Kapitel 29

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Die beiden Jungs kamen kurz nach Sonnenuntergang zurück. Floriel strahlte uns in seiner freundlich charmanten Art an, verbeugte sich ausladend und rief: "Hallo die Damen.". In Kyus Augen blitze kurz Sorge auf, die er aber, auf dem Weg zu mir, schnell verdrängte. Nahm mich dann in den Arm um mich Leidenschaftlich zu küssen. Es war der Kuss eines ertrinkenden. Floriel hüstelte: "Wenn ihr euch irgendwann auch wieder außeinander reißen könntet, könnten wir essen." Wir lösten uns aprupt von einander. Völlig außer Atem grinsten wir uns an. Floras Vater gluckste.

Kurz darauf saßen wir zu fünft auf der vorderen Terrasse. Floriel saß mir gegenüber, links von mir Kyus rechts Flora. Und zwischen Floriel und Flora saß ihr Vater Valandriel. Während des Essens erzählten uns die Zwei von ihrem Tag. Wie sie mit den Ältesten über die "Vorkommnisse" der letzten Woche gesprochen hatten. Außerdem hat Kyus sich mit seinem Vater Feyn über die Verwaltungen beraten. Feyn war für die Einteilung der Elfen außerhalb des Dorfes zuständig. Und half bei Problemen.

Nachdem Nachtisch, spührte ich aber Kyus unbehagen. Damit wurde mir aufeinmal bewusst, wie oft ich in letzter Zeit spührte wie es jemandem ging. Das war komisch, denn normal war mir das selten so bewusst. "Haben die Ältesten schon gesagt, wann sie mich denn sehen wollen?"
Kyus Anspannung wuchs, sein Blick verfinsterte sich. Floriel schaute ihn gespannt an. Seine Stimmung war eher resigniert. Sie hatten das Thema wohl schon mehrfach diskutiert auf dem Weg zurück. Ich konzentrierte mich darauf um rauszufinden woher dieses Gefühl kam, was ich spührte, als vor meinem inneren Auge ein Bild aufblitzte. Sieben Elfen, fünf davon saßen auf einer Wiese im Halbkreis, einer vor ihnen und ein weiterer ging auf und ab. Ich blinzelte erschrocken.

Floriel drehte sich zu mir, runzelte die Stirn und sah mich fragend an. Ich blickte über seine Schulter, als hätte ich ihn garnicht gesehen. Was war das gewesen? Ich hatte keine Gesichter gesehen, wusste aber sofort, dass der offensichtlich aufgebrachte Elf Kyus sein musst. Mein Gefühl sagte mir das er nicht wollte, dass ich zu den Ältesten ging. Mein Verdacht bestätigte sich als ich erneut fragte: "Wann?" Kyus presste die Lippen zusammen und stattdessen antwortete Floriel: "Morgen." Dafür erntete er von Kyus einen bösen Blick. Ich nickte Floriel dankend zu.
Kyus stand auf und ging ohne ein Wort ins Haus, quer durch den Hauptraum. Ich folgte ihm mit meinem Blick bis er nicht mehr zu sehen war. Wir hörten seine Schritt die Treppe hinauf und als sich eine Tür schloss, drehte ich mich wieder Floriel zu. "Er will nicht das ich zu den Ältesten gehe oder?"
"Nein, er hat versucht sie davon zu überzeugen, dass dies nicht nötig ist." Er zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Aber warum?"
Er überlegte kurz. Wohl ob oder was er mir sagen sollte und vorallem durfte. Auch jetzt spührte ich das er sich für die Wahrheit entschied. "Ich denke, weil er befürchtet das sie mehr Interesse an dir finden werden, als es so der Fall wäre. Er will dich aus der Schusslinie halten, mit all den Rivalitäten die derzeit überall herrschen. Einige Elfen wollen die Welt zu den Menschen sperren, manche wie Calatin, sogar vernichten." Er schaute betrübt zu Boden. Flora seufzte leicht und erhob sich nach ein paar Minuten und fing an den Tisch abzuräumen. Valandriel stopfte sich währenddessen seine Pfeife und ich half Flora beim abräumen.
Als ich die letzten Teller auf dem Tisch nahm, raunte Valandriel mir mit wissendem Blick zu: "Du solltest mit ihm reden." Floriel erhob sich und nahm mir die Teller ab. "Ich mach das schon." Ich wünschte also allen eine gute Nacht und ging dann hinauf zu Kyus.

Vor der Tür zu unserem Zimmer hielt ich kurz an und atmete tief durch. Dann trat ich ein. Es war dunkel, daher blieb ich nochmals kurz stehen, dass sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen konnten. Das dauerte erstaunlicherweise nicht lang. Ich durchquerte das Zimmer, da er hier nirgends war und schaute im Schlafzimmer ob er im Bett lag. Aber diese war unbenutzt. Mein Blick blieb an der offenen Balkontür hängen. Ich trat hinaus und entdeckte ihn links von mir am Geländer stehen. Langsam näherte ich mich, aber so das es er mich kommen hörte. Trotzdem bewegte er sich nicht. Als ich bei ihm ankam, umarmte ich ihn von hinten. Wir standen eine zeitlang einfach nur da und genossen die Wärme des anderen.
Irgendwann räusperte ich mich. "Gehts dir gut?"
"Hmm."
"Was ist los?"
Er drehte sich zu mir um und sah mir tief in die Augen. Der Honig in ihnen wirbelte voller Gefühle durcheinander. Ich sah Liebe, Angst und Wut. Er lies sich mit seiner Antwort Zeit, wohl um seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Und als sich seine Augen soweit beruhigt hatten, spührte ich eine Entschlossenheit in ihm.
"Ich habe versucht sie umzustimmen, aber sie weigerten sich.", knurrte er.
"Ich weis." Er sah mich erst fragend an. Ich zuckte nur die Schultern. Ihm wurde wohl bewusst, dass auch Floriel dabei gewesen war und es mir erzählt hatte als er gegangen war.
"Warum willst du nicht das sie mich kennenlernen?"
Und wieder lies er sich mit der Antwort Zeit und betrachtete mich.
"Sie wissen was sie wissen müssen.", sagte er dann nur achselzuckend.
"Warum?", beharrte ich.
"Sagte ich doch."
"Kyus? Hör auf mich wie ein kleines Kind zu behandeln! Ich bin doch genau deswegen hier oder nicht?", schaubte ich und verschränkt meine Arme vor der Brust.
"Was willst du denn hören? Ich sagte doch schon warum."
"Dein fucking ernst?"
Er zuckte nur mit den Schultern.
"Wie wäre es mit der Wahrheit?" In meinem Kopf blinkte ein Bild von einem Mädchen auf, die ihre Hand an Kyus Wange legte und ihn schmachtend ansah und die mir sehr bekannt vorkam.
Lysira!
Wieder zuckte er mit den Schultern.

Das war zuviel. Ich drehte mich um und verlies das Zimmer. Nach unten wollte ich nicht, dafür war ich zu sauer. Ich lief blindlinks los und fragte mich wieso er mich anlog. Ich verlangte nicht viel von ihm, aber Ehrlichkeit stand definitiv ganz oben auf der Liste.
Ich fand mich vor der Bibliothek wieder und ging hinein. Dort verzog ich mich ins letzte Eck in einen der runden Sitzkörbe. In die Decke, die am Rand hing, rollte ich mich ein, so das ich komplett darunter lag. Von der restlichen Welt abgegrenzt. Eigentlich ein kindisches Verhalten, aber nur so konnte ich das drumherum ausgrenzen.
Tränen rannen mir übers Gesicht.
Und egal wie oft ich darüber nachdachte oder es drehte und wendete, es ergab keinen Sinn.
Warum erzählte er mir nicht was ihn dazu bewegte? Wollte er hier einen auf Macho machen, weil wir nun in seiner Welt waren. Und was hatte er mit dieser Tusse zu tun. Das wurmte mich gleich doppelt. Wobei mir einfiel, dass ich ihm von Talin wohl hätte berichten sollte. Aber er hat mir ja auch keine Zeit dazu gegeben. Und gerade war ich einfach nur froh, ein Geheimnis vor ihm zu haben.
Irgendwann schlief ich einfach ein.

Irgendwann in der Nacht erwachte ich. Es war noch dunkel draußen. Durchs die Fenster sah ich den Mond und die Sterne am Himmel leuchten. Als mir nach und nach einfiel, warum ich hier in der Bibliothek war, wurde mein Herz schwer und neue Tränen liefen aus meinen Augen.
"Lucy? Weinst du?"
Ich erschrak, als neben mir Kyus Stimme erklang. Er saß in einem Sessel neben mir. Eilig wischte ich mir übers Gesicht.
"Es tut mir leid. Ich wollte nicht so, so mies zu dir sein."
Ich sagte nichts und schaute wieder aus dem Fenster. Das war seine Baustelle. So schnell half ich ihm da nicht raus.
Ich spührte seine Unruhe, wie er mit sich kämpfte. Und nach ein paar Minuten sackte er innerlich zusammen. Seufzend kniete er sich vor mich und nahm meine Hand. Er kam wohl zu dem Ergebnis, dass ihm nur die Wahrheit weiter half.
"Ich will nicht, dass du dich hier bei uns unwohl fühlst oder Angst hast.", flüsterte er.
"Unter einigen Elfen herrscht die Meinung, wir sollten uns komplett von den Menschen fernhalten. Mein Onkel, Calatin, verlangte noch mehr, wie er dir ja selbt sagte. Und er hat Anhänger. Einige die sich offen zeigen, andere halten sich verdeckt. Mein Vater und ich versuchen dagegen vorzugehen."
"Ist das alles?", wante ich mich fragend an ihn. "Ist das denn nicht genug? Nach allem was du durchmachen musstest und musst?"
"Vorallem deshalb verdiene ich die Wahrheit oder? Ich bin nicht aus Zucker Kyus, also behandel mich auch nicht so. Und deine Welt hier ist der unseren garnicht so unähnlich. Warum sollte mich dann sowas schocken? Ja es macht mir auch ein wenig Angst, aber das ist ok, solang ich weis das ich dir Vertrauen kann."
Er sah betreten zu Boden. "Du hast ja recht. Es tut mir ehrlich leid. Verzeih mir."
Ich atmete tief durch um all die Gefühle in mir wieder zu richten. Dann löste ich meine Hand aus seiner und nahm sein Gesicht in beide Hände und zog ihn in einen Kuss.
Nachdem wir uns wieder lösten, wirbelte der Honig in seinem Augen vor Erleichterung. Er stand auf, nahm mich bei der Hand und zog mich in unser Zimmer. Dort legten wir uns fest aneinander gekuschelt in unser Bett und schliefen recht schnell wieder ein.

DarknessWhere stories live. Discover now