63 | Wie erzeuge ich Spannung? TEIL 4

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Hallo, ihr Menschen da draußen.

Nachdem die letzten beiden Ausgaben sehr intensiv hinsichtlich der Theorie und einzelnen Anwendungsbereichen war, möchte ich heute wieder ein wenig den Blick erweitern und über das eigentliche Schreiben hinausgucken. Wie in Ausgabe 63 schon besprochen ist es wichtig, ein "Bild" im Kopf der Leser hervorzurufen. Damit man wirklich mitfühlt, muss es sich so mitreißend anfühlen wie ein Film – inklusive genauen Bildern, die wir erschaffen können.

Doch wie? In der heutigen Ausgabe gebe ich euch nicht nur ein paar erste Tipps zum ganz praktischen Erschaffen eines literarischen Bildes, sondern auch, wie man sich an die Bilderschaffung herantasten kann – denn zuerst wirkt das Thema doch recht schwer zu erschließen.


63.1 | Warum braucht der Leser ein Bild im Kopf?

Zuallererst aber erscheint es mir logisch, die grundsätzliche Notwendigkeit eines Bildes im Kopf der Leser zu erläutern. Immerhin haben sie sich bewusst für ein Buch und nicht einen Film entschieden – wozu dann also dieses ganze Geschwafel?


Nun, auch wenn wir Worte auf Papier bringen und keine Szenen mit einer Filmkamera drehen, eint eins die Medien Buch und Film: Sie sollen den Konsumenten berühren. Und da wir Menschen doch empathischer sind, als man angesichts gewisser politischer Entwicklungen denken könnte, funktioniert das am besten, indem man den Konsumenten möglichst nah an die Buchfigur heranführt.

Wie das funktioniert? Indem die Leser sich die Figur in jeder einzelnen Situation gut vorstellen können.


63.2 | Personenbeschreibungen

Nun, das Thema Bilder und Beschreibungen ist bei euch extrem gefragt (siehe Abstimmung im Vorwort dieses Ratgebers). Hier möchte ich nur kurz darauf eingehen, weil ich zum Thema Beschreibungen/ Umschreibungen noch eine ganz eigene Ausgabe plane.

Damit die Leser sich unsere Buchfiguren gut vorstellen, sich ihnen näher fühlen und somit auch mitfiebern können, ist es eigentlich unumgänglich, ihr Äußeres zu beschreiben. Das soll allerdings nicht heißen, dass ein Steckbrief am Anfang des Buches mit Augen-, Haar- und Hautfarbe der einzelnen Charaktere notwendig ist, ganz im Gegenteil! Viel eleganter ist es, solche Details in den Text einzubauen, dabei aber kein „Infodumping" zu betreiben.

„Infodumping" bedeutet, dass man alle Informationen auf einmal auf die Leser loslässt. Das kann in einzelnen Szenen funktionieren; etwa wenn ein kriegserfahrener und eindrucksvoller General den Saal betritt und sich der Protagonist, ein Diener, vollkommen überwältigt von dessen Präsenz fühlt. Dann erfüllt es durchaus einen Zweck, das Aussehen des Generals in großem Detail zu beschreiben.

Anders verhält es sich jedoch, wenn wir uns im ersten Kapitel befinden und der Protagonist seine Freunde trifft, die er jeden einzelnen Tag sieht. Dann auf jeden in der Freundesgruppe einen oder sogar mehrere Absätze an Personenbeschreibungen zu verwenden, wirkt nicht nur überflüssig, sondern ist es auch. Wirklich. Das merken sich eure Leser sowieso nicht – und selbst wenn nehmt ihr der Szene jegliche Dynamik, denn diese ausführlichen Personenbeschreibungen erfüllen keinen anderen Zweck, als euer Wissen um das Aussehen eurer Buchfiguren abzuladen und dann schön die Handlung weiterzuspinnen.


63.3 | Beispiele

Ich möchte euch hier mal eine kleine Liste an Beispielen geben, in denen meiner Meinung nach auch ausführlichere Personenbeschreibungen angebracht sind und der Szene nicht ihre Spannung nehmen, sondern vielleicht sogar noch etwas beitragen:

• General-Szene (siehe oben): Durch die Beschreibungen diverser Militärorden, die an seiner Uniform angebracht sind und jedem Beobachter ins Auge springen, wird das Gefälle zwischen unserem Diener-Protagonisten und dem General noch deutlicher. Je nach Charakterzug des Protagonisten könnte hier entweder Bewunderung, Eifersucht oder blanke Wut auf den „Oberschichtler" im inneren Monolog zu Tage treten.

• Die ganz große Liebe: Jaja, es ist ein Klischee, aber oftmals verfällt unser Protagonist fast in Ohnmacht, wenn er das erste Mal auf eine Person trifft, in die er sich Hals über Kopf verliebt und an der er keinen Fehler finden kann. Dann bietet es sich an, besonders clever die herausstechenden äußeren Merkmale der umschwärmten Person zu beschreiben.

• Innerer Umschwung in der Einstellung gegenüber einer anderen Person: Unser Protagonist hat sich ganz grundlegend in einer Person enttäuscht, etwa entpuppt sich die ganz große Liebe aus dem Punkt eben als ein absolut arrogantes Miststück. Unserem Protagonisten, der vorher keinen einzigen äußeren Fehler an dieser Person erkennen konnte, fällt auf einmal die rosarote Brille vom Gesicht und er erkennt ihre wahre Gestalt: Die Nase ist doch etwas krummer als erwartet, die Lippen nicht so voll oder die Haut grobporig? Der Barbie-Glitzer ist verschwunden und vor unserem Protagonisten steht auf einmal eine reale Person mit echten Gesichtszügen. Wie unser Protagonist mit dieser Änderung seiner Wahrnehmung umgeht, kann sehr gut mit intensiven Beschreibungen seiner neuen Wahrnehmung vermischt werden.


Meine 1. Frage: Habt ihr noch Ergänzungen oder Anmerkungen zu meiner obigen Liste? Wann findet ihr ausführlichere Personenbeschreibungen angebracht?


Personen beschreiben, aber kein „Infodumping": Das ist eine hohe Gradwanderung, an der sich auch gerne mal die Geister scheiden. Ich zum Beispiel liebe Szenen wie das obige Beispiel mit dem General, weil ich dann die Ehrfurcht des Protagonisten gegenüber der beschriebenen Person umso mehr vermittelt bekomme. Gleichzeitig gibt es auch Stimmen, die gar keine oder kaum Beschreibungen ihrer Buchfiguren bevorzugen.


Meine 2. Frage: Zu welcher Sorte gehört ihr? Lest ihr gerne intensivere Personenbeschreibungen oder nimmt euch das die Spannung im Buch?


In der nächsten Ausgabe werden wir uns weiterhin mit Bildern beschäftigen – unter anderem mit Umweltbeschreibungen. Bis dahin wünsche ich euch alles Gute.

Mir ist soeben aufgefallen, dass das hier schon die letzte Ausgabe im Jahr 2020 ist. (Thank GOD this year is over, for heaven's sake!) Deshalb denke ich heute umso mehr an euch. Vielen lieben Dank, dass ihr mich wieder so freundlich hier auf Wattpad begrüßt habt! Es hat sich in meiner Abwesenheit einiges geändert, aber ich bin ganz fleißig dabei, mir wieder ein Gefühl für die Plattform zu erarbeiten und hoffe, euch dabei mitnehmen zu dürfen. Allzu gerne würde ich noch mehr mit euch im Kontakt stehen (und auch schneller auf eure Privatnachrichten antworten) ... ich bemühe mich sehr und freue mich immer über eure ermutigenden Kommentare und herzerwärmenden Nachrichten.

Auch auf Instagram (@pimcline) habe ich ein ganz warmes Willkommen erfahren. Falls ihr dort selbst Schreib- oder Buch-Inhalte hochstellt, folgt mir gerne und ich verspreche, ich stalke um drei Uhr morgens euren Feed. #Bookstagram ist nochmal eine ganz neue Welt, in die ich mich im neuen Jahr auch noch mehr einbringen möchte. Ob auf Wattpad oder Instagram: Ich bin wahnsinnig dankbar über den Kontakt zu euch und freue mich, wann immer ich euch eine neue Perspektive liefern oder einfach nur ein offenes Ohr bieten kann.

Frohes Schreiben und bis nächstes Jahr!

Pim Cline

P.C.'s SchreibratgeberWhere stories live. Discover now