Kapitel 31 - Wiedersehen

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Musste ich jetzt ernsthaft Justin Wiedersehen? Konnte ich nicht einfach bei William bleiben?

Mich betraf das sowieso nicht mehr. Und außerdem musste ich genug Sachen aushalten, während ich versucht hatte, die Aufgabe, den Peilsender anzubringen, zu erfüllen. Das war der schlimmste Tag meines Lebens. Ich würde auch in 50 Jahren, wenn ich denn dann noch leben würde, noch daran denken.

Und auch nie wird mir Justin's Blick aus dem Kopf gehen. Zwar wollte ich nichts mehr von ihm wissen, aber einen solchen Blick hatte ich noch nie bei einer Person gesehen. Noch nicht mal bei meinen Eltern.

Aber die wollte ich sowieso nie wieder sehen. Sie interessierten sich nicht für mich, und ich halt auch nicht für sie. Anscheinend vermissten sie mich auch nicht. Wahrscheinlich wussten sie sogar schon vorher, dass ich entführt werden würde.

William und ich waren gerade auf den Weg zu dem Hauptsitz, das Gebäude in dem ich schon gefühlte tausendmal war. William hatte mir gerade eben mitgeteilt, dass sie heute damit beginnen würden, diese andere Truppe zu orten. Das war ja alles schön und gut, aber warum musste ich mitkommen? Ich wollte Justin nicht sehen. Ich wollte generell nichts mehr mit diesem ganzen Sachen zu tun haben.

Aber wehren konnte ich mich dagegen nicht, weshalb ich mich einfach fertig gemacht, und gewartet hatte, bis William losfahren wollte. In welchem Auto wir saßen musste ich wohl nicht sagen. Aber dieses Gefühl, wenn ich in diesem Auto saß, war nicht gerade gut. Warum sollte es das auch sein?

Wenige Minuten später kann wir auch schon an. Daniel's und Jaden's Auto standen da jeweils schon, während von Justin's weit und breit nichts zu sehen war. Laut William kam er bei solchen Treffen immer zu spät. Warum, wusste er auch nicht. Aber es war mir egal.

Ich hatte heute definitiv schlechte Laune. Zwar hatte ich gut geschlafen, aber das hatte William ruiniert, als er mir gesagt hatte, was wir heute tun werden. Ich durfte mir nicht anmerken lassen, wie sehr mich das Ganze, was Justin getan hatte, verletzte. Ich wollte einfach nichts mehr von ihm und fertig.

Wir stiegen aus und gingen hinein. Auch dieses Mal gingen wir direkt weiter, und blieben nicht erst in der großen Eingangshalle stehen. Allerdings gingen wir diesmal in einen anderen Raum, der wohl für solche Sachen spezialisiert war. So sah es für mich zumindest aus.

John, Richard, Daniel und Jaden saßen bereits schon und schauten wieder auf ihr Handy. Mal was ganz neues. Als sie uns bemerkten schauten sie alle zu uns auf.

Alle guckten abwechselnd zu mir und William. Wussten sie, dass William mein Vater war? Hatte William ihnen gesagt, dass er es mir gesagt hatte? Hätten sie nicht damit gerechnet, dass ich mit William hier hin komme?

Ich fühlte mich so komisch, hintergangen irgendwie. Ich wusste noch nicht mal, ob ich das wirklich war, aber so fühlte ich mich zumindest.

Ich glaube, jeder hier wusste, was hier gerade abging. Jeder wusste, dass William mein Vater war, dass er es mir gesagt hatte und dass ich im Moment bei ihm wohnte. Vielleicht wussten sie sogar, warum ich nicht mehr bei Justin war. Also Daniel und Jaden wussten das ja ganz sicher, aber John und Richard könnten es eigentlich nicht wissen. Aber auch sie könnten eins und eins zusammenzählen.

Jetzt stand ich hier also, und kam mir vor wie der letzte Idiot. Schließlich setzte ich mich aber auf einen der vielen Stühle, und wartete, was jetzt als nächstes passieren würde.

"Unser lieber Justin brauch mal wieder ein bisschen länger, aber das sind wir ja gewohnt.", bemerkte John nach ein paar Minuten, in denen alle nur auf ihr Handy gestarrt hatten. So langsam hätte ich auch gerne wieder eins. Also ein Handy. Mir war langweilig, und mein Handy war immer eine tolle Ablenkung gewesen. Wo war mein Handy überhaupt? Eigentlich musste William es haben, denn als ich entführt wurde, hatte ich es in meiner Tasche. Er musste meine gesamte Tasche irgendwo hingetan haben. Ich würde ihn einfach gleich mal fragen.

Alle waren weiterhin auf ihr Handy konzentriert, bis John die Stille unterbrach. "Keine Ahnung, ob Justin noch kommt, aber wir können nicht ewig warten. Deswegen würde ich sagen, dass wir schon mal anfangen."

Alle setzten sich näher um den Bildschirm herum, damit sie besser sehen konnten.

"Shit. Das muss erst komplett neu laden, diese Scheiße..", meinte John, und alle setzten sich wieder zurück auf den Platz, auf dem sie vorher gesessen hatten. und natürlich schauten alle auf Knopfdruck wieder auf ihr Handy.

Plötzlich klopfte es dreimal an der Tür, welche direkt danach aufging. Als John realisierte wer das nur sein könnte, verdrehte er die Augen. Irgendwie konnten sie Justin alle nicht ab. Ich wollte ihn auch gerne hassen, aber es ging nicht.

Er hatte mich nach Strich und Faden verarscht, und auch Daniel hatte nichts getan. Und jetzt redete keiner mehr mit mir. William war mir echt sehr sympathisch geworden.

Er war ja neuerdings auch nicht einfach ein Typ aus der Mafia. Auch wenn es sich immer noch so anfühlte und ich nicht realisieren konnte, dass er mein Erzeuger war.

Justin betrat jetzt den Raum, und lies seinen Blick umherschweifen. Als letztes landete sein Blick genau auf mir. Ich konnte nicht beschreiben, was mich in seinem Blick erschaudern lies. Es lag Trauer, Wut, Angespanntheit und Stress darin. Eigentlich so wie immer, aber seine gesamte Körperhaltung war anders.

Als wenn ich ihn Jahre nicht gesehen hatte. Dabei waren es nur knapp zwei verdammte Tage, und er kam mir vor wie ein Fremder.

Für den ich aber trotzdem so starke Gefühle hatte, wie glaub ich kein anderer Mensch auf dem Planeten. So fühlte es sich zumindest an. Der Gedanke daran, dass ich immer noch die selben Gefühle hatte, sogar vielleicht noch stärkere, obwohl er mich so verletzt hatte, beunruhigte mich.

Könnte ich ihn jemals vergessen? Könnte ich jemals ohne ihn leben?

Ich wusste die Antwort, wollte sie aber nicht aussprechen. Oder eher, ich konnte es nicht.

Ich könnte ihn niemals vergessen und ohne ihn leben.

Niemals.

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