57 | Wie kann ich Beschreibungen bildlicher gestalten?

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Hallo, ihr Menschen da draußen.

Es ist schon interessant: Dieses Thema lungert seit Monaten, wenn nicht sogar seit über einem Jahr in meinem Vorwort herum und einige von euch haben sogar Interesse an einer Ausgabe dazu angemeldet. Tatsächlich steht es schon seit Februar dieses Jahres ganz oben auf meiner To-do-Liste – und doch hat sich immer ein Thema dazwischen gequetscht, das irgendwie aktueller oder dringender war.

Doch jetzt ist Schluss mit der Misere und unendlichen Wartezeit. Wir beschäftigen uns heute mit Beschreibungen; vor allem damit, wie man durch Beschreibungen ein Bild vor dem inneren Auge des Lesers erscheinen lässt.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen – und Obacht! Ab heute heiße ich nicht mehr P.C., sondern trage ein neues Pseudonym... Doch dazu mehr am Ende der Ausgabe.


57.1 | Wofür sind Beschreibungen gut?

"Wie geht es dir?"

"Soweit ganz gut. Ich bin nur ziemlich aufgewühlt von eben gerade. Und du, Brunhilde? Warst du nicht letzte Woche auf einem Date mit Bartholomäus?"

"Ja, war ganz schön."

Gääähn.

Was für ein Bild habt ihr vor Augen, wenn ihr diese Zeilen lest? Keines? Gut, dann seid ihr mit Sicherheit nicht allein.

Ein Buch ohne Beschreibungen ist ein Theaterdrehbuch ... ach nein, halt. Selbst da gibt es Beschreibungen, um die Szene zu etablieren und jedem klarzumachen, wo wir uns befinden und was ungefähr in der Szene zu erwarten ist.

Das obige Gespräch könnte überall stattfinden und sagt uns vor allem nichts über die Stimmung. Brunhilde und ihre Freundin könnten in einem Café Kuchen essen und die nächsten Stunden darüber sprechen, wie die Freundin von einem Kellner angerempelt wurde ... sie könnten aber auch gerade eine Leiche in einen abgelegenen Mienenschacht tragen, um sie dort verschwinden zu lassen, und sich lediglich über solche Banalitäten wie ein Date unterhalten, um sich gegenseitig abzulenken.

Ohne Beschreibungstexte ist ein Roman nackt, dessen sind wir uns spätestens jetzt hoffentlich alle bewusst.


57.2 | Wie war das noch mit Show, don't Tell?

Vielleicht erinnert ihr euch noch an die 53. Ausgabe dieses Schreibratgebers. Dort habe ich euch das Konzept von Show, don't Tell nähergebracht und unter anderem erklärt, wie man Szenerien und Umgebungen erschafft, indem man nicht von ihnen erzählt, sondern sie dem Leser zeigt. Kurz und knapp formuliert heißt das also: Show don't Tell verlangt vom Schriftsteller, Dinge nicht einfach so auszusprechen, sondern z.B. Charakterzüge einer Figur durch deren Taten ans Tageslicht zu bringen.

Nun wollen wir uns hier aber nicht mit Charakterzügen beschäftigen, sondern mit Äußerlichkeiten. Dennoch kann Show, don't Tell auch in unserem heutigen Kontext angewendet werden. Ein kleines Beispiel:

Der Raum war gruselig.

Hm. Ziemlich nichtssagend, oder? Hier stellen sich folgende Fragen:

• Was ist gruselig? (Ausgangssituation)

• Wie ist es gruselig? (Aufbau und Schreibstil)

• Warum ist es gruselig? (Auswirkung auf die Handlung)

Wenn man diese Fragen auf das obige Beispiel anwendet, ergibt sich ein Absatz wie der folgende, der auch für den Rest des Kapitels als leitendes Beispiel dienen soll:

Bartholomäus fühlte die Gänsehaut seine Wirbelsäule entlangkriechen. Die schwere Holztür schloss sich mit einem lauten Knarren hinter ihm und ließ ihn in vollkommener Dunkelheit zurück. Er tastete sich voran, setzte einen Fuß vor den anderen, bis es unter seinen Fußsohlen knirschte. Er hob die Hand und ertastete etwas Kaltes. Etwa ein Stein? Er hatte tiefe Poren und war uneben, einige Stellen gingen tief in die Wand hinein. Hinter dem Stein tanzten kleine Lichter, nur schemenhafte Punkte in weiter Entfernung.

P.C.'s SchreibratgeberWhere stories live. Discover now