächeln verzog. Ich musste ebenfalls etwas schmunzeln, wollte jedoch ernst bleiben. Ich durfte ihm keine falschen Hoffnungen machen. Ich musste ihm erst wieder vertrauen können. Vertrauen, das er missbraucht hatte.

"Mir geht's soweit eigentlich gut. Ryder, dieser mieser Wichser..".

Man merkte, wie er plötzlich wütend wurde. Seine Falte zwischen den Augenbrauen wurde wieder größer und seine Stimme zorniger. Aber er sollte sich jetzt nicht aufregen.

"Schon ok. Irgendwann wird er seine Strafe bekommen.", sagte ich, aber gleichzeitig bekam ich eine Gänsehaut. Ryder rannte hier immer noch frei rum. Er konnte mich aufsuchen oder sogar umbringen. Ich hatte riesige Angst. Ich wollte ihn kein einziges Mal mehr sehen.

Justin nickte noch, bevor es an der Tür klopfte. Eine Krankenschwester betrat den Raum. Die Schwestern guckten wohl bei jedem immer wieder nach dem Rechten, denn ich hatte ihr nicht Bescheid gesagt. Oder William hatte Bescheid gesagt, weil er nicht wollte, dass wir reden.

Ok nein, ich durfte nicht immer so paranoid sein. Eigentlich war es ja auch wichtig, dass eine Schwester immer mal wieder hereinkam.

"Ich sehe, sie sind wach Mr. Bieber. Geht es ihnen soweit gut?"

"Ja, mir geht es schon besser", meinte Justin.

Sie notierte sich noch etwas, bevor sie wieder den Raum verließ. Jetzt waren Justin und ich wieder alleine. Justin überlegte wieder kurz, fing dann jedoch an zu sprechen.

"Er stand da so plötzlich, als ich nochmals in das Haus wollte. Dann hat er mich angeschossen und ist weggerannt. Falls du die Geschichte noch nicht genau kanntest..", meinte Justin. Zum Schluss wurde er sehr nachdenklich.

"William hat es mir schon so ungefähr gesagt, aber wie genau das passiert ist, wusste ich nicht.", sagte ich.

"Warum war ich so dumm? Ich hätte besser aufpassen müssen. Das war so leichtsinnig.", meinte Justin wütend und wurde immer zorniger. Er war sauer auf sich selbst. Warum machte er sich Vorwürfe? Er hatte absolut nichts falsch gemacht.

"Justin, mach dir keine Vorwürfe. Ryder sollte da schon längst von William oder so getötet worden sein. Woher solltest du wissen, dass er plötzlich da steht?", meinte ich, um ihn zu beruhigen. Ich wollte nicht, dass er sich Vorwürfe machte und sauer auf sich selbst war.

Justin nickte leicht und sagte erstmal nichts mehr. Er sah einfach auf die weiße Wand, als wenn es das Interessanteste auf der Welt wäre.

"Warum bist du eigentlich hier?", fragte Justin plötzlich. Er klang nicht mehr wütend, aber auch nicht wirklich nett oder glücklich. Seine Stimme war neutral. Emotionslos.

"Justin? Du wurdest angeschossen. Ich wollte sehen, wie es dir geht. Du hättest tot sein können.", meinte ich leicht verzweifelt.

"Als wenn ich dich noch interessieren würde. Du willst doch nichts mehr mit mir zu tun haben. Du könntest jetzt auch schön zu Hause sein. Aber nein, du kümmerst dich lieber über den Krüppel-Justin."

Warum hatte er jetzt plötzlich so einen Stimmungsumschwung? Hatte ich irgendetwas getan?

"Justin, merkst du überhaupt noch was? Ich habe fast die ganze Zeit, in der du noch geschlafen hast, geweint. Meinst du, ich würde hier stehen, wenn ich nichts für dich empfinden würde? denkst du das wirklich?"

Justin wurde wieder nachdenklich. Er sagte nichts mehr, schaute einfach nur noch aus dem Fenster und schien zu überlegen. Er wirkte traurig. Ich wollte ihn nicht so sehen. So zerbrechlich irgendwie. Es tat mir so weh, ihn so zu sehen.

"Mit mir wieder zusammenkommen willst du aber trotzdem nicht.", meinte Justin nach einigen Minuten der Stille.

Machte ihm das wirklich so zu schaffen? War es so schlimm für ihn? Hatte es ihn so verletzt, dass wir nicht mir zusammen waren und ich nichts mehr von ihm wissen wollte? Ich konnte das eigentlich nicht glauben, aber ich wollte es. Denn das würde zeigen, dass ich ihm auch etwas bedeutet hatte und es noch immer tue. Es würde mich beruhigen und ich könnte ihm schneller verzeihen.

"Justin..Ich bin nicht gekommen um dich stürmisch zu küssen und wieder mit dir zusammenzukommen. Ich bin hier, weil ich mich um dich sorge. Du bist mir wichtig. Und du musst auch verstehen, dass ich dir nicht einfach verzeihen kann. Auch, wenn du die Schuld auf den Alkohol und Jaden schiebst, ist das keine Entschuldigung. Du hast mit der Barbie geschlafen, mein Gott. Weißt du, wie sehr mich das verletzt hat, und es auch immer noch tut?"

Justin schaute mich an. Sein Blick war so...so unbeschreiblich irgendwie. Er sah immer noch traurig aus, aber er hatte Hoffnung in seinem Blick. Er sah etwas glücklicher aus. Dabei hatte ich ihm ja nicht unbedingt Komplimente gemacht.

"Heißt das, du liebst mich noch?", fragte Justin hoffnungsvoll.

Ob ich ihn noch liebte? Fragte er mich das gerade wirklich? Meine Gefühle waren viel zu stark, um ihn nicht zu lieben.

"Ich könnte nie damit aufhören, dich zu lieben. Aber gib mir Zeit. Zeit, in der ich nachdenken und dir verzeihen kann. Wir werden uns noch oft sehen und ich werde dir auch immer zur Seite stehen. Wenn ich dir verziehen habe, sage ich dir Bescheid.", antwortete ich wahrheitsgemäß und lächelte dabei.

Justin fing an zu Lächeln. Dieses Lächeln war so schön und gab mir ein gutes Gefühl. Ich wusste, dass ich dieses Gefühl brauchte, um weiterzuleben. Und irgendwann werde ich ihm verzeihen. Und das wahrscheinlich schneller als erwartet.

Wir verabschiedeten uns, da ich wieder los musste. Oder eher gesagt William. Ich gab Justin einen Kuss auf die Wange und machte mich auf den Weg zur Tür.

Und so ging ich mit einer letzten Träne, die mir über die Wange lief, aus der Tür.

Out of ControlWhere stories live. Discover now