Kapitel 21

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Wir saßen eine ganze Weile nur still da und waren in unsere jeweiligen Gedanken vertieft.

Irgendwann blickte ich zu Kyus der noch immer gebeugt auf seinem Stuhl saß und meine Hand umklammerte.
Ich hob also unsere beiden Hände in die Höhe und legte einen Finger unter sein Kinn. Dann drehte ich sein Gesicht zu mir, bis er mich ansehen musste. Seine Augen waren so voller Traurigkeit. Ich spührte das er sich die Schuld gab. Er hat mich nicht beschützen können. Ich zog ihn mit meiner Hand weiter zu mir, was er unterstützte, dass ich mich bloß nicht anstrengte. Er setzte sich zu mir aufs Bett. Ganz vorsichtig, um die Kabel nicht abzureißen oder mir weh zu tun. Ein wenig übertrieben. "Kyus ich bin nicht aus Zucker.", sagte ich streng. "Aber du warst tot!", wobei seine Stimmt schrecklich gequält klang und am Ende brach. Ihn so verletzlich zu erleben, überraschte und quälte mich.

Bevor wir uns so nah kamen, sah ich ihn immer als starken Kerl mit einem großen Selbstvertrauen, was durch nichts erschüttert wurde. Als Jack im Sport von der Sprossenwand abrutschte und sich das Bein brach, war er zur Stelle gewesen. Es war ein offener Bruch gewesen und er verzog dabei keine Miene. Von uns anderen blieben nur ein paar wenige, die das Schauspiel cool fanden. Alle anderen flüchteten nach draußen und eine handvoll übergaben sich ins nächste Gestrüpp. Ja, ich war eine von ihnen.
Aber so wie er nun hier saß? Und das nach Aussage von Feyn und Calatin, wohl seit Wochen.

"Dein Vater sagte etwas davon, dass...", ich wusste nicht recht wie ich es formulieren sollte, "dass ein Elf einen nicht nur aufspühren kann, wenn das Gift von ihm ist, sondern auch wenn er einen...", ich brach ab.
Kyus schaute auf, er verstand meine Frage sofort, denn ein kleines Lächeln verzog sein Mund, auch wenn es seine Augen nicht erreichte. "Wenn sich Elf und Mensch lieben." Ich nickte schüchtern und Röte schoss mir ins Gesicht. Kyus kicherte, was mich aufblicken lies. Er schaute mir tief in die Augen und kam ganz nah mit seinem Gesicht an meines.
"Ja Lucy, ich liebe dich! Seit ich vor einem Jahr in das Klassenzimmer trat und sich unsere Blicke trafen. Ich wusste da nicht was du mit mir machtest, aber ich wollte immer in deiner Nähe sein. Ich versuchte jede Gruppenarbeit mit dir zusammen zu machen. Ich saß immer in deiner Nähe. Freundete mich mit Leuten an, die auch mit dir zu tun hatten, das ich näher an dich ran kam."

Als er dies so sagte, spielte sich in meinem Kopf ein Film ab. Wie Kyus kurz nach Schulbeginn den Klassenraum betrat. Ich schrieb gerade Jack ein Zettelchen, ob wir uns - also unsre Clique - am Nachmittag in unsrem Lieblingscafe trafen. Sobald sich Herr Reiter zur Tafel drehen würde, flöge dieses Zettelchen dann schräg durchs Klassenzimmer.
Doch der Typ der da herrein kam war hinreißend. Ich war aber nicht das einzigste Mädchen die wie gebannt mit den Augen an ihm hing und ihn musterte. Herr Reiter stellte ihn als neuen Mitschüler vor. Dann fragte er ihn nach seinem Namen. Kyus drehte sich zur Klasse und sagte mit der Hand auf der Brust und einer leicht Verbeugung: "Hi, ich bin Kyus Eldariel und komme aus Irland." Wärend er das sagte lies er den Blick durch das Zimmer gleiten. Unsere Augen blieben aber länger aneinander hängen als bei den anderen. Ich redete mir danach immer ein, das es nur mein Wunschdenken zu verschulden hatte. Was mir dann aber ab der nächsten Pause schwerer fiel, weil Steph meinen Eindruck bestätigte. Von da an gingen meine Gedanken jede Nacht vorm einschlafen immer zu ihm und wie wir ein Pärchen wurden und waren.
Und als ich so in Gedanken versunken die Zeit Revue passieren lies, merkte ich wie das stimmt. Wie ich mich jedesmal freute und millionen Schmetterlinge in meinem Bauch tanzten, wenn er bei der Gruppenarbeit mir zugeteilt wurde. Er mit seinen Kumpels bei uns abhing, weil einer von ihnen mit einer meiner Freundinnen zusammen war.

"Es stimmt!", hauchte ich ihm zu. Er nickte mit glänzenden Augen. Ich lehnte mich vor, um die letzten Zentimeter zu überbrücken, die uns trennten um ihn zu küssen. Ihm zu zeigen wie sehr ich ihn liebte. Doch kurz bevor sie sich trafen, schoss sein Kopf panisch nach hinten. Dabei sog er zischend die Luft durch die Zähne.
Irritiert sah ich ihn an. "Es tut mir leid Lucy. Ich. Kann. Nicht.", presste er nur hervor. Ein schmerzhafter Stich zog mir durch mein Bauch und rammte sich in mein Herz. Ich fühlte mich als hätte er mich geschlagen. Langsam lies ich mich zurück gleiten, mein blick heftete sich an das Bild an der gegenüberliegenden Wand. "Lucy, bitte versteh. Ich will das nicht nochmal durchmachen müssen."
Ohne ihn anzusehen sagte ich gepresst: "Schon ok." Aber das war es ganz und garnicht. Würden wir uns jemals wieder küssen können? Wenn nicht wie sollte ich je damit klar kommen? Jede Zelle meines Körpers vibrierte und schrie nach seiner Nähe. Ich spührte selbst, wenn ich die Augen schloss, wo er sich im Zimmer aufhielt. Wie zwei Magnete die sich anzogen. "Ich habe es doch überlebt. Gibt es dann nicht sowas wie Antikörper?", flüsterte ich. Ich traute mich nicht lauter zu sprechen. Aus Angst das meine Stimme wegbrach. Nur so hatte ich sie wenigstens ein bisschen unter Kontrolle. Kyus verstand mich aber genau. Da es im Zimmer so ruhig war. "Ich weis es nicht. Und was wenn nicht? Willst du dann wieder im Koma liegen, bis zum nächsten mal? Und wenn du es dann aber nicht schaffst?" Er schüttelte den Kopf. "Nein, das Risiko will und kann ich nicht eingehen. Verzeih mir Lucy."
MeinKopf verstand seine Bedenken. Aber mein Herz wollte es nicht und mein Körper rebellierte mit Schmerzen. Eine einsame Träne stahl sich aus meinem Auge.
Kyus Augen verbrannten vor Mitleid und Trauer und Hilflosigkeit. Er beugte sich über mich und küsste die Träne sanft von meiner Wange weg. Die Stelle kribbelte, was sich über meinen gesamten Körper zog und zu einem heftigen Verlangen wurde, wogegen ich schmerzhaft ankämpfen musste. Dann nahm er mich in den Arm, was es mir noch schwerer machte, aber ich brauchte seine Nähe jetzt. Egal wie und unter welchen Schmerzen.

Die Monitore fingen an zu quietschen, worauf eine ältere, stemmiger Krankenschwester herein kam. Sie sah zwischen uns hin und her. "Sie sollten den Besuch jetzt beenden, Lucy braucht Ruhe. Jede Aufregung ist nicht gut für sie." Böse sah sie Kyus an. "Nein, ich geh nirgendwo hin.", pollterte er los. Ich legte meine Hand auf sein Arm. "Mir geht es gut. Ich war nur etwas aufgebracht und er hat mich beruhigt.", gab ich ihr zu verstehen.
Sie beäugte mich streng, aber schien mir dann doch zu glauben.
Nachdem sie alles kontrolliert hatte, verlies sie das Zimmer. Aber nicht bevor sie mir befahl, dass ich ein Runde schlafen solle. Sie würde später nochmal nach mir schauen.
Ich nickte nur.

Kyus stellte mein Kopfteil wieder tiefer und richtete mein Kissen und die Decke. "Sie hat Recht, du brauchst jetzt Ruhe und schlaf. Ich bin hier wenn du mich brauchst." Ich sah ihn an. "Du solltest dich auch hinlegen. Daheim in deinem Bett und vorher eine Runde durch den Wald."
Er grunzte und erwiederte: "Schlaf wird überbewertet."
"Vielleicht solltest du dringend mal in dem Spiegel schauen. Du siehst furchtbar aus!" Die Werte auf dem Monitor stiegen wieder bedenklich. Daher lenkte er ein.
"Gut, ich werde eine Runde durch das Wäldchen vor dem Krankenhaus gehen, wärend du schläfst. Okay?"
Ich lies mir das durch den Kopf gehen. Mehr würde er mir jetzt wohl nicht entgegenkommen, also nickte ich nur.

DarknessOnde histórias criam vida. Descubra agora