Kapitel 24

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"Hallo mein Schatz, da bist du ja entlich." Mum stand auf und eilte zu mir. Hinter ihr erhob sich auch mein Vater und Dr. Ancoron. "Seit ihr gut durchgekommen unterwegs?" Sie schaute zu Kyus, der ihr zunickte. "War alles frei." Dann schaute er zu den beiden Männern. "Hallo Herr Jones, Floriel." Auch meinem Vater und dem Doctor nickte er zu. Mir kam in den Sinn, dass ich Kyus noch garnicht nach dem Doc ausgefragt hatte. Irgendwie ging das wohl in all dem Trubel unter. Der Arzt legte seine Hand auf die Brust und verbeugte sich leicht. Der kurze Blickwechsel entging mir jedoch nicht. So unscheinbar er auch war. Meine Eltern sahen es nicht. Mein Vater kam auf Kyus zu, hielt ihm die Hand hin und sagte: "Ich denke nach der ganzen Zeit, können wir das Förmliche weglassen. Also nenn mich Frank." Kyus wirkte überrascht, ergiff aber dessen Hand. "Es ist mir eine Ehre. Frank.", sagte er total altmodisch und mit einer leichten Andeutung einer Verneigung. Er schaute ihn leicht verdutzt an, sagte jedoch nichts. Meine Mum lies mich derweil los und wante sich den beiden zu. "Mich darfst du Sue nennen.", zwinkerte sie ihm zu. Er legte die Hand auf die Brust und verneigte sich. "Vielen Dank, Sue." Meine Mum machte große Augen. Ihr fehlten die Worte. Um die entstehende unangenehme Stille zu überspielen, wendete ich mich dem Doc zu. "Was machen sie hier Doctor Ancoron?"
Er lächelte und neigte kaum merklich sein Kopf zu Begrüßung, um meine Eltern nicht zu überfordern. "Ich bin hier um mit deinen Eltern den weiteren Vorgang zu deiner Genesung zu besprechen. Dir geht es nach den Auswertungen der Tests sehr gut. Alle Werte waren in Ordnung. Trotz allem möchte ich das du noch einige Zeit in eine spezielle Reha gehst. Um Stress um dich zu minimieren." Ich war überrascht. Half er mir da gerade eine Ausrede zu finden? "Wann und wielang?", hörte ich Kyus fragen. Dr. Ancoron sah mir noch immer in die Augen. Er räusperte sich und blickte zu meinen Eltern: "Leider sind die Plätze sehr rar. Aber ich habe meine Kontakte spielen lassen um es zu beschleunigen. Daher würde es schon morgen losgehen. Vorerst für zwei Wochen."
"Oh!", mehr kam nicht aus mir heraus. Auch wenn ich wusste, dass ich morgen schon wieder weg musste, war ich doch überrascht. Denn ich ging davon aus, dass wir nicht länger als ein Wochenende weg blieben.

"Das tut mir wirklich leid, ich weis das sie sich gefreut hatten Lucy länger hier zu haben, nach allem was war. Und auch du Lucy wirst dich darauf eingestellt haben hier zu sein. Aber dieser Platz ist grade kurzfristig frei geworden und ich halte es für das Beste, das du es so langsam wie möglich angehst. Daher hoffe ich das du und auch deine Eltern zustimmen. Ich muss spätesten in einer Stunde Rückmeldung geben."
Ich war über diese dreiste Lüge so verblüfft, dass ich nur nicken konnte. Diese unverhoffte Hilfe hatte ich nicht erwartet und es machte alles so einfach. Meine Eltern wussten nicht so recht was sie sagen sollten. Offenbar kannten sie den Vorschlag noch nicht. Es schien als war der Arzt nur ein paar Minuten vor uns eingetroffen. Die Minuten verstrichen und meine Eltern waren immer noch geplättet. Meine Mum setzte sich wieder auf die Couch.
"Wielang wartet man für gewöhnlich auf so ein Rehaplatz?", durchbrach Kyus die Stille. "Wenn man Glück hat neun bis zwölf Monate.", antwortete der Doc wie selbstverständlich. "Dann sollte ich den Platz wohl annehmen. Auch wenn ich mich wirklich erstmal auf mein Bett gefreut habe. Ist das für Euch ok? Mum? Dad?"
Beide sahen mich an. In den Augen meiner Mum blitze Traurigkeit auf, bei meinem Pa waren es eher Zweifel, wohl ob ich wirklich wieder so Gesund war.
Aber beide nickten zustimmend nachdem sie sich kurz stumm ansahen.
"Also gut, dann werde ich also ab morgen auf Reha sein. Brauch ich bestimmtes Zeug? Und für zwei Wochen?"
"Normales Zeug reich denk ich, du gehst ja nicht auf einen Ball oder Party. Ich rate zu Sportsachen wenn du Yoga oder Meditation machen wirst. Ansonsten alles ungezwungen. Und erst einmal nur für zwei Wochen. Sollte der behandelnde Arzt dort zum Ende der Meinung sein, eine Verlängerung wäre gut, dann eventuell auch länger."

Jetzt kam wieder Leben in meinen Vater: "Wie kommt sie dorthin. Wir müssen morgen arbeiten und können so kurzfristig nicht frei nehmen. Kyus wird wohl auch wieder zur Schule müssen."
Dr. Ancoron hob beschwichtigend die Hände. "Wenn es ok ist, fahr ich sie gern dort hin. Ich habe morgen sowieso frei. Und ein Besuch bei meinem Kollegen wäre mal wieder von nöten. Kyus darf auch gerne mitkommen, wenn es für sie ok ist. Ich habe ihn für diese Woche sowieso noch krankgeschrieben, da ihm auch ein wenig Ruhe nach dem erlebten nicht schadet."
Sein ruhiger Blick besänftigte meinen Vater in allem und er stimmte ohne Wiederworte zu.

Meine Mum blickte zu mir: "Ist das wirklich ok für dich? Ich werde dir auch gleich beim packen helfen."
"Alles gut Mum. Ich mach das schon. Ich brauch sowieso ein wenig Bewegung.", sagte ich und lächelte sie an. "Kyus kommst du mit rauf?" Ich deutete mit dem Kopf nach oben zu meinem Zimmer, was er mit einem schüchternen Lächeln erwiederte. "Doctor, wann darf ich sie dann morgen erwarten?" Er lächelte mich belustigt an: "Ich denke wir sollten um zehn Uhr losfahren."
"Ok, geht klar. Ich werde fertig sein. Bis morgen."
Ich drehte mich um und lief zur Treppe. Ich spührte die Blicke der anderen in meinem Rücken. Kyus verabschiedete sich beim Doc und kam mir langsam hinterher. Seine Schritte wirkten vorsichtig.
Leise hörte ich von unten die Stimme meiner Mutter. "Wann ist sie nur so erwachsen geworden?"
Über diese Aussage musste ich lächeln.

Ich durchquerte die Tür meines Zimmers und ging direkt auf den hinteren Teil zu. An meinem Bett angekommen drehte ich mich um. Kyus stand im Türrahmen und blickte sich neugierig um. "Fühl dich wie Zuhause.", sagte ich und lies mich rücklings stöhnend aufs Bett fallen.

Leise Schritte näherten sich mir nach kurzer Zeit und einen Moment später lag Kyus neben mir auf dem Bett. "Schönes Zimmer. Passt zu dir."
"Hmm, find ich auch. Daher wohn ich hier." Kyus lachte sein tiefes rauhes Lachen. Ein wolliger Schauer lief durch mich hindurch. Ich drehte mich um und rutsche nah an ihn heran. Er nahm mich sofort in den Arm und drückte mich an sich.
Mir wurde plötzlich total heiß. Allein und so nah waren wir lang nicht mehr. In meinem Bauch fingen die Schmetterlinge an zu flattern. Blöde Mistviecher. Ich hob meinen Kopf und unsere Lippen waren sich so nah. Ich spührte seinen warmen Atem auf meinem Gesicht. Mein ganzer Körper kribbelte. Seine Augen brodelten wie flüssiger Honig. Irgendwo unter der Gürtellinie regte sich etwas, aber ich wollte, nein ich konnte mich nicht darauf konzentrieren. Ich nahm meinen Mut zusammen und näherte mich ihm. Doch kurz bevor sich unsere Lippen trafen, hob Kyus seinen Kopf und drückte mir ein Kuss auf die Stirn. Ein scharfer Schmerz schoss durch mein Herz. "Ich kann nicht Lucy.", flüsterte er mit rauher erstickender Stimme. Er zog den Kopf ein Stück nach hinten um mich anzusehen. Ich wich ihm aus und löste mich aus seiner Umarmung. "Lucy bitte."
"Schon ok.", sagte ich flüsternd. Ging zu meinem Schrank und holte den Koffer, der oben drauf lag, herunter. Legte ihn dann auf dem Boden ab. "Lucy, komm bitte wieder her.", versuchte er es erneut. Mich hatte es verletzt. Ich verstand ihn ja, aber ich sehnte mich so nach ihm. Es zerriss mich innerlich.
"Ich muss packen.", presste ich so normal es ging hervor.
Ich wühlte planlos in meinem Zeug und wusste nicht was ich tat. Plötzlich umschlangen mich feste Arme und drehten mich um. Er nahm mir etwas aus der Hand. "Ich denk Handschuhe kannst du hier im Schrank lassen."
Ich blickte nach unten. Ich wollte ihn nicht ansehen. "Lucy bitte, mach es mir nicht so schwer." Er legte den Zeigefinger unter mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen. "Ich liebe Dich." Die Träne die sich aus meinem Auge stahl, spührte ich. Ich konnte sie nicht zurück halten. Kyus fing sie sanft mit dem Finger auf. "Dann küss mich.", flüsterte ich mit trautiger Stimme. "Lucy bitte, versteh doch."  sagte er verzweifelt.
"Sterben war einfacher.", hauchte ich. Damit lösten sich weitere Tränen.
Kyus Augen brannten vor Gefühlen. Sie wechselten von Unglauben, zu Schmerz bis hin zu Verlangen und wieder zurück.
Mein Herz brannte einfach nur und meine Augen liefen über.
Er nahm mein Gesicht in die Hände und drückte seine Lippen auf meine. Meine Hände griffen wie eine ertrinkende in seine Haare. Nach einem kurzen heftig verlangenden Kuss, blickte er mich entsetzt an. Entsetzt, was er getan hatte. Er suchte nach Anzeichen. Doch nichts passierte. Auch ich hörte in mich hinein. Nur eine pochendes Verlangen nach mehr spührte ich. Als nach zwei Minuten noch immer nichts war, zog ich ihn wieder zu mir. Er lies es zu und der nächste Kuss war viel sanfter und verspielter. Seine Hände wanderten meinen Rücken hinunter. Die eine blieb auf meinem Rücken liegen die zweite auf meinem Hintern.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und einem doch viel zu kurzem Kuss lösten wir uns atemlos voneinander.

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