43 | Wo befindet sich der Spielort meines Buches?

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Hallo, ihr Menschen da draußen.

Die grobe Handlung steht, die Idee ist gefestigt, die Charaktere ausgearbeitet. Doch einen Moment. Wo spielt das Ganze eigentlich? Da geht die Kreativität gerne einmal in die Sommerpause und überlässt dem Autor reiner Ratlosigkeit. Um euch da ein wenig aus der Patsche zu helfen, möchte ich die Thematik der Spielorte in der heutigen Ausgabe tiefergehend thematisieren. Dabei gehe ich unter anderem darauf ein, wie euch eure eigenen Erfahrungen und Nostalgiewerte in der Auswahl helfen können und ob, bzw. inwiefern es Sinn ergibt, immer wieder auf Metropolen zurückzugreifen. Besonderen Wert möchte ich zusätzlich noch auf erfundene Spielorte legen, denn nicht immer eignet sich ein bereits existenter Ort für den Inhalt oder das Genre eines Werkes. So viel zum Inhalt der heutigen Ausgabe, ich wünsche viel Spaß beim Lesen!


43.1 | Ist ein Spielort nötig?

Genau diese Frage habe ich mir gestellt, als ich vor zwei Jahren begonnen habe, mein mittlerweile abgeschlossenes Romanprojekt hier auf Wattpad zu veröffentlichen. Damals wollte ich den Spielort erst einmal nicht nennen, um den Fokus auf die Innenwelt meiner Protagonistin zu legen. Das war mir zum damaligen Zeitpunkt besonders wichtig und ich wollte das Gefühl haben, dass theoretisch jeder Leser sich selbst in ihre Rolle einsetzen könnte, ohne einen Gedanken an den möglichen Spielort zu verschwenden.

Mittlerweile habe ich mich aber anders entschieden und möchte dem Spielraum in der überarbeiteten Version mehr Wichtigkeit zukommen lassen. Es verleiht dem gesamten Werk einfach mehr Authentizität und wirkt nahbarer, wenn man dem Spielort einen Namen verleiht; vielleicht sogar einen, unter dem man sich auch noch etwas vorstellen kann. Zudem kann man gegebenenfalls mit Eigenheiten, Sehenswürdigkeiten und der Geschichte des Spielortes kokettieren und dem Buch somit einen ganz eigenen Charme verleihen.

Meine 1. Frage: Nennt ihr die Spielorte eurer Geschichten oder lasst ihr diesen Aspekt offen?


43.2 | Nostalgie

Nun habt ihr euch dafür entschieden, den Spielort beim Namen nennen zu wollen, kommt aber einfach nicht auf etwas Passendes? Dann hat es sich für mich als hilfreich erwiesen, in der eigenen Vergangenheit zu graben und dort nach mehr oder weniger verborgenen Schätzen zu suchen, die ansonsten vielleicht in der Erinnerung verloren gegangen wären. Als Jugendliche war ich einmal in Amsterdam – seitdem habe ich mir fest vorgenommen, ein Buch zu schreiben, das dort spielt. Mit acht Jahren habe ich zusammen mit meiner Familie einen See in der Schweiz besucht, verliere mich immer wieder neu in die wunderschöne Architektur meiner Heimatstadt und bezeichne Londons Stadtteil Bloomsbury mittlerweile als meine zweite Heimat. All diese Orte finde ich derart inspirierend, dass ich am liebsten ganze Buchreihen dort spielen lassen würde. Vielleicht fallen euch ja ebenfalls Plätze ein, von denen ihr aus erster Hand berichten könnt? Gerade solche eigenen Erfahrungen lassen das spätere Leseerlebnis umso realer erscheinen.


43.3 | Metropolen

Paris, New York City, Los Angeles... Gerade auf Wattpad wird man nur allzu gerne immer wieder mit den gleichen Spielorten konfrontiert. Doch ist das wirklich nötig? Es kann auf Dauer etwas langweilig, geradezu zähflüssig wirken, wenn Schriftsteller auf solche Metropolen als Spielorte zurückgreifen – im besten Fall noch ohne eigene Reiseerfahrung und somit verbundenem authentischen Schreiben.

Natürlich hat die Wahl einer Metropole als Spielort aber auch seine Vorteile. Beispielsweise passiert in New York City – der Stadt, die niemals schläft – sicherlich genug, um eine zwanzigteilige Krimireihe zu füllen. Dementsprechend bieten Großstädte mehr naturgegebenen Handlungsstoff, den es zu verwursten gilt. Dadurch erscheinen gerade action- und ereignisreiche Handlungsgebilde realistischer als in einem süddeutschen Bauerndorf. Zudem weiß jeder, woran er ist – zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand von euch noch nicht von Los Angeles gehört hat. Viele kennen die Stadt zumindest vom Namen her und verbinden einige wenige, oft touristisch geprägte Eindrücke von ihr. Genau da steckt aber auch ein Problem: Man kann eine Stadt nicht anhand einiger Bilder einschätzen. Man läuft nicht in ihren Straßen, spricht nicht mit den Einheimischen oder hört die dortige Musik. Man schläft nicht mit dem entfernten Autohupen im Ohr ein, ist gestresst von den Menschenmassen oder hat die stadteigene Historie mit eigenen Augen erlebt. Daher gilt es bei der Verwendung von Metropolen als Spielorten, sich umso intensiver mit der Recherche zu befassen, um die Essenz des Orts auch richtig einfangen zu können.

Meine 2. Frage: Wo spielen eure Bücher, wenn ihr reale Schauplätze verwendet?


43.4 | Erfundene Spielorte in Contemporary

Gerade in Krimis sieht man dieses Phänomen oft: Ein imaginäres Dorf wird Schauplatz grausamer Verbrechen. Doch erfundene Spielorte werden immer genreübergreifender und haben es sich auch im Contemporary-Bereich gemütlich gemacht. Hier trifft man sie tatsächlich immer häufiger an, doch warum? Die Antwort auf diese Frage lässt sich leicht finden: Es erscheint auf den ersten Blick einfach, sich ein kleines Städtchen am Rand von New Mexico auszudenken. Kaum Recherchearbeit nötig und man kann alles nach seinen Vorstellungen gestalten, nicht wahr? Auch wenn Letzteres überwiegend zutreffen mag, ist die Sache mit der Planung schon eine ganz andere. Immerhin muss ein Straßensystem zumindest ansatzweise neu entworfen werden, Geschäfte gegründet und öffentliche Personen erfunden werden – so einfach ist die Wahl zwischen realen und erfundenen Schauplätzen dann also doch nicht. Letztendlich ist sie aber eine, die jeder Schreiberling nach bestem Wissen und Gewissen für sich selber treffen sollte. Aber bitte das Konzipieren der Städtestruktur nicht übergehen!


43.5 | Erfundene Spielorte in High Fantasy

Nun kommen wir zum harten Stoff. Was ist schon wichtiger in High Fantasy als das gute, alte Worldbuilding? Wenn man seine Handlung in einer vollkommen anderen Welt spielen lässt, erklärt es sich hoffentlich von selbst, dass man nicht gerade Hamburg als Spielort wählen sollte. Darunter leidet die Authentizität vermutlich ein wenig. Neben der Namensfindung – die ich in einer Fortsetzung der 19. Ausgabe "Wie erschaffe ich ein fiktives Universum?" noch näher beleuchten möchte – ergeben sich hier gleich mehrere mögliche Problemquellen. Möchte ich in der Gesellschaft auf eine Klassengesellschaft, kommunistische Strukturen oder sonstige Konzepte zurückgreifen? Wie weit ist die Welt digital, wissenschaftlich und technisch fortgeschritten? Wie viele Menschen leben in meiner Welt? Diese Fragen wirken schon tiefgehend auf euch? Dann bereitet euch auf eine ganze Welle davon vor, denn sie kratzen gerade erst an der Oberfläche der Thematik. High Fantasy ist ein oft nur schwer durchdringbares Konstrukt, wenn man sich eine eigene Welt aufbauen möchte. Wo fängt man bloß an? Und wo hört man auf? In der oben aufgeführten Fortsetzung der 19. Ausgabe möchte ich auf genau diese Problematik noch intensiver eingehen.


Meine 3. Frage: Nutzt ihr regelmäßig erfundene Spielorte oder greift ihr lieber auf bereits Existentes zurück?


Ich hoffe inständig, dass diese Ausgabe einigen von euch Gedankenanstöße liefern konnte, inwiefern Schauplätze wichtig oder nötig für eure Geschichten sind. Gerade bei diesem Kapitel würde es mich freuen, wenn ihr eure persönlichen Erfahrungen in Form eines Kommentars teilen und euch mit anderen darüber austauschen könntet. Besonders erfundene Spielorte wären in meinen Augen ein interessanter Diskussionspunkt – und wenn ihr noch Anmerkungen für die Fortsetzung der 19. Ausgabe habt, würde es mich sehr freuen, wenn ihr mir diese ebenfalls zukommen lassen könntet!

Frohes Schreiben!

P.C.

P.C.'s SchreibratgeberWhere stories live. Discover now