Kapitel 42

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Ich schlug die Augen auf. Da schrie doch jemand. War derjenige etwa in Gefahr? Wurden wir angegriffen? Oder bekam Taleria gerade ihr Kind? Adrenalin schoss durch meinen Körper. Mein Puls raste. Ich wollte mich bewegen, wollte zu Hilfe eilen. Aber alles in mir brannte und war wund. Wo waren denn alle? Will denn keiner kommen und der Person helfen? Wir müssen in Gefahr sein. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Meine Sicht klarte langsam auf. Rallions Gesicht tauchte vor mir auf. Er redete zu mir, aber ich konnte es nicht hören. Was war mit mir los? Schlief ich und träumte gerade diesen merkwürdigen Traum? Ich fing an, mein Herz zu erfühlen. Es galoppierte wie ein gehetztes Pferd in meinem Körper. Meine Arme und Beine kribbelten unter diesem brennenden Schmerz. Der nun auch von Minute zu Minute stärker wurde. Meine Nerven spannten sich an. Ein Ruck ging durch mich hindurch. Wie als würde ich damit wieder in der realen Welt einrasten. Erinnerungen rauschten wie ein Orkan durch meinen Kopf. Und das Taube meiner Ohren nahm ab. Nun konnte ich auch erkennen, woher das Geschrei kam. Ich war es. Rallion streichelte über mein Haar und wiederholte seine Worte immer und immer wieder. „Es ist alles gut, Lucy. Beruhige dich." Ich bekam kaum mehr Luft. Ein kindliches Gesicht schob sich in meinen Blick. Wer war sie? Ich wusste dass ich sie kannte, doch mein Kopf war leer. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Brustkorb. Ich konzentrierte mich darauf, hielt mich fest. Wärme ging darauß hervor. Langsam wich der Schmerz soweit, dass ich ihn ertragen konnte. Ich verstummte und das Gesicht meines Großvaters zeigte seine Erleichterung. Bleierne Müdigkeit umfing mich. „Schlaf ein bisschen.", begleitete mich Rallions Stimme in die Dämmerung.

Ich wachte auf, als mich Sonnenstrahlen im Gesicht kitzelten. Leicht benommen legten sich kurz darauf auch schon die Puzzelstücke in meinem Kopf an die richtigen Stellen und ich erinnerte mich an das, was geschehen war. Leise stöhnte ich auf. Etwas regte sich bei meinen Beinen, was mich erstarren ließ. Ich hob langsam meinen Kopf und schon das allein erschöpfte mich so extrem. Mein Körper schmerzte noch immer heftig, aber es war zum Aushalten. Tarek saß auf einem Sessel neben mir am Bett und muss wohl beim Einschlafen mit dem Kopf nach vorne gesackt sein. Seine Gesichtszüge waren weich und entspannt, aber er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Mir zog es das Herz zusammen, ihn so elend zu sehen. Die Tür quietschte leise beim Öffnen. Noam trat ein Stück herein. Er blieb kurz wie angewurzelt stehen als er sah, dass ich wach war und Tarek bei mir saß. „Hey.", sagte er nach kurzem Schweigen leise. „Darf ich reinkommen?" Eine Spannung lag zwischen uns. Nachdem er mir seine Liebe gestanden hatte, war ich ihm so gut es ging aus dem Weg gegangen. Ich war sogar froh, als man ihn auf Erkundung schickte. Was mein schlechtes Gewissen auf den Plan rief. „Du bist doch schon drinnen.", versuchte ich die angespannte Stimmung aufzuheitern. Aber es fühlte sich komisch an. Ich hoffte, Tarek würde mich aus dieser unangenehmen Situation befreien. Noam lächelte kurz und wollte etwas sagen, aber nickte dann nur und trat vorsichtig an die andere Seite meines Bettes. Sein Blick fiel auf Tarek. Es schien, als würde er lieber weglaufen wollen und hoffte, Tarek würde wach werden, dass er dafür eine Ausrede hätte. Da waren wir also schon zu zweit. Andererseits hatte ich das Gefühl, er wäre nur zu gerne an Tareks Stelle und ich hätte es zugelassen, dass er mir so nah sein durfte. Nervös spielte ich mit meinen Fingern, die plötzlich triefend nass waren. Ich vertrieb beide Gedanken und versuchte, den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken, den mein schlechtes Gewissen mir verpasst hatte. Noam räusperte sich leise. „Wie geht es dir? Hast du noch Schmerzen?"

„Es geht.", brachte ich schulterzuckend hervor. Den Rest unterdrückte der dumme Kloß, der meinen Hals weiter verstopfte. „Wir dachten nicht, dass du so schnell wieder aufwachen würdest." Ich zog fragend die Augenbrauchen hoch. „Naja, du warst sehr erschöpft. Die Ältesten rechneten damit, dass du wohl mindestens zwei bis drei Tage schlafen würdest.", antwortete er achselzuckend. „Wie lang hab ich denn geschlafen?", fragte ich vorsichtig.
„Etwas mehr als einen Tag." Ich riss die Augen auf. „Was?", keuchte ich. „So lang?" Noam schüttelt den Kopf. „So erschöpft wie du warst, ist es ein Wunder, dass du schon wach bist." Er holte Luft und fügte flüsternd hinzu: „Du bist eben was besonderes." Mir schoß die Röte ins Gesicht. Er aber sah auf seine Füße. „Noam, bitte nicht. Es ..." Er unterbrach mich mit abwehrend Hände und schaute mir dann in die Augen. „Nein, schon gut. Ich werde nicht damit anfangen. Ich wollte nur nach dir sehen. Aber es sieht aus, als wärst du in guten Händen." Sein Blick glitt erneut zu Tarek. Ich sah den Schmerz in seinen Augen. Der tiefe Wunsch dort zu liegen. „Ruh dich weiter aus. Ich werde den anderen Bescheid geben, dass du wach bist. Taleria wird dir etwas zur Stärkung bringen." Damit drehte er sich um und war aus dem Zimmer verschwunden. Ich blieb betreten zurück.

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