60 | Wie erzeuge ich Spannung? TEIL 1

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Hallo, ihr Menschen da draußen.

In der heutigen Ausgabe möchte ich den Vorreiter einer mehrteiligen Reihe schreiben, die sich mit dem Zauberwort Spannung auseinandersetzen soll. In Ausgabe möchte ich langsam an das Thema Spannung herantasten und euch erste grundsätzliche Tipps dazu geben, wie ihr Spannung erzeugen könnt – vor allem durch bewusste Entscheidungen, die euren Schreibstil grundlegend in eine andere Richtung drehen können.

Um Spannung zu verstehen und aufbauen zu können, müssen wir lernen, erst einmal das Worst Case Szenario – eine durchweg langweilige Szene – auf jeden Fall zu umgehen. Doch wie stellt man das an?

Ich selbst zum Beispiel befinde mich ganz häufig in der Situation, dass ich selbst total an einer Szene in einer bestimmten Form hänge und sie total toll finde. Wenn ich sie mir dann aber nach dem Schreiben nochmals durchlese und komplett ehrlich mit mir bin, muss ich doch manchmal zugeben: Was uns als Autoren zufriedenstellt oder sogar komplett begeistert, muss unsere Leser nicht zwangsweise auch vom Hocker reißen. Uns sehe ich dann ein wenig in der Rolle der Helikopter-Eltern, die fast alles, was ihr Kind (Buch) tut, in einem positiven Licht sehen und unglaublich spannend finden.

Aber wie sich eine Szene in unseren Köpfen darstellt und wie wir sie dann für andere lesbar aufs Papier übertragen, unterscheidet sich manchmal doch überraschend stark. Hier also sollen nun ein paar grobe Tipps folgen, die euch beim Schreiben oder Überarbeiten eurer Werke behilflich sein soll. Das kleine Zauberwort für heute lautet: Bewegung!


60.1 | Bewegung – eine Anamnese der Protagonisten

Zuallererst versuche ich, meine Charaktere ihren Persönlichkeiten und Lebensumständen entsprechend auf Trab zu halten. Das spezifiziere ich so genau, weil ich es beim Spanungsaufbau grundsätzlich wichtig finde, nicht nur blind einem Schema zu folgen, sondern genau auf den eigenen Protagonisten einzugehen.

Zur Veranschaulichung hier ein Beispiel:

Zu differenzieren ist zwischen einer psychisch Erkrankten, die sich in einer Klinik befindet und es kaum schafft, sich aus dem Bett zu bewegen, und einem Geheimagenten, der jeden Tag mindestens drei Menschen unter die Erde bringt. Dieselben Ereignisse bedeuten für diese Protagonisten vollkommen unterschiedliche Einschnitte in ihre Wahrnehmung.

Ein Körper, der an einem Fenster vorbeifliegt und laut klatschend am Boden aufkommt, würde den Geheimagenten, der sich gerade sowieso in einem Zweikampf befindet und einen seiner Gegenspieler auf genau dieselbe Art und Weise dem sicheren Tod entgegengeschickt hat, vermutlich nicht so berühren wie die psychisch Erkrankte, die höchstwahrscheinlich einen Nervenzusammenbruch erfahren würde.

Wir müssen uns also die Frage stellen: Was bedeutet Spannung für unsere Protagonisten? Was berührt sie, was würde sie absolut niederschmettern, ihnen Hoffnung geben, ihre Weltwahrnehmung grundlegend verändern und auf diese Weise eine bedeutende Änderung ihrer Charakterentwicklung bedeuten? Diese Überlegungen wirken offensichtlich, aber zumindest ich habe oft das Gefühl, dass viele Schreiberlinge den Charakter ihrer Protagonisten als gegeben ansehen und sich gar nicht mal so viele Gedanken um diese obigen Fragen machen. Dabei ist ihre Beantwortung so wichtig dafür, einen Spannungsbogen wirklich individualisiert für jede einzelne Geschichte aufzubauen und das Tempo über den gesamten Roman richtig zu dosieren.


Meine Aufgabe: Beantwortet für den Protagonisten einer eurer Geschichten die obigen Fragen, am besten anhand von ganz konkreten Beispielen. Also: Was würde (An-)Spannung in eurem Protagonisten erzeugen? Was berührt ihn? Was würde ihn niederschmettern? Was würde ihm Hoffnung geben? Was würde seine Weltwahrnehmung grundlegend verändern?

P.C.'s SchreibratgeberWhere stories live. Discover now