Epilog

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Einige Jahre vergingen, in denen sich Meggie von der Vergangenheit erholte. Sie war wieder in der Lage die Brührungen der anderen zuzulassen, ihren Sohn hütete sie so gut es ging und hielt das Verhalten seines Vaters vor ihm geheim. Eugenio wusste nur das er gestorben war, nur Stunden bevor er selbst das Licht der Welt erblickt hatte. Doch sie waren nicht allein, Meggie hatte wieder geheiratet und noch eine Tochter bekommen. Zu viert lebten sie auf einem kleinen Hof an der ehemaligen Grenze zwischen den beiden Reichen, am Rande des Waldes. Nur  wenige Minuten Fußmarsch entfernt lebten Meggies Eltern mit Lazaro auf einem kleinen Bauernhof, mit Feldern, einen Stall für Kühe und Schafe, sowie einer kleinen Buchwerkstadt für Mo. Auch nach diesen vielen Jahren verstanden Lazaro und Eugenio sich sehr gut, gelegentlich nahm der, nun schon erwachsene, Lazaro Eugenio mit auf einen Ausritt oder gingen gemeinsam mit Farid und Staubfinger auf ein Spielmannsfest. Seine kleine Schwester Amalia versuchte gelegentlich den beiden hinterher zu schleichen, wurde jedoch von Lazaro immer wieder erwischt. Amalia war also recht häufig bei Meggie oder ihrer Großmutter und half ihnen.

Heute war wieder ein Tag an dem Eugenio und Amalia gemeinsam auf dem kleinen Grundstück spielten. Meggie stand unterdessen in ihrer Küche und bereitete das Abendessen vor, denn auch ihr Mann sollte bald wieder Zuhause sein. Die Tür schwang auf und eine leise lachende Amalia kam in das Haus gelaufen: ,,Mama du musst mich verstecken, Eugenio sucht mich! Meggie lächelte und ging auf ihre vierjährige Tochter zu: ,,Dann komm schnell her, wir verstecken dich in der Kiste mit unseren Decken." Kichernd stieg Amalia also in die Kiste neben dem Küchentisch, kurz nachdem Meggie den Deckel geschlossen und sich wieder ihren Kartoffeln zugewendet hatte, öffnete sich die Tür erneut. Dieses Mal war es Eugenio: ,,Mama, hast du Amalia versteckt, ich habe sie ins Haus laufen sehen!" Meggie sah ihren Sohn lächelnd an: ,,Ich glaube sie war gerade hier, allerdings weiß ich nicht wo sie jetzt ist." Wieder einmal wurde ihr bewusst wie groß Eugenio geworden war, im vergangenen Monat hatten sie seinen elften Geburtstag gefeiert. Kopfschüttelnd fing ihr Sohn an das Haus nach seiner Schwester abzusuchen, dabei tat er so als würde er ihr leises kichern nicht hören. ,,Hier ist sie nicht, ich glaube ich suche draußen weiter. Eugenio ging lächelnd zur Tür, öffnete diese und schloss sie betont laut, bevor er leise zum lieblingsversteck seiner Schwester schlich. Mit einem Ruck öffnete er die Kiste und rief: ,,Buh!" Amalia zuckte zusammen, und schrie erschrocken auf, während Eugenio sich vor lachen den Bauch halten musste: ,,Das ist voll fair, du sollst mich nicht immer erschrecken!" Nun musste Eugenio noch mehr lachen und auch Meggie konnte sich ein Grinsen nicht unterdrücken. Sie ging auf ihre Kinder zu und hob ihre Tochter wieder aus der Kiste: ,,Mein Schatz, das was du meinst ist unfair, fair ist der Gegensatz davon." Mit einem Schmollmund stand Amalia vor ihrem Bruder: ,,Dann war das halt voll unfair!" Meggie stich ihrer Tochter liebevoll durch die Haare: ,,Das war aber nicht gegen die Spielregeln. Na los, geht noch etwas in den Garten spielen, euer Vater sollte auch bald wieder Zuhause sein und ich muss noch unser Abendessen zubereiten." Grinsend sahen die Geschwister sich an, bevor Amalia ihren Bruder antippte, laut: ,,Tick!" rief und so schnell sie konnte aus dem Haus rannte, ihr Bruder direkt hinter ihr her.

Nicht viel später köchelte das Abendessen über der Feuerstelle vor sich hin, während Meggie im Garten einige Kräuter sammelte. In der Ferne waren Hufschläge zu hören, mehr als von einem Reiter, noch immer bekam Meggie bei diesem Geräusch ein ungutes Gefühl. Dieses Mal waren es jedoch nur ihre Eltern mit Lazaro, Farid und Doria. Zu ihrer Überraschung konnte sie dahinter drei weitere Reiter erkennen, diese ließen sich nur äußerst selten so weit von Ombra entfernt blicken, es waren Elinor, Fenoglio und Darius. Auch ihre Kinder hatten die Gäste und ihren Vater bemerkt und rannten ihnen entgegen. Fröhlich lachend warteten sie bis alle abgestiegen waren bevor, sie erst ihren Vater begrüßten und sich dann Lazaro und Resa zuwandten. Meggie ging auf die kleine Gruppe zu, ihr Vater umarmte sie zur Begrüßung fest, wie er das schon immer getan hatte, und gab ihr einen Kuss auf die Haare. Meggie erwiderte die Umarmung leicht, löste sich aber schnell wieder. Ihrem Mann gab sie einen Kuss auf den Mund und sah zu der kleinen Gruppe: ,,Hätte ich gewusst das ihr heute alle kommt, hätte ich mehr zu Essen gemacht." Mo lächelte: ,,Deine Mutter wusste das du das sagst, sie und Elinor haben noch etwas zu essen mitgebracht." Wie als wäre dies ihr Stichwort gewesen, tauchte Elinor hinter Mo auf und hielt eine kleine Tasche in die Höhe: ,,Wir haben an alles gedacht, der alte Tintenkleckser hat sogar einen guten Tropfen mitgebracht." Elinor ging an Meggie vorbei, nahm ihren Mann am Arm und schliff ihn mit sich ins Haus, um das Essen aufzuwärmen. Nun trat auch der Rest der Gruppe zu ihnen, die Kinder spielten vor dem Haus ticken, wodurch Lazaro und Resa sich von ihnen lösen konnten. Fenoglio trat neben Meggie, einen Moment lang sahen sie nur den Kindern zu bis Mo die Stille brach: ,,Ich denke ich werde mal sehen ob ich im Haus etwas helfen kann, wer kommt mit? Fast alle schlossen sich ihm an, am Ende standen nur noch Meggie und Fenoglio am Rande des Hofes und sahen den Kindern beim spielen zu: ,,Weißt du, ich habe gerade ein Déjà-vu. Kannst du dich an die kleine Geschichte erinnern, in der ich über eine kleine Familie schrieb, die am Rande eines Waldes lebte. Eine dieser Szenen habe ich genau wie diese beschrieben, zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, spielten vor einer kleinen Hütte, eine junge blonde Frau als ihre Mutter und ein braunhaariger junger Mann als Vater. Es passt alles bis in das kleine Detail, ich denke immer noch das du das warst und wie es aussieht hatte ich recht." Nachdenklich beobachtete Meggie ihre Kinder, diese Geschichte hatte sie fast vergessen, erinnerte sich aber daran, wie Fenoglio ihr diese erzählt hatte.

Stunden später verließen ihre Gäste gesättigt und gut gelaunt ihren Hof, Meggie und ihr Mann räumten noch die spuren ihrer kleinen Feier in ihre Küche. Nachdenklich sah Meggie aus dem Fenster, Eugenio und Amalia spielten gemeinsam mit ein paar Murmeln. Doria trat neben sie und stellte ihren Becher neben ihre Hände auf die Arbeitsfläche: ,,Du hast nichts von dem Wein getrunken. Meggie sah weiterhin aus dem Fenster: ,,Ich hatte heute keinen Durst auf Wein." Ihr Mann legte seinen Arm um ihre Tahllie: ,,Geht es dir gut? Das mit Eukarius ist jetzt elf Jahre her, aber ich weiß auch das du immer noch Albträume hast." Sie legte ihren Kopf an seine Brust: ,,Mir geht es gut, denke ich, vielleicht werde ich einfach krank." Doria setzte einen federleichten Kuss auf Meggies Stirn ab: ,,Egal was los ist, du weißt das du mir alles sagen kannst. Ich werde jetzt die Kinder ins Bett schicken." Damit ließ er Meggie für einen Moment mit ihren Gedanken allein.

So geht die Geschichte zu Ende und eine neue Beginnt. Während sich die Tür zu Meggies Vergangenheit schließt, öffnet sich eine neue in Richtung Zukunft. Eugenio wird in den folgenden Jahren immer öfter nach seinem Vater fragen, doch erst wenn er Erwachsen ist wird ihm die ganze Geschichte erzählt werden. Amalia wird sich später den Räubern anschließen und gemeinsam mit ihnen für Ordnung im Reich ihrer Mutter und Patentante sorgen. Das Kind, das noch unentdeckt unter Meggies Herz ruht, wird genauso tapfer sein wie seine Geschwister und Eltern. Die zwei Reiche, die nun schon einige Jahre eines sind, werden sich noch weiter ausgebreitet haben, die Ruinen der Nachtburg nur noch verblasste Abbilder der einstigen Schreckensburg. Die Schandtaten des Natternkopfs und seiner Frau nur noch Gruselgeschichten an einem Lagerfeuer, die in ein paar tausend Jahren als erfunden gelten werden. Nur wenige Menschen werden die Wahrheit dieser Welt und ihrer Geschichten kennen.

Tintenflut - Beendet - Where stories live. Discover now