Kapitel 30

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Ich wachte auf. Ein Blick auf meine Uhr zeigte mir, es war sechs Uhr am Morgen. Kyus schlief noch tief und fest, das hörte ich schon an dem leisen schnarchen neben mir. Heute würde ich also die Ältesten kennenlernen. An Schlaf war nun nicht mehr zu denken. Ich schlich mich aus dem Bett, was mir leicht gelang, da sich Kyus auf die Seite drehte, als ich meinen Kopf von seinem Arm nahm, und zog die Decke mit sich.

Ich zog mir meine lange Cardigan über und ging hinunter. Auf der vorderen Terrasse setzte ich mich auf einen Schaukelstuhl und hing meinen Gedanken nach. Wie es heute wohl ablief? Wie die Ältesten waren? Was wollten sie noch von mir, denn die Vorkommnisse kannten sie ja bereits? Mit jeder Frage stieg meine Nervosität. Ich lies meine Unruhe in den Schaukelstuhl fließen und wippte hin und her.

Vielleicht eine halbe Stunde später räusperte sich jemand neben mir. Ich drehte mich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Valandriel lächelte mich wissend an. "Darf ich mich dazusetzen?"
Ich nickte nur.
"Du machst dir zuviele Gedanken weist du das? Die Ältesten sind nicht anders wie deine Großeltern oder Urgroßeltern. Genau wie du und ich. Geh auf sie zu, wie du es mit jedem anderen tust. Alles andere ergibt sich." Ich dachte kurz über seine Worte nach, dann nickte ich.
"Du hast recht, wenn es nur so einfach wäre. Aber danke."
Er zwinkerte mir zu "Ich alter Mann hab meistens recht. Liegt wohl am Alter." Ich musste lächeln. In Valandriel Nähe fühlte ich mich wohl. Er hatte Witz und redete nicht von oben herrab. Ich mochte diese junge frische Art an ihm.
"Die Sonne geht gleich zwischen den Bergen auf. Ein wundervolles Erlebnis, jeden Tag aufs Neue. Siehst du wie sich die Farben dort schon langsam verändern?"
"Ohja. Wie wunderschön."
Wir saßen schweigend nebeneindander und betrachteten diesen atemberaubenden Moment des Farbenspiels. Es war wohl der schönste den ich je gesehen hatte. Von blau zu lila, welches in orange und gelb überging. Kein Wunder, dass er sich dies jeden Tag ansah. Sofern es ging natürlich. Ich seufzte und Valandriel lächelte wissend vor sich hin.

Als die Sonne sich hinter dem Bergkamm hervorgekämpft hatte, trat Flora mit einem Tablett aus dem Haus. Darauf standen Kaffee, Saft und frisches Obst. "Ich dachte mir du könntest etwas  leicht vertragen. Mehr würdest du jetzt wohl sowieso nicht hinunter bekommen, oder?" Sie zwinkerte mir zu. "Danke Flora. Ihr seid so lieb zu mir. Auch wenn ich weis das ich wohl keine Angst haben muss, aber mein Körper lacht mich bei diesem Gedanken grad einfach nur aus."
"Mach dir keinen Kopf Lucy, dass ist doch normal. Wär ist bei Neuem nicht aufgeregt? Und unsere Welt mag vielleicht eurer nicht ganz unähnlich sein, aber es sind doch viele neue Eindrücke. Und nun iß ein paar Happen, dann wird es ein wenig besser." Sie lächelte mich mitfühlend an. Valandriel goß sie währenddessen eine Tasse Kaffee ein.

Kyus und Floriel erschienen auch kurze Zeit später mit je einer Tasse Kaffee in der Hand. Floriel biss in ein Wurstbrötchen, Kyus hatte sich für Marmelade entschieden. Ich musste unwillkürlich lächeln. So ein Süßer. Kyus blickte mich just in diesem Moment an und runzelte fragend die Stirn. Ich lief natürlich sofort rot an. Nun verzogen sich seine Lippen zu einem spitzbübischen Lächeln.
Keine Ahnung was er dachte, das ich dachte, aber ich konnte es mir vorstellen. Das Aufblitzen eines Bildes was zwei heftig rummachende Personen zeigte tat ihr übriges. Ich wurde noch röter und logisch das in meinem sowieso schon vor Nervosität verdrehtem Magen, nun die Schmetterlinge auch noch Kamikazeflüge veranstalteten. Ich richtete meinen Blick schnell in die Ferne, zum Ende des Tals. Und atmete tief durch. Trotzdem spührte ich weiter seinen Blick auf mir.

Keine zehn Minuten drauf hörte ich ein mir wohlbekanntes Geräusch von Pferdehufen. Ich liebte Pferde. Meine Oma Gitty besaß einen kleinen Bauernhof, auf dem es auch vier Pferde gab. Mit Reitstunden verdiente sie sich ein Teil ihres Lebensunterhaltes. Früher war ich oft bei ihr und sie brachte mit das reiten bei. Nachdem die Schule anspruchsvoller wurde und ich auch mehr mit meinen Freunden rumhing, war ich nur noch selten bei ihr. Ein Stich zog durch mein Herz. Als wäre es gerissen und nun schwemmte eine Welle voll Sehnsucht herraus. Ich vermisste sie jetzt und hier plötzlich so sehr. Ich erschrag, als mir jemand den Arm um die Schulter legte.
Kyus sah mich alamiert an. "Hast du Angst vor Pferden?"
"Was?", ich blinzelte.
"Oder bist du noch nicht bereit für den Rat der Ältesten?"
"Mensch Kyus, lass ihr doch mal Zeit zum antworten!", schnitt ihm Floriel das Wort ab.
Ich schaute von einem zu anderen und erblickte vor mir Noam der vier Pferde hielt und mir schüchtern zulächelte.
"Alles gut, mir gehts bestens.", sagte ich schnell und ging auf Noam und die Pferde zu.
"Ich dachte wir laufen oder wofür sind die Pferde?"
Kyus räusperte sich: "Der Weg würde zu Fuß zwei Stunden dauern und da du körperlich noch nicht ganz fit bist, schlug Floriel vor, wir sollten Pferde für zweidrittel des Weges nehmen."
"Das ist eine tolle Idee. Damit komm ich klar.", strahlte ich sie an, während ich einem braunen die Nüstern graulte.
Floriel trat neben mich und sah Noam an. "Du bist aber nicht Violeria!"
Ich musste laut lachen. "Wie haben sie das so schnell herrausgefunden Herr Doktor?"
Florial sah mich an und fiel in mein Lachen ein.
"Das ist Noam. Eigentlich ist er Bäckerlehrling. Und nun scheinbar auch noch Tourguide."
"Ihr kennt euch?", fragte Kyus der nun auch zu uns trat.
"Ja seit gestern, als ich mit Flora am Markt war. Er half seinem Vater. Und er backt sehr gutes Brot. Ihr habt es gerade gegessen."
Noam wurde etwas rot um die Ohr.
"Ähm ja. Violeria ist meine Cousine und hat mich gebeten auszuhelfen, da ihr was wichtiges dazwischen gekommen ist."
"Na dann würde ich sagen, machen wir uns auf den Weg. Welches Pferd ist für wen?", Floriel rieb sich die Hände, als würde er sich bereit machen einen Berg zu erklimmen.
"Ich wurde schon erwählt. Also wenn du nichts dagegen hast Noam?", kicherte ich. Zur Zustimmung stupste mich der braune mit seinen weichen Nüstern an die Wange und bließ mir seinem Atem ins Haar.
"Eigentlich wäre Romeo ja mein Pferd, aber wer kann ihm seine Wahl verübeln. Schlauer Kerl.", erwiederte Noam und die Röte zog sich bis zu seiner Nasenspitze. Auch ich wurde rot und versteckte mich vorsorglich am Hals von Romeo.
Mein Blick huschte zu Kyus, der Noam mit zusammen gekniffenen Augen anstarrte.
"Hast du denn Erfahrung mit Pferden? Denn Hengste sind ein wenig tempramentvoller."
Ich nickte, nahm ihm die Zügel ab und schwang mich, vor den bewundernden Blicken der Jungs, ohne Mühe auf Romeos Rücken. Er schnaubte glücklich.
Noam teilte die anderen auf. Floriel bekam eine weiße Stute mit dem Namen Sky, Kyus einen grauen Wallach der Forest hieß und Noam nahm die eigentlich mir zugedachte weiß und braun gescheckte Stute Diamond.
Ich winkte Flora und Valandriel zum Abschied zu und wir ritten los. Romeo war Lammfromm, ganz zur Überraschung von Noam. Laut seiner Erzählung, war er normal immer frech und wollte anführen. Aber jetzt lies er Diamond eine Nüsternlänge vorrausgehen.
Wenn der Tag so weiter lief, konnte es nur gut gehen. Die Bewegung von Romeo, der Geruch nach Pferden und die leichte Priese die mir durchs Haar fuhr, erfüllten mich mit purem Glück.
Es war wie ein Gefühl Zuhause anzukommen.

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