Epilog

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Kyus half mir dabei den Tisch fertig zu decken. Er lächelte mir immer wieder aufmunternt zu, wenn sich unsere Blicke trafen. Es war Thanksgiving und Feyn hatten meine Familie zu sich eingeladen. Rallion überlegte seit Wochen, wie er den ersten Schritt auf meine Großmutter Gitty, die ihn vor Jahrzehnten verließ und seiner Tochter, von der er bis vor ein paar Wochen noch nichts wusste, zugehen sollte. Daher entschieden Feyn und ich, dieses Treffen auf einem neutralen Boden zu organisieren. Ich war so mega angespannt, dass es mir schwer fiel mich auf den Tisch zu konzentrieren. Jedes Geräusch ließ mich zusammenzucken, weil ich jederzeit damit rechnete, dass es an der Tür klingelte. Ich hatte im Vorfeld erst ein Gespräch mit meiner Großmutter gesucht, die erstaunt und verblüfft war. Doch sie kam uns darauf spontan besuchen, um mit mir zusammen, ihrer Tochter diese unglaubwürdige Geschichte zu offenbaren. Durch diese Gespräche wusste ich, dass sich alle Parteien auf dieses Treffen freuten. Auch wenn jeder von ihnen auf seine Art nervös war. Oma Gitty war scheinbar die Ruhe in Person und sah völlig cool aus, aber hin und wieder schien sie abwesend. Meine Mutter Sue hingegen wurde von Tag zu Tag stiller, je näher Thanksgiving kam. Und ich war das reines Nervenbündel, genau wie mein Großvater, der in der letzten Stunde gefühlt tausendmal fragte, wie er aussähe und ob sein Anzug richtig säße. Was mich umso zappelig machte. Kyus legte seine Hand auf meine, das ich inne hielt. Dann nahm er mich in den Arm und sah mir in die Augen. Ich verlor mich in dem klebrigen Honig darin. Mein Bauch kribbelte wie jedesmal, wenn er mich in die Arme nahm oder küsste.

Plötzlich war es soweit und es klingelte an der Tür. Erschrocken richtete ich mich kerzengerade auf, aber Kyus war zu langsam. Mein Kopf krachte gegen seinen Kiefer. Ich hörte seine Zähne aneinender knirschen. "Ahhhh, Shit!", rief Kyus aus und Schlug die Hand vor den Mund. Erschrocken sah ich ich an. "Oh nein, tut mir leid! Alles okay?"
"Eee, isch hab mir auf sie Sunge gebissn."
"Sorry Schatz. Das wollte ich nicht. Ich... Tut mir leid.", stammelte ich vor mich hin. Strich mit meinen zittrigen Fingern über seine Wangen. Hinter uns hörte ich Feyns Stimme, die meine Großmutter und meine Eltern begrüßte. Schritte kamen näher. Rallion stand plötzlich neben mir. Stock steif. Seine Nervosität war noch schlimmer als meine, dass spürte ich genau. Ich schob meine Hand in seine und er blickte zu mir. Sein Lächeln geriet schief. "Opa!", flüsterte ich, "Auch wenn es vielleicht kein großer Trost ist, aber egal wie der Abend ausgeht, mich wirst du nicht mehr los." Rallion schaute auf mich herab. In seine Augen blitzen Tränen. Das Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Dann drückte er mich an sich. "Danke meine Kleine. Ich bin stolz, dich als Enkelin zu haben."

Die Gespräche vom Flur brachen ab. Eine Bewegung im Augenwinkel ließ uns den Kopf zur Tür drehen. Dort stand meine Großmutter und schaute uns an. In ihren Augen war soviel Liebe. Ich ließ Rallion los und schob in sacht in ihre Richtung. Sie starrten sich an. Man fühlte, wie die Erinnerungen an all die alte Zeit durch die Beiden hindurchfloss. Eine Ewigkeit später, machte Gitty einen Schritt auf Rallion zu. Dann noch einen. Rallion erwachte aus seiner Starre und überbrückte den Rest der kurzen Strecke. Dann standen sie voreinander. Gitty blickte zu ihm hoch und der Raum begann zu knistern. Nach einer weiteren Ewigkeit, durchbrach Rallion die Stille. Man hätte bis dahin eine Stecknadel fallen hören können. "Warum?", fragte er. Und in diesem einen Wort stand soviel mehr. Sie hob die Hände und legte sie ihm auf die Brust. "Es tut mir leid.", flüsterte sie aufrichtig unter Tränen erstickt. Er drückte sie an sich und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. Es fühlte sich an, als Blicke man von Außen auf eine Filmszene. Es war real, aber auch total unwirklich. Die Energie im Raum ging allen durch und durch. Irgendwann schienen beide wieder ins hier und jetzt zurück zu kommen. Gitty schaute Rallion in die Augen. "Ich möchte dir jemanden vorstellen." Sie löste sich von ihm und ging ein Schritt zu Seite, während sie sich umdrehte. Sie deutete auf meine Mum. "Deine Tochter." Tränen füllten sich in seine Augen, als er sie erblickte. Mum schien es ähnlich zu gehen. Sie hatte immer den starken Wunsch gehabt, ihren Vater kennenzulernen. Sie konnte nie damit abschließen, auch wenn sie bis dato dachte, sie könnte ihn niemals finden, da Gitty immer sagte, sie wüsste nicht mal seinen Namen. Ich kannte ihren Blick, wenn sie beim Einkaufen oder im Urlaub durch die Städte lief und sich umschaute. In den Gesichtern fremder Männer vielleicht Ähnlichkeiten zu finden. Auch mein Vater wusste es, doch nie sagte er etwas, sondern nahm sie in diesen Augenblicken einfach an der Hand. Er zeigte ihr damit, dass er für sie da war. Manchmal, an guten Tagen, wenn ich mit ihr alleine in der Einkauspassage bei unserer Lieblingseisdiele saß, machten wir ein Spiel darauß. Und nun wurde dieser tiefe unbändinge Wusch für sie wahr. Die erste Träne rollte über Mums Gesicht. Ihre innere Anspannung ließ nach und die Liebe lief über. "Vater!", hauchte sie mit brüchiger Stimme. Rallion öffnete die Arme und Sue lief ihm entgegen. Und dann brachen auch die Dämme, dieses sonst so starken Mannes. Mein Herz schmerzte in meiner Brust. Nicht vor Traurigkeit, oder Schmerz, sondern da es mit soviel Liebe aufeinmal nicht klar zu kommen schien. Mein Leben rückte sich in die richtige Bahn. Alles würde gut werden. Jedenfalls für den Moment. Denn einige würden für immer fehlen. Lorion der seinen Bruder Albinon tötete und ihm eine Woche später an gebrochenem Herzen folgte. Zwillinge waren eben stärker verbunden, doch war es ein Schock für uns alle. Noam, der sein Leben gab um meines zu retten und den ich meist schnell aus meinem Kopf schob, denn die Trauer um ihn begleitete auch Scham, ein schlechtem Gewissen Kyus gegenüber und einem Vermissen. Noch aber konnte ich mit ihm nicht abschließen, bis dahin verbannte ich ihn ins letzte Eck meines Herzens. Und dann waren da noch einige der anderen Kämpfer, die ich viel zu wenig kannte, was mir sehr leid tat.

Meine Tränen fielen in dieser gefühlsgeladenen Atmosphäre nicht auf. Ich lenkte meine Gedanken auf Tarek, den ich in einigen Tagen bei einem gemeinsamen Fest, an dem auch meine Eltern und meine Oma eingeladen waren, wiedersehen würde und das hob meine Stimmung ein wenig.
Nur einer fehlte in dieser Runde. Talin. Doch für ihn war es noch zu früh. "Weißt du, dass ich Dich Liebe, Lucy?", flüsterte Kyus mir ins Ohr, während er mich von hinten in den Arm nahm. Dabei hielt er mir ein kleines Kästchen die Nase. "Was ist das?"
"Hmmm, ich weiß es nicht. Floriel gab es mir von deinem Onkel." Mit zitternden Händen öffnete ich das Kästchen und ein rot flackerndes Granatsplitter, welches das Auge eines Drachen darstellte, schaue mir entgegen. Die Drachenkette hatte zu mir gefunden. Eine Geste, die mein Herz mit Hoffnung füllte. Ich drehte mich schiefend zu Kyus um und zog ihn in einen langen sehnsuchtsvollen Kuss.


                             - ENDE -

DarknessOnde histórias criam vida. Descubra agora